Autofreier SonntagAls die Polizei in Elsdorf eine Kutsche auf der Autobahn anhielt

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Männer und Frauen sitzen auf einer Kutsche, vor die ein Pferd gespannt ist.

Zu einer Kutschfahrt nutzten die Heppendorfer um Dietmar Kinder (2.v.l.) und Winfried Schmitz (l.) mit Pferd Rauhgraf den autofreien Sonntag vor 50 Jahren. (Archivfoto)

Vor 50 Jahren durften an vier Sonntagen keine Autos fahren, Dietmar Kinder aus Heppendorf spannte kurzerhand sein Pferd vor die Kutsche. 

Autos durften im November und Dezember vor 50 Jahren an vier Sonntagen wegen der Ölkrise nicht auf die Straßen. Findige Heppendorfer um Dietmar Kinder nutzten die seltene Gelegenheit der autofreien Sonntage zu einer ungestörten Kutschfahrt durch die vorwinterliche Umgebung ihres Heimatdorfes. Kinder, früher Archivar der Gemeinde Elsdorf, hatte sein Pferd Rauhgraf vor die Kutsche gespannt. Neben ihm auf dem Kutschbock hatte Winfried Schmitz Platz genommen, im Fond saßen Hans Bernhard Lahme, Horst Derra, Willi Pickartz und Peter Schumacher.

„Wir fuhren morgens los und kamen spät abends zurück, ohne genau zu wissen wie. Es war das Pferd, das den Weg fast allein nach Hause gefunden hat. Das lag nicht zuletzt daran, dass wir in allen Orten, die wir durchquerten, Leute vorfanden, die uns unbedingt mit Schnaps und Bier erfreuen wollten. Das konnten wir schon aus Höflichkeit nicht ablehnen“, erinnert sich Kinder an die denkwürdige Tour.

Um Speisen und Getränke mussten sich die Ausflügler keine Gedanken machen. „Alles, was wir an Naturalien brauchten, stellten uns fröhliche Mitmenschen am Wegesrand zu Verfügung. Es war ein Leben wie im Schlaraffenland und auch unser Pferd Rauhgraf kam nicht zu kurz: Hafer, Möhren und Wasser flossen auch ihm in Überfülle zu. Von den vielen Streicheleinheiten der Kinder in all den Dörfern ganz zu schweigen.“

Ein Polizeifahrzeug hielt die Kutsche auf der Autobahn an 

Auf der Wegstrecke durch den Altkreis sei die Kutsche nahezu allein unterwegs gewesen. „Ab und zu begegnete uns mal ein Taxi.“ Für eine kurze Wegstrecke habe sich das Gespann gar auf die Autobahn verirrt. „Auf beiden Fahrspuren herrschte eine ungewöhnliche Stille, die nur durch unseren Gesang und von Rauhgrafs Hufgeklapper unterbrochen wurde. Denn wir hatten natürlich Gitarre und Klarinette dabei.“

Dann habe sie doch ein Fahrzeug auf der Autobahn eingeholt und die Kutsche angehalten – ein Polizeifahrzeug. „Doch die beiden Polizisten hatten einen guten Tag und durchaus Verständnis für unser Verirren. Und außerdem schienen sie Pferdefreunde zu sein. Rauhgraf bekam ein Malzbonbon, und der Polizist winkte uns durch mit der Bemerkung, ein PS mit Haferantrieb dürfe weiterfahren, allerdings nur bis zur nächsten Ausfahrt.“

Es folgten noch zahlreiche Kutschtouren in den folgenden Jahren, und Rauhgraf nahm auch als Martinspferd ebenso regelmäßig wie geduldig am Ortsleben teil. „Rauhgraf war lange das älteste Pferd im Rhein-Erft-Kreis und bekam zuletzt auch sein wohlverdientes Gnadenbrot, bis es dann eines Tages wirklich nicht mehr ging, das war im Juni 1997. Rauhgraf wurde 39 Jahre alt, für ein Pferd uraltes Alter.“ Bei vielen Leuten in Heppendorf ist sein Name im Zusammenhang mit den vielen Kutschtoren heute noch ein Begriff.

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