Nach Nazi-VorwürfenErftstadts ukrainische Partnerstadt will Dialog über gemeinsame Geschichte

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Carolin Weitzel und Igotr Hirchak unterzeichnen ein Dokument.

Erftstadts Bürgermeisterin Carolin Weitzel und Igotr Hirchak unterzeichneten die Partnerschaftsurkunde.

Ternopil, Erftstadts Partnerstadt in der Ukraine, hat ihr Stadion nach Roman Schuchewytsch benannt. Der ist umstritten. 

Am Dienstag entscheidet der Stadtrat darüber, ob die noch junge Städtepartnerschaft mit Ternopil wieder aufgekündigt wird. Die Verbindung mit der ukrainischen Stadt war im Februar besiegelt worden, auch um Solidarität mit den Menschen zu zeigen in dem Land, das von Russland angegriffen worden ist und sich seitdem im Krieg befindet.

Im Juli hatte dann die Fraktion Die Linke beantragt, die Partnerschaft wieder zu beenden. Der Grund: Ternopil habe sein Stadion nach Roman Schuchewytsch benannt. Der habe bei ethnischen „Säuberungen“ und Pogromen im Zweiten Weltkrieg als Teil der Legion ukrainischer Nationalisten auf Seite der deutschen Wehrmacht im Bataillon Nachtigall gekämpft.

Das Stadion in Ternopil aus der Luft.

Die Benennung des Stadions in Ternopil nach einem Faschisten beschäftigte den Stadtrat Erftstadts.

Bürgermeisterin Carolin Weitzel hatte daraufhin ihren Amtskollegen aus Ternopil um eine Stellungnahme gebeten. Die liegt nun vor. Nachdem das erste Schreiben aus Erftstadt offenbar nicht in der Ukraine angekommen war, hatte die Stadtverwaltung es ein zweites Mal geschickt. Serhii Nadal, Bürgermeister von Ternopil, verteidigt die Namensgebung.

Er schreibt: „Ich bitte Sie, nicht zu Geiseln der »sowjetischen Geschichtsschreibung« zu werden, da konkrete historische Fakten, die in Dokumenten festgehalten sind, das Gegenteil bezeugen.“ Jede versklavte Nation habe das Recht, für die Unabhängigkeit zu kämpfen, und in der Geschichte jeder Nation gebe es Personen, ohne die sie niemals unabhängig geworden wäre.

Lehren aus den traurigen Seiten der Geschichte ziehen

Nadal vergleicht Roman Schuchewytsch mit George Washington und Menachim Begin: „Ohne Begin gäbe es keinen Staat Israel, und ohne Schuchewytsch gäbe es keine unabhängige Ukraine.“ Schuchewytschs Zusammenarbeit mit den Nazis sei erzwungen gewesen und habe auf deren Versprechen beruht, die Unabhängigkeit der Ukraine anzuerkennen.

Außerdem habe er als Kommandeur alles getan, um gegen die Feinde und nicht gegen die Zivilbevölkerung zu kämpfen. Schuchewytsch sei nicht vom internationalen Gerichtshof verurteilt worden. „Die traurigen Seiten unserer Geschichte rufen uns dazu auf, ihre Lehren zu ziehen“, schreibt Nadal weiter.

Gemeinsame Aufgabe sei, ein Europa ohne die Versklavung einer Nation aufzubauen und jede Nation der europäischen Völkerfamilie zu respektieren. Er hoffe, die Zusammenarbeit fortsetzen zu können. Der Dialog werde helfen, einander besser kennenzulernen und etwaige Missverständnisse zu beseitigen. Neben der Linken plädiert die Fraktion Aufbruch '22 dafür, die Partnerschaft mit Ternopil zu beenden.

Die Freie Wählergemeinschaft und Bündnis 90/Die Grünen hatten sich bereits im Sommer für das Weiterführen ausgesprochen, vor allem aber für den Dialog über die gemeinsame Geschichte. Es gebe auch hier Straßennamen, die kritisch überprüft werden müssten. Auch die SPD fordert nun, die Partnerschaft fortzusetzen. Städtepartnerschaften hätten nach dem Zweiten Weltkrieg zum Frieden in Europa beigetragen.

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