Hospizmitarbeiterin Sabine Dohm leitet unter anderem eine Jugendtrauergruppe und bietet Gesprächsabende in Kindergärten an.
SterbenKinderhospiz-Koordinatorin aus Erftstadt: „Man kann Kindern alles erklären, was mit Tod zu tun hat“

Es gibt viele tolle Bücher, die ins Gespräch bringen übers Abschiednehmen und den Tod, sagt Sabine Dohm vom Hospiz-Verein Erftstadt.
Copyright: Beate Schwarz
Sabine Dohm ist Koordinatorin im Hospiz-Verein Erftstadt. Sie weiß, wie Erwachsene mit Kindern über das Sterben sprechen können. Beate Schwarz fragte nach.
Frau Dohm, Sie bieten Elternabende in Kindergärten an. Welche Frage stellen Eltern am häufigsten?
Sabine Dohm: „Soll ich mein Kind mitnehmen zu einer Beerdigung?“
Was antworten Sie?
Ja, unbedingt – vorausgesetzt, das Kind möchte das.
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Wie findet man das heraus?
Man muss das Kind fragen. Man sollte einen Plan B haben, also eine Begleitperson, die sich um das Kind kümmert, falls es plötzlich wegwill vom Friedhof. Und man sollte bereit sein, Fragen zu beantworten, die das Kind stellt. Zum Beispiel, warum manche Menschen laut weinen und andere gar nicht. Warum die Oma in eine kleine Dose passt oder was mit ihr passiert, wenn sie im Sarg in der Erde liegt. Man kann Kindern alles erzählen und erklären, was mit Tod zu tun hat.
Haben Kinder weniger Scheu vor dem Thema Sterben und Tod als Erwachsene?
Ja, vor allem wenn sie sehr jung sind. Sie sehen, dass Blumen verwelken oder der Pudding schimmelt, wenn er zu lange offen im Kühlschrank steht. Alles, was lebt, stirbt – das erleben sie jeden Tag. Abschiednehmen üben sie ab der Geburt: Abschied vom Stillen, vom Nucki, von einem Haustier. Der Tod ist für sie kein Tabu. Das wird er für viele Menschen erst, wenn sie älter werden. Bis etwa ins Grundschulalter haben Kinder allerdings oft noch kein Zeitverständnis und wissen nicht um die Endgültigkeit des Todes. Ärgern sie sich über jemanden, wünschen sie ihm vielleicht, dass er tot ist. Oder sie sagen, die Oma sei ein bisschen tot.
Der Verlust des Kuscheltiers löst oft große Verzweiflung aus – manchmal größere als der Tod des Opas.
Ja, das kann vorkommen. Vielleicht wohnte der Opa weit weg und das Kind hat ihn selten gesehen. Das Kuscheltier aber war ein Vertrauter, ein magischer Gegenstand.
Kinderfragen können Erwachsene sprachlos machen.
Kinder sind sehr direkt. Tod und Sterben sind vor allem für Jüngere ein sehr interessantes Sachthema. Wenn ich in Grundschulen zu Besuch bin, stellen die Schülerinnen und Schüler häufig technische Fragen: Wie heiß ist es im Krematorium? Stinkt es sehr, wenn ein Toter verbrannt wird? Kann man in diesem Ofen auch eine Pizza backen?
Ändert sich der Umgang mit dem Tod mit dem Älterwerden?
Ja. Bei Jugendlichen und Erwachsenen löst der Tod eines Freundes oder Verwandten häufig Schuld und Scham aus. Sie haben das Gefühl, etwas versäumt zu haben – weil sie sich mit dem oder der Verstorbenen zuletzt gestritten und nicht mehr versöhnt haben oder weil sie sich lange nicht gemeldet hatten.
Wie unterstützt man als Erwachsener Kinder am besten?
Verlust löst starke Gefühle aus. Viele sieht man einem Kind an. Wenn ich sage „Ich sehe, dass du wütend/sehr traurig/fröhlich bist“, helfe ich dem Kind, seine Gefühle einzuordnen und über sie zu sprechen. Ich sollte auch meine eigenen Gefühle nicht verstecken.
Spüren Kinder, wenn Erwachsene Gefühle verstecken?
Ja. Ein Beispiel: Einem Erwachsenen kommen die Tränen. Das Kind fragt, ob er traurig ist. Er sagt, nein, es sei ihm etwas ins Auge geflogen. Das irritiert das Kind und es lernt, dass es seinem Gefühl nicht trauen kann.
Sie waren mehrfach als Notfallhelferin in weiterführenden Schulen, zum Beispiel wenn ein Schüler gestorben war. Wie reagieren Jugendliche?
Sie wollen etwas tun, möchten hilfreich sein oder Erinnerungen schaffen. Sie haben Angst, den verstorbenen Mitschüler oder die Mitschülerin zu vergessen. Viele werden sehr kreativ.
Und wenn ein Familienmitglied verstorben ist?
Das ist sehr unterschiedlich. Manche wollen auf keinen Fall, dass die Mitschülerinnen und Mitschüler vom Tod erfahren. Wenn das Zuhause ein Ort der Trauer ist, wollen sie die Schule als todfreien Ort. Andere möchten unbedingt darüber sprechen, dass der Vater oder die Schwester gestorben sind. Das ist immer auch die Chance für Schule, Sterben und Trauer zum Thema zu machen.
Wann spricht man mit Kindern am besten über das Sterben?
Möglichst nicht erst, wenn es einen konkreten Anlass gibt. Man sollte das Thema in den Alltag einbauen – am Wochenende zum Beispiel mal auf dem Friedhof spazieren gehen und Gräber suchen, die dem Kind besonders gut gefallen. Und man kann gemeinsam die tote Maus beerdigen, die man im Garten findet. Im Kindergarten, in dem ich lange gearbeitet habe, haben wir das immer getan.
Es gibt viele Umschreibungen für den Tod. Was halten Sie von Sätzen wie „Er ist von uns gegangen“?
Solche Sätze irritieren Kinder und können Schuldgefühle auslösen. Vielleicht ist der Papa wegen mir weggegangen? Wenn man sagt, der Kindergartenfreund schlafe für immer, kann es passieren, dass ein Kind Angst bekommt, abends ins Bett zu gehen.
Sollten Kinder und Jugendliche mitkommen auf eine Intensivstation? Sollten sie den toten Opa berühren dürfen?
Klar, wenn sie das möchten! Fragen Sie sie und erklären Sie vorher, wie es im Krankenzimmer riecht und welche Geräusche es gibt. Dass die Haut eines Toten sich anders anfühlt als die Haut eines Lebenden, kann ein wichtiges Erlebnis sein. Eltern meinen oft, ein solcher Besuch würde das Kind überfordern. Sie wollen das Kind schützen. Aber mit dem Kind zu sprechen und es entscheiden zu lassen, ist besser.
Sie sagen, dass man alles erklären kann. Gibt es Grenzen?
Die Grenze ist das Kind. Man sollte immer so viel erklären, wie das Kind wissen will. Und sich nicht wundern, wenn es in einem Moment ganz verzweifelt über den Tod des Opas weint – und in der nächsten Sekunde lachend aufspringt, weil es die Klingel des Eismanns gehört hat.
Ins Gespräch kommen
Der Hospiz-Verein Erftstadt bietet als einer der wenigen im Rhein-Erft-Kreis eine Gesprächsgruppe für trauernde Jugendliche an, Kontakt unter 02235/5227. Sabine Dohm empfiehlt trauernden Jugendlichen einen Chat im Internet, montags und mittwochs von 20 Uhr bis 22 Uhr. Vorträge in Kindergärten oder Schulen können vereinbart werden über das Katholische Bildungsforum Rhein-Erft unter 02271/47900 oder online.
Auch durch Bücher kann man ins Gespräch kommen über Abschied und Tod. Sabine Dohms Empfehlungen für jüngere Kinder: „Was ist was? Abschied nehmen – Tod, Trauer und Erinnerung“ für Kinder ab vier Jahren, Tessloff Verlag, ISBN 978-3788677558, 12,95 Euro; „Und was kommt dann? – Das Kinderbuch vom Tod“ von Pernilla Stalfelt für Kinder von fünf bis sieben Jahren, Moritz Verlag, ISBN 978-3-895651-106, 12 Euro.
Weitere Bücher sind: „Radieschen von unten“, Katharina von der Gathen (Text) und Anke Kuhl (Illustrationen), für Kinder ab acht Jahren, Klett Kinderbuch Verlag, ISBN 978-3-95470-285-55, 20 Euro; und „Hallo Tod, ich hab da mal ne Frage“, Ellen Duthie, Anna Juan Cantavella (Text) und Andrea Antinori (Illustrationen), für Kinder von acht bis zehn Jahren, Gabriel Verlag, ISBN 978-3-522-30685-0, 15 Euro.
www.bildung.erzbistum-koeln.de/bildungsforum-rhein-erft
Kasten zur Person
Sabine Dohm ist Erzieherin und leitete bis 2024 die Kita St. Alban in Erftstadt-Liblar. Seit 2024 ist sie Koordinatorin im Hospiz-Verein Erftstadt, leitet eine Jugendtrauergruppe und geht als Ansprechpartnerin in Akutsituationen in Schulen und Kindergärten.
Als Referentin des Katholischen Bildungsforums Rhein-Erft bietet sie Gesprächsabende in Kindergärten dazu an, wie Erwachsene mit Kindern und Jugendlichen über Sterben und Tod sprechen können. Der nächste Termin ist am 19. Januar 2026, 19.30 Uhr, in der Kita Rappelkiste, Görreshofstraße 7a, in Pulheim. Anmeldung bis spätestens 5. Januar per Mail oder unter 02238/82840.

