Wallfahrt bis SantiagoErftstädter erobern Jakobsweg mit zwei Traktoren

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Sollte es nachts regnen, spannt Franz Sahm einfach seinen großen Schirm auf.

Sollte es nachts regnen, spannt Franz Sahm einfach seinen großen Schirm auf.

  • Franz Sahm und sein Nachbar Johannes Holler wollen gemeisam den Jakobsweg bestreiten.
  • Doch nicht etwa zu Fuß: die beiden machen sich mit zwei Traktoren auf den Weg.
  • Wie es dazu kam, was die beiden auf ihrem Weg planen und wie sie ihre ehrgeiziges Ziel erreichen wollen.

Erftstadt-Niederberg. – Die Aufregungen der vergangenen Tage sind vergessen. Heute Morgen machten sich Franz Sahm (70) und sein Nachbar Johannes Holler (61) auf den Weg. Von purer Abenteuerlust getrieben werden sie den Jakobsweg mit zwei Traktoren erobern. 5000 Kilometer liegen vor ihnen. Von Niederberg aus fahren sie bis nach Santiago de Compostela und wieder zurück.

Dabei tuckert Sahm auf seinem Drei-Zylinder-Eicher-Tiger Baujahr 1974 mit 35 Pferdestärken voraus. Sein Nachbar, der bis gestern noch arbeiten musste, folgt im Abstand von mindestens 200 Metern (wegen der Lkw) auf seinem Deutz 600 2 Baujahr 1968 inklusive Anhänger. Verständigen werden sich die beiden per Walkie-Talkie. Maximale Reisegeschwindigkeit: Tempo 25.

Versprechen wurden eingelöst

„Santiago de Compostela hat mich infiziert“, sagt Sahm. Während einer schweren Krankheit 2005 habe er sich und Gott versprochen: „Wenn ich wieder gesund werde, dann pilgere ich den Jakobsweg.“ Sahm wurde gesund und hielt sein Versprechen ein. Mit dem Fahrrad legte er zwischen 2006 und 2011 in jährlichen Etappen die gesamten 2500 Kilometer von Niederberg bis nach Santiago de Compostela zurück. Seine Frau Christa begleitete ihn mit dem Wohnmobil. „Unterwegs habe ich dann auf einem Campingplatz einen alten Schlepper gesehen und da wusste ich direkt: »Wenn ich mit 70 Jahren immer noch gesund bin, dann mache ich das auch«.“

Das Reisebett befindet sich über der Küche vor dem Fahrradständer. Am Heck hat Sahm die Reiseroute aufgezeichnet.

Das Reisebett befindet sich über der Küche vor dem Fahrradständer. Am Heck hat Sahm die Reiseroute aufgezeichnet.

Ein gutes Jahr dauerte der Umbau seines Tigers. Jetzt klebt die Jakobsmuschel, die er für seine erste Pilgertour bekommen hat, auf dem Heck seines Traktors. Alle Reiseutensilien sind im Gepäckraum verstaut. Vor dem Dom erhielt Sahm am Donnerstag noch den Reisesegen. Beide Männer freuen sich mächtig auf die Auszeit. Vier Wochen Zeit haben sie sich für ihre Wallfahrt gegeben. Danach muss Holler wieder arbeiten.

Tagesetappen errechnet

Um das ehrgeizige Ziel zu schaffen, haben sie sich Tagesetappen von bis zu 190 Kilometer ausgerechnet. „Das ist gut zu meistern“, sagt Sahm. Bei einer Testfahrt mit seinem Enkel nach Luxemburg habe er sein Schlepper-Mobil bereits getestet. Damals hat er auch sein Feldbett ausprobiert, das er sich auf die Feldküche gebaut hat. „Da schläft es sich ganz fantastisch“, sagt er. Und Sahm ist sich sicher, dass die alten Traktoren auch in den Pyrenäen nicht schwächeln werden. Bei Anstiegen von bis zu 13 Prozent geht es dort hinauf bis 1350 Meter.

Andächtig und leise wird die Pilgerreise allerdings kaum verlaufen. Laut knattert der Motor des alten Eicher, der je nach Anstrengung eine ganze Tankfüllung Diesel (35 Liter) pro Tag schluckt. Auch der Geruch von Öl und Sprit dürfte Sahm intensiv um die Nase wehen, denn der Auspuff des Tigers ist auf der Motorhaube platziert. Das gesamte Schlepper-Mobil mit Außenküche, Campingstühlen und Schlafplatz unterm Sternenhimmel ist ein einziger Blickfang. Die ehemals geschlossene Fahrerkabine hat Sahm abmontiert. „Ich wollte lieber im Cabriolet fahren“, sagt er lächelnd. Auch der Frontlader des Traktors ist abgebaut.

Wetterfeste Proviantkiste

Dort steht jetzt die wetterfeste Proviantkiste. Beim genauen Hinsehen offenbart sich das ganze Know-how Sahms. Anfangen von Karten- und Kaffeebecher-Halterungen befinden sich in greifbarer Nähe rund um den Fahrersitz auch die Reservekanister, Feuerlöscher und sein Fahrrad. Auf dem Reservesitz steht neben ihm die Kühltasche, die über einen Wechselrichter mit Strom aus der Traktor-Batterie gespeist wird. Dort kann er auch sein Mobiltelefon aufladen.

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Auch bei der Konstruktion seines Campingaufbaus am Heck des Schleppers hat Sahm an alles gedacht, selbst an Regen. So kann er einen großen Schirm über der Schlafstätte öffnen. Ein zweiter kleinerer Schirm sorgt für Schatten auf der Außensitzloge. Und sichtbar für den Rest der Welt hat sich Sahm die Reiseroute sogar aufs Heck seines Schlepper-Mobil gemalt. Die gelbe Markierung zeigt exakt die Route, die er quer durchs Land bereits mit seinem Fahrrad gepilgert ist. Auf dem Rückweg wollen die beiden Männer aus Niederberg so lange wie möglich am Meer entlang fahren.

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