Gruppe gibt HaltAngebot in Frechen hilft Müttern, das Leben mit Kind zu meistern

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Zu sehen sind Sabrina Oude-Weßelink, Teamleiterin und Koordinatorin, und die SkF-Vorständin Ulrike Schubert.

Sabrina Oude-Weßelink, Teamleiterin und Koordinatorin, und die SkF-Vorständin Ulrike Schubert (l.) freuen sich über die neuen modernen Räumlichkeiten für das Tagesangebot für Familien.

Ein Projekt des Sozialdienstes katholischer Frauen steht überforderten Müttern zur Seite, in Frechen gibt es eine teilstationäre Gruppe.

„Ich wollte sie gar nicht, überhaupt nicht. Ich habe sie im Krankenhaus erstmal nicht gesehen, ich wollte sie direkt zur Adoption frei geben“, so schildert die Frechenerin Marie (Name geändert) die ersten Lebenstage ihrer jüngsten Tochter. Die Kleine kam Anfang Mai auf die Welt – und zwar völlig überraschend, denn die 21-Jährige hatte wie schon bei ihrer ersten Tochter vor zwei Jahren wieder überhaupt nichts von ihrer Schwangerschaft bemerkt.

„Ich war etwas runder geworden, sonst nichts. Als die Wehen einsetzten, dachte ich zuerst, ich würde meine Periode bekommen, aber doch nicht ein Baby.“ Und genau diese zunächst höchst unwillkommene Überraschung kuschelt sich nun sieben Monate später quietschfidel und mit einem pausbäckigen Lächeln an die Schulter ihrer jungen Mutter und gluckst zufrieden.

Wir müssen die Eltern ganz früh abholen, sonst gibt es vorprogrammierte Fehlentwicklungen
Ulrike Schubert, Vorständin des Sozialdienstes katholischer Frauen Rhein-Erft-Kreis

Möglich gemacht hat dieses Familienwunder vor allem eine Betreuerin eines Projektes des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). In dem Tagesangebot für Familien war Marie schon mit ihrer ersten Tochter untergebracht. „Sie kam ins Krankenhaus und erzählte mir, wie süß mein Baby sei und dass ich ihm doch eine Chance geben solle“, berichtet Marie und fügt mit leiser Stimme liebevoll hinzu: „Ich bin ihr echt dankbar, zum Glück habe ich das nicht gemacht, sie wegzugeben. Ich bin mutig geworden.“

Auch ihre eigene Mutter, bei der sie zurzeit noch mit beiden Töchtern lebt, habe gesagt: „Wir schaffen das.“ Von den beiden Vätern der Kinder ist sie schon lange getrennt, Kontakt gebe es zu ihnen nicht wirklich, wenn, dann nur sporadisch.

Angebot ist im Rhein-Erft-Kreis einmalig

„Wir müssen die Eltern ganz früh abholen, sonst gibt es vorprogrammierte Fehlentwicklungen, für die Kinder sind die ersten Lebensjahre entscheidend“, erläutert Ulrike Schubert, Vorständin des Sozialdienstes katholischer Frauen Rhein-Erft-Kreis, das Konzept des Angebots für Familien mit Kindern bis zu drei Jahren, das es sonst im Rhein-Erft-Kreis nirgendwo gibt: Eltern, bei denen ein erhöhtes Belastungspotenzial besteht, das das Kindeswohl gefährdet, besuchen die feste Gruppe.

Die teilstationäre Gruppe soll Eltern und Kindern einen sicheren Rahmen für die gemeinsame Entwicklung bieten. Die Eltern, vorwiegend Mütter, werden in Zusammenarbeit mit den örtlichen Jugendämtern ausgewählt, es ist kein offenes Angebot. Mal sind es auch Mütter, die ihr Kind nach einer Fremdunterbringung wieder zu Hause versorgen oder eine Fremdunterbringung erst einmal verhindern wollen.

Zurzeit besuchen vier Mütter die Einrichtung, perspektivisch sollen es aber mehr werden. Es gibt einen Fahrdienst, der die Mütter und ihre Kinder aus dem gesamten Rhein-Erft-Kreis abholt und wieder nach Hause bringt. An vier Tagen in der Woche, jeweils von 9 bis 15 Uhr, lernen sie nicht nur den Umgang mit ihrem Kind, sondern auch, feste Strukturen und Regeln einzuhalten. Am fünften Tag in der Woche werden die Familien zu Hause besucht, es gibt eine gezielte Betreuung, um das häusliche Umfeld zu stabilisieren.

„Meine Große war zwei Monate alt, als ich hier angefangen habe. Hier ist alles anders als zu Hause, ich muss mich an Regeln halten und konnte lernen, welche Aufgaben ich habe. Ich konnte mein Kind kennenlernen“, bestätigt Marie. „Wir haben einen multiprofessionellen Ansatz, sehen uns als eine Art Elternschule im Rahmen des Kinderschutzes“, erläutert Sabrina Oude-Weßelink, Teamleiterin und Koordinatorin des intensiven Tagesangebotes.

Gruppe hat ein neues Zuhause in Frechen gefunden

Dort arbeiten nicht nur Pädagoginnen, sondern auch eine Kinderkrankenschwester und Sozialarbeiterinnen. Die enge Begleitung der Mütter und Väter und das Erlernen einer Tagesstruktur mithilfe von Regeln und Wochenplänen, Gesprächen und Betreuung stehen im Vordergrund.

Seit Mitte November hat die Gruppe ein neues Zuhause in Frechen gefunden. Von einer kleineren Erdgeschosswohnung in Hürth-Fischenich zog die Einrichtung um in ein Haus, das von der Pfarrei St. Severin angemietet wurde. Das ehemalige Wohnhaus der Pfarrer der Gemeinde bietet nun auf knapp 170 Quadratmetern und zwei Etagen eine gemütliche und moderne Herberge. Eine Küche, Spiel- und Schlafräume, eine große Spielfläche – alles in harmonisch bunten Farben liebevoll gestaltet und mit Spielzeug ausgestattet.

Im Garten gibt es ein großes Außengelände, in dem die Kinder sich austoben und spielen können. „Viele kommen aus prekären, beengten Verhältnissen, da ist das besonders wichtig“, sagt Schubert. Aber in dem Haus, das der SkF für rund 10 000 Euro hergerichtet hat, wird nicht nur gespielt, es stehen dort auch Arbeitstische, an denen die Eltern regelmäßig Aufgaben erledigen sollen, um zu lernen. „Die Eltern sollen entlastet werden, aber sie müssen auch motiviert werden und den Alltag lernen“, sagt Oude-Weßelink.

Struktur in den Alltag gebracht

Marie scheint auf einem guten Weg zu sein, sie will Anfang des Jahres nach fast zwei Jahren Betreuung „den Sprung wagen und es einmal allein probieren.“, wenn es ermöglicht wird. Inzwischen hat sie in ihrem Alltag eine feste Routine gefunden, die sie auch einhält: Aufstehen um 6.30 Uhr, die Kinder fertigmachen, die Große in den Kindergarten bringen, mit der Kleinen in die Gruppe kommen und nachmittags wieder nach Hause fahren. „Dann noch spielen, etwas rausgehen, essen, und die Abendroutine, erst die Kleine, dann die Große ins Bett bringen.“

Die Struktur habe sie lernen müssen, auch wenn es ihr anfangs schwergefallen sei, berichtet die 21-jährige. „Es war ja alles sehr ungeplant, ich konnte nichts mehr machen, keine Partys, immer musste alles nur mit Kind sein. Ich war allein auf mich gestellt.“ Zurzeit sucht sie eine Wohnung für sich und ihre beiden Mädchen, erkundigt sich nach einer Ausbildung zur Tätowiererin und ist in einer neuen Beziehung. Das SkF-Tagesangebot könne sie allen Müttern nur empfehlen, versichert Marie. Für ihre Töchter hat sie aber bereits jetzt einen Rat: „Ich liebe euch, aber werdet nicht so früh Mutter!“


Weitere Hilfsangebote im Rhein-Erft-Kreis

Weitere Hilfsangebote für Familien und Alleinerziehende gibt es unter anderem auch im IBZ-Informations- und Beratungszentrum für Kinder, Jugendliche und Familien der Kreisstadt Bergheim, Bergstraße 6, 02271/89111. Spezielle Angebote vermittelt auch die Caritas Erziehungs- und Familienberatung Kerpen, Kölner Straße 15, 02237/6380050. Der Kinderschutzbund Frechen, Zum Kuckental 7, bietet ein Beratungstelefon, 02234/53399 an. Die Beratungsstelle Rhein-Erft Schwangerschaft, Familie und Sexualität der PariSozial gGmbH, Kölner Straße 92, in Frechen, 02234/185740, bietet auch im ASB-Gebäude, Am Hahnacker 1, in Erftstadt, sowie im Café F, Venloer Straße 135, Außensprechstunden an. 

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