Brief verbrannt?Im Hürther Thallium-Prozess wird falscher Friedhofsgärtner in den Zeugenstand gerufen

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Das Bild zeigt den Angeklagten an der Seite eines Wachmanns im Gerichtssaal.

Der Angeklagte will einen Brief am Grab verbrannt haben.

Zwei Friedhofsgärtner sagen im Thallium-Prozess aus, konnten aber die Angaben des wegen zweifachen Mordes angeklagten Hürthers nicht bestätigen.

Was geschah tatsächlich Ende Juni 2020 auf dem Friedhof Birkenberg in Leverkusen Opladen? Dort, wo Gymnasiallehrerin Britta T. (35) Wochen zuvor beerdigt worden war. Nach einem qualvollen Sterbeprozess, ausgelöst durch die Einnahme von wenigen Milligramm Thalliumacetat.

Der Ehemann Martin B. (43, alle Namen geändert) behauptet, das Gift habe er auf Drängen seiner suizidalen Ehefrau beim Hersteller über seinen Arbeitgeber, einer Klinik, bestellt.

Sie habe ihn regelrecht angefleht, ihr das Thallium zu besorgen, weil sie nicht mehr leben wollte, und ihren freiwilligen Tod auch schriftlich dokumentiert. Den Brief mit ihren angeblichen Beweggründen will der Ehemann erst nach ihrem Tod im Tresor der gemeinsamen Wohnung gefunden haben. Und weil er ihr versprochen habe, dieses Geheimnis nie zu lüften, will er das Schreiben an ihrem Grab in Leverkusen verbrannt haben.

Hürther will sich Gärtner am Grab anvertraut haben

Vor den Augen eines Friedhofsgärtners, der am 32. Verhandlungstag gegen den wegen zweifachen Mordes angeklagten Hürther Krankenpflegers in den Zeugenstand gerufen wurde. Der Angeklagte hatte zuletzt erklärt, der Gärtner habe ihm damals das Feuer verboten. Daraufhin habe er sich dem ihm unbekannten Mann anvertraut und ihm unter Tränen die Geschichte des Freitodes seiner Ehefrau geschildert.

Hat sich dieses Szenario so ereignet, wollte das Gericht nun wissen? Es dauerte keine fünf Minuten, der Zeuge hatte nur wenige Fragen beantwortet, da stand fest: Es war der falsche Mann geladen worden.

„Mein Mandant kennt diesen Mann nicht“, gab ein Verteidiger zu Protokoll. Zuvor hatte der Gärtner ebenfalls bestätigt, den Angeklagten weder zu kennen noch ihn jemals zu Gesicht bekommen zu haben. Offensichtlich gibt es in Leverkusen mehrere Friedhofsgärtner, denn der Angeklagte blieb bei seiner Version.

Auch der zweite Friedhofsgärtner will den Angeklagten noch nie gesehen haben

Auf einmal erinnerte er sich an den Namen seines damaligen Ansprechpartners: Stunden später saß dann Gärtner Nummer zwei auf dem Zeugenstuhl. Aber auch er hatte den Krankenpfleger „noch nie vorher gesehen“, ein Szenario mit Feuer am Grab erinnerte er ebenso wenig.

Auch hatte er, ebenso wie sein Vorgänger, zu keinem Zeitpunkt einen Grabpflegeauftrag des Angeklagten erhalten. So zumindest hatte es der Krankenpfleger behauptet. Allerdings bestätigte Gärtner Nummer zwei, einen Mitarbeiter zu haben.

Ob nun Gärtner Nummer drei am Montag gehört werden soll? Bisher hat die Verteidigung noch keinen Antrag gestellt, sodass alles danach aussieht, dass am kommenden Montag die Beweisaufnahme endgültig geschlossen werden kann – und dann endgültig das von den Opferfamilien so sehnsüchtig erwartete Urteil gesprochen werden kann. Ganz auszuschließen ist ein weiterer Verhandlungstag allerdings nicht.

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