Nach neun Monaten Prozess sollte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag ihr Plädoyer halten. Doch der wegen zweifachen Mordes Angeklagte und seine Verteidiger durchkreuzten die Pläne des Gerichts.
HürthErneute Überraschung im Thallium-Prozess – Ankläger müssen Plädoyer wieder wegpacken

Staatsanwalt René Gilles und Staatsanwältin Daniela Fuchs wollten am Verhandlungstag am Donnerstag eigentlich ihr Plädoyer halten. Aber es kam anders.
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Doch kein Ende in Sicht. Ursprünglich wollte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag (22. Juni) ihr Plädoyer halten, doch im Thallium-Prozess vor dem Kölner Landgericht haben die Verteidiger des wegen zweifachen Mordes angeklagten Krankenpflegers Martin B. (42) überraschend weitere Beweisanträge gestellt.
Jetzt soll unter anderem der Gefängnisseelsorger gehört werden, dem sich Martin B. bereits Anfang dieses Jahres anvertraut hatte – um ihm ein Geheimnis zu verraten, das er ursprünglich seiner verstorbenen Ehefrau Britta geschworen haben will, für sich zu behalten.
B. hatte sich erst im April dieses Jahres, acht Monate nach Prozessbeginn, dazu durchgerungen, auszusagen. Und diese Aussage hatte es in sich. Danach habe er Britta lediglich geholfen, freiwillig Suizid zu begehen. Weil die Gymnasiallehrerin aufgrund einer Laktose- und Histaminintoleranz befürchtete, im Alter ein Pflegefall zu werden, habe sie Martin B. angefleht, ihr Thallium zu besorgen. Die Idee dazu habe sie „aus einem Kriminalroman“.
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Martin B. hat den Seelsorger von seiner Schweigepflicht entbunden
Auch habe Britta ihren Freitod schriftlich dargelegt, dieses Schriftstück will der Angeklagte allerdings an ihrem Grab verbrannt haben. Dabei soll ihn ein Friedhofsgärtner beobachtet haben, der ihm das Feuer dann untersagte. Da war das Dokument wohl schon Asche.
Ob der Friedhofsgärtner ebenfalls in den Zeugenstand gerufen wird, steht noch nicht fest. Er wäre doch ein „wichtiger Zeuge“ soll Martin B. gegenüber dem Geistlichen geäußert haben. Vorsorglich hat der Angeklagte den Seelsorger von der Schweigepflicht entbunden.
Thallium-Prozess: Verteidigung bezweifelt Richtigkeit des LKA-Gutachtens
Der Geistliche habe den Angeklagten – so die Verteidiger – als einen „ehrlichen, aufrichtigen Menschen kennengelernt, der mit dem Tod seiner Frau nichts zu tun habe“, heißt es weiter in dem Beweisantrag.
Ein weiterer Antrag bezieht sich auf das im Mai dieses Jahres sichergestellte Thallium, das der Polizei bei der Wohnungsdurchsuchung im November 2021 durchgegangen war. Ein weiteres Gutachten soll klären, dass es keinesfalls, wie eine LKA-Expertise bestätigt, identisch ist mit dem Rattengift, das beim Angeklagten damals gefunden worden war.