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„Kölner Drogenkrieg“Richter begründet hartes Urteil für Geiselnehmer – Verteidiger erwägen Revision

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In dieser Hürther Lagerhalle wurden mutmaßlichen Mitglieder einer Drogenbande als Geisel genommen und misshandelt.

In dieser Hürther Lagerhalle wurden mutmaßlichen Mitglieder einer Drogenbande als Geisel genommen und misshandelt.

Drei Niederländer waren als Auftragstäter ins Rheinland gereist. Sie hatten auf Haftverschonung gehofft.

Nach dem harten Urteil gegen drei Niederländer, die als Auftragstäter im „Kölner Drogenkrieg“ agierten und mehrere Männer misshandelten, erwägen die Verteidiger dem Vernehmen nach die Einlegung der Revision zum Bundesgerichtshof. Die Anwälte hatten für die erwachsenen Beschuldigten maximal vier Jahre Haft beantragt. Der Vorsitzende Richter Tilman Müller verhängte mit seiner Kammer aber mehr als doppelt so hohe Strafen – und setzte damit ein deutliches Zeichen.

Köln: Niederländer sollten Bandenmitglieder „bearbeiten“

Acht Jahre und drei Monate sowie neun Jahre müssen die Angeklagten Dhelmar B. (25) und Sudnyson B. (30) ins Gefängnis, ein Komplize (21) nach Jugendstrafrecht für dreieinhalb Jahre.  Die Niederländer waren laut Urteilsfeststellungen nach dem Auftrag durch Hintermänner zu einer Lagerhalle in Hürth gefahren, um dort mehrere Männer zu „bearbeiten“. Diese standen im Verdacht, an einem großen Drogenraub beteiligt gewesen zu sein und sollten zum Reden gebracht werden.

Die drei nun verurteilten Niederländer mit Verteidigern, Dolmetscherin und Wachtmeister beim Prozess im Kölner Landgericht

Die drei nun verurteilten Niederländer mit Verteidigern, Dolmetscherin und Wachtmeister beim Prozess im Kölner Landgericht

Der Auftrag zu der Geiselnahme stamme vom mutmaßlichen Kölner Bandenboss Sermet A., so sagte es die Staatsanwältin. Er wollte die zuvor geraubten 350 Kilogramm Marihuana zurück, womöglich um jeden Preis. Die „Verdächtigen“ seien von den Niederländern mit Kabelbindern an Stühle gefesselt und mehrere Stunden traktiert worden. Das Martyrium endete, nachdem ein Zeuge die Polizei gerufen hatte. Die Niederländer wurden festgenommen, die Geiseln aus der Halle befreit.

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Köln: Richter spricht von erheblicher krimineller Energie

Richter Müller stellte in der Urteilsbegründung klar, was er von der Vorgehensweise der Angeklagten hielt: nämlich gar nichts. Er sprach von einer erheblichen kriminellen Energie. „Man fährt aus Holland hier hin und macht dann so etwas“, sagte der Richter. Für 2000 Euro pro Person hätten sich die in Amsterdam lebenden Männer einspannen lassen, völlig empathielos. „Ihnen war doch womöglich herzlich egal, wer da eigentlich vor Ihnen sitzt“, sagte Müller den Verurteilten in Bezug auf die Opfer.

Der Richter konterte damit den Hinweis der Verteidiger, dass die Angeklagten sich nur im kriminellen Milieu bewegt hätten, „da wurde kein unbescholtener Familienvater überfallen“. Vergeblich hatten die Angeklagten im Prozess und auch im sogenannten letzten Wort versucht, ihren Tatbeitrag kleinzureden. Todesdrohungen etwa habe es zu keiner Zeit gegeben. „Bitte verurteilen Sie mich nur für das, was ich auch wirklich getan habe“, hatten Dhelmar B. und Sudnyson B. beide geäußert.

Köln: Landgericht nimmt Tätern angebliche Unwissenheit nicht ab

Unwissend sei man damals nach Deutschland gefahren, man habe nur einen Job erledigen wollen. Dass es um Drogen gegangen sei, wollen die Männer zunächst nicht gewusst haben. Auch auf der Fahrt von Amsterdam habe man nicht darüber geredet, was geschehen solle. „Das ist völlig lebensfremd“, so die Wertung des Landgerichts. Auch sei ganz klar, dass die Geiseln um ihr Leben fürchten mussten. Selbst wenn eine Todesdrohung vielleicht nicht wörtlich ausgesprochen wurde.

Den Niederländern sei von einem Komplizen direkt eine Plastiktüte mit Drohgegenständen überreicht worden. Darunter ein Wasserkocher, der später im Raum bei den Geiseln gestanden habe. „Was soll das Opfer denken? Dass Sie damit Tee kochen?“, fragte Richter Müller. Laut Anklage sollte den Geiseln mit dem Übergießen von kochend heißem Wasser gedroht worden sein. Müller sprach zudem die Machete an, mit der hantiert worden sei. Das sei eine eindeutige Bedrohung mit dem Tod.

Köln: Verteidiger hielten Kronzeugen für unglaubwürdig

Auf die Aussagen eines der Geiseln komme es laut Gericht daher gar nicht mehr entscheidend an. Die Verteidiger Maximilian Eßer und Tim Weller hatten den Kronzeugen als unglaubwürdig bezeichnet. Die Anwälte wollten zur Untermauerung eine Auswertung von Handydaten aus einem anderen Verfahren in den Prozess einführen. Richter Müller empfand das als entbehrlich, woraufhin zwei Angeklagte einen Befangenheitsantrag stellten. Das Gesuch, den Richter loszuwerden, scheiterte.

Das harte Urteil des Kölner Landgerichts kann als deutliches Zeichen gegen potenzielle Nachahmer gewertet werden. Die Niederländer hatten vor dem Urteil um milde Strafen gebeten, um bald ihre Familien wiedersehen zu können. Ein Angeklagter wurde in Untersuchungshaft sitzend Vater, ein anderer pflegte in Holland seine schwerkranke Mutter. Geplant war ein „Tagesausflug“ nach Deutschland – nun sitzen die Täter schon 13 Monate in Haft und leiden nach eigenen Angaben sehr. „Ich werde so etwas nie wieder machen“, beteuerte einer der Angeklagten.

Köln: Verteidiger beantragten vergeblich eine Haftverschonung

Richter Müller bezeichnete das Urteil nicht als übermäßig hart – immerhin liege der Strafrahmen bei bis zu 15 Jahren. Bis zuletzt hatten die drei Angeklagten sogar gehofft, direkt nach der Urteilsverkündung von weiterer Untersuchungshaft verschont zu werden. Die Verteidiger hatten jedoch vergeblich beantragt, die Haftbefehle aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen. Die Angeklagten wollten ihre Strafe im offenen Vollzug und wenn möglich in den Niederlanden antreten.

Ein Knackpunkt bei einer möglichen Überprüfung des Urteils durch den Bundesgerichtshof (BGH) könnte sein, dass das Gericht einen Täter-Opfer-Ausgleich nicht anerkannt hat. Die erwachsenen Angeklagten hatten je 1000 Euro an die fünf Geschädigten als zunächst symbolisches Schmerzensgeld gezahlt und sich entschuldigt. Der Strafkammer reichte das nicht für eine Strafrahmenverschiebung. Dazu hätten die Niederländer laut Gericht ein volles und glaubhaftes Geständnis ablegen müssen.

Der aktuelle Fall ist abgeschlossen, doch der Tatkomplex „Kölner Drogenkrieg“ wird das Kölner Landgericht noch die nächsten Wochen und Monate beschäftigen. Zwei Strafprozesse laufen derzeit noch parallel, weitere Anklagen wurden bereits erhoben oder stehen kurz vor dem Abschluss. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen mehr als 60 Beschuldigte.