Treff für junge UkrainerIm Jugendtreff in Kerpen begegnen sich Geflüchtete und Helfer

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Das Kerpener Jugendzentrum ist zu einem Ort der Begegnung geworden.

Kerpen – Während die Kleinkinder in der Mal- und Bastelecke spielen, haben die etwas älteren Jungs und Mädels den Kicker und die Tischtennisplatte in Beschlag genommen. Manche sitzen auch einfach nur still und in sich versunken auf einem der großen Sofas und nippen hin und wieder an ihrer Limo. Derweil unterhalten sich die sichtlich mitgenommenen und sorgenvollen jungen Mütter und auch einige Ehepaare, die schon das Rentenalter erreicht haben, angeregt gestikulierend mit ihren Gastgeberinnen und Gastgebern.

Schauplatz ist das städtische Jugendzentrum an der Kölner Straße, wo es freitagnachmittags von 15 bis 18 Uhr seit zwei Wochen etwas anders zugeht als üblich: Der Jugendtreff dient nun auch als Begegnungscafé für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und ihre hiesigen Helferinnen und Helfer.

Der Andrang ist groß: Auch zum zweiten Treffen sind am vergangenen Freitag mehr als 60 Leute gekommen, und es gab wieder viel zu besprechen. „Einerseits möchten wir den Menschen aus der Ukraine einen geschützten Raum bieten, wo sie einfach einmal durchatmen und sich austauschen können. Im Moment, wo viele ja gerade erst bei uns angekommen sind und noch viele organisatorische Fragen zu klären sind, stehen aber die Beratung und Information im Vordergrund. Auch Menschen, die ehrenamtlich helfen möchten, sind willkommen“, erläutert Jugendamtsleiterin Martina Kretschmann die Zielsetzung des neuen Angebots, das der bereits Anfang März von Bürgermeister Dieter Spürck gegründete städtische „Stab für außerordentliche Ereignisse“ ins Leben gerufen hat.

Großes Engagement im Kerpener Jugendamt

Mitarbeitende aus mehr als einem halben Dutzend städtischer Dienststellen vom Jugend- über das Sozialamt bis hin zur Liegenschaftsabteilung und der Integrationsbeauftragten Annette Seiche wirken in diesem Stab mit großem Engagement mit.

Auch der Kreis Kerpener Menschen, die ehrenamtlich helfen oder spenden wollen, wird zur Freude von Martina Kretschmann immer größer. Auf der Startseite der städtischen Homepage und bei der eigens eingerichteten Telefon-Hotline 02237/58-790 gibt es Infos für Hilfsbereite. Das ist auch gut so, denn die Zahl der Flüchtlinge, die in die Kolpingstadt kommen, wächst weiter.

100 private Angebote aus Kerpen für Geflüchtete

Bis zum Wochenende hatten mehr als 70 Ukrainerinnen und Ukrainer privaten Unterschlupf gefunden. 60 weitere sind nach ersten Zuweisungen durch die Bezirksregierung Arnsberg in städtischen Flüchtlingsheimen untergekommen. „Wir haben noch einige städtische Unterbringungsmöglichkeiten in der Hinterhand, vor allem aber auch noch mehr als 100 Angebote von Privatleuten, die Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnehmen wollen. Wir lange die Kapazitäten reichen, bleibt abzuwarten“, so Kretschmann, „die Hilfsbereitschaft ist im Moment jedenfalls absolut beeindruckend, ebenso die tiefe und herzliche Dankbarkeit der Menschen, die hier bei uns Zuflucht finden.“

Mütter mit kleinen Kindern bilden auch im Begegnungscafé den Großteil der Geflüchteten. Aber auch ältere Menschen sind dabei. „Manche Familien sind gemeinsam geflüchtet: Kinder, Mütter, Großeltern, auch die Haustiere.

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Nur die Väter oder Söhne im wehrfähigen Alter mussten zurückbleiben, und um die machen sich die Geretteten nun natürlich größte Sorgen“, berichtet Anna Sadoian aus Sindorf, die zu den gefragtesten Helferinnen im Begegnungscafé gehört. Denn sie hat sich spontan als ehrenamtliche Dolmetscherin angeboten, anfangs mit durchaus gemischten Gefühlen: „Ich bin russischer Herkunft und sage das bewusst auch zu Beginn der Gespräche. Denn ich war unsicher, ob die Menschen aus der Ukraine mir als Russin vertrauen und ob sie überhaupt mit einer russischstämmigen Dolmetscherin sprechen wollen. Aber das war unbegründet: Die Flüchtlinge sind unendlich dankbar für jede Hilfe, und sie wissen auch ziemlich gut einzuordnen, wer genau für ihre schlimme Not verantwortlich ist.“

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