Kommentar zu SolidaritätsbekundungenIsrael-Flaggen in Rhein-Erft sind mehr als Symbolik

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Auf dem Foto wehen verschiedene Flaggen vor dem Bergheimer Rathaus, darunter die israelische.

Vor dem Bergheimer Rathaus weht die israelische Flagge aus Solidarität mit Israel.

Auch im Rhein-Erft-Kreis gibt es Stätten jüdischen Lebens. Sie zu schützen, ist Aufgabe der Polizei. Wachsam müssen wir jedoch alle sein.

Mehr als 100.000 Gedenksteine hat der Kölner Künstler Gunter Demnig in Deutschland und 30 weiteren europäischen Ländern verlegt. In dieser Woche, am Donnerstag, kamen in Bergheim sechs hinzu, genauer: in den Stadtteilen Oberaußem und Glesch.

Der Initiator dieser Form des Gedenkens an den Holocaust hat sie vor den früheren Wohnhäusern jüdischer Bürger in den Gehweg eingearbeitet, wortlos, so wie er es immer tut. Seit 1992 ist es seine Art, an den Massenmord an den Juden zu erinnern, zu mahnen. So wie die goldfarbenen Steine, die die Namen und Lebensdaten der Verstorbenen tragen, ein stilles Mahnmal sind.

Viele Städte haben diesen Weg beschritten, um die Erinnerung an das frühere jüdische Leben inmitten ihrer Gesellschaft aufrecht zu erhalten; aber längst nicht alle. Auch im Rhein-Erft-Kreis gibt es Ausnahmen. Mal fehlt es an Initiativen, mal an Überzeugung, ob es passend ist, über ausgelöschtes jüdisches Leben zu stolpern, mal gibt es Versicherungen, man tue doch schon so viel anderes und wolle aus dem Gedenken keinen Wettbewerb machen.

Nun, letzten Endes, ist das die Entscheidung und Verantwortung einer jeden Stadtgesellschaft.

Fast jeden Tag zeigt der Antisemitismus sein hässliches Bild

Dass es ein Zuviel bei der Förderung des Geschichtsbewusstseins nicht gibt, zeigt sich allerdings schmerzhaft seit zwei Wochen. Seit jenem Tag, an dem die palästinensische Hamas ihren Terror über Israel gebracht hat. Und in dessen Folge in Deutschland kaum ein Tag vergeht, an dem der Antisemitismus sein hässliches Gesicht nicht zeigt: bei Demonstrationen pro Palästina, durch Anschläge auf jüdische Einrichtungen und als Reaktion darauf in einer zutiefst besorgten und verängstigten jüdischen Gemeinde in unserem Land.

Diese Bilder mögen uns in unserer beschaulichen Region weit weg erscheinen – doch auch in den zehn Städten des Rhein-Erft-Kreises leben Menschen jüdischen Glaubens, gibt es jüdische Friedhöfe und Gedenkorte. All dies gilt es zu schützen. Das ist nicht allein Aufgabe der Polizei, sondern von uns allen: durch Wachsamkeit und Aufmerksamkeit, durch entschiedenes Entgegentreten gegenüber all jenen, die bagatellisieren und verharmlosen.

Auf dem Foto sind Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Kerpen zu sehen.

Versteckt und verwunschen liegt der jüdische Friedhof in Kerpen inmitten eines neu gebauten Gewerbegebietes. Rund 90 Grabstätten erzählen von den Schicksalen der Verstorbenen.

Und ja, manchmal kommt es auch auf Gesten an. Bergheim war die erste Stadt im Kreis, die schon wenige Tage nach Ausbruch des Krieges die israelische Flagge vor seinem Rathaus gehisst hat – als weithin sichtbares Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Israel und in Gedenken an die Opfer und die Geiseln, die sich in der Hand der Hamas befinden. Dass Kerpen dem Bergheimer Beispiel gefolgt ist und nun im wöchentlichen Wechsel die israelische und die ukrainische Flagge vor dem Rathaus wehen sollen, darf nicht unerwähnt bleiben. Auch Brühl zeigt diese Form der Solidarität.

Es geht um Menschlichkeit, Empathie und historische Verantwortung

Dafür muss keine enge Verbindung einer Stadt aus dem Rhein-Erft-Kreis zu Israel bestehen, wie es aus einem Rathaus zu hören war. Es geht um Menschlichkeit, Empathie und ja – um historische Verantwortung gegenüber dem Judentum.

Die richtigen Worte haben in dieser Woche – wenn auch verspätet Landrat Frank Rock und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in einer Erklärung gefunden. Sie verurteilen darin den Terror und versichern, an der Seite Israels zu stehen – sagten aber auch, dass sie die „Hoffnungen vieler Palästinenser auf eine friedliche und selbstbestimmte Zukunft“ respektieren.

Auf welchem Weg dies geschehen soll und ob dahinter die Gründung eines palästinensischen Staates stehen soll oder muss, ließen die Politikerinnen und Politiker offen. Das wirft neue Fragen auf.

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