WirtschaftsförderungDiese Klippen müssen Unternehmen in Rhein-Erft umschiffen

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Auf dem Foto ist Wirtschaftsförderin Susanne Kayser-Dobiey zu sehen.

Wirtschaftsförderin Susanne Kayser-Dobiey

Der Rhein-Erft-Kreis ist Teil einer Region, die die Hauptlast des Kohleausstiegs schultert, sagt Wirtschaftsförderin Susanne Kayser-Dobiey.

Die Region steht vor großen Herausforderungen. Kohleausstieg und Klimawandel erfordern von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft höchste Kraftanstrengungen. Doch auch andere Prozesse dürfen nicht hinten anstehen, beispielsweise die Entwicklung der Innenstädte. Darüber und über weitere Themen spricht Susanne Kayser-Dobiey, die Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Rhein-Erft GmbH.

Vor welchen großen Herausforderungen stehen die Unternehmen in unserer Region?

Sie müssen gleichzeitig mehrere Klippen umschiffen. Zum einen die weltweite konjunkturelle Abkühlung, zum zweiten die zunehmende Digitalisierung. Drittens, und das unterscheidet uns von anderen in Deutschland, trägt unsere Region die Hauptlast des politisch beschlossenen Endes der Braunkohle. Geschäftsmodelle zahlreicher Unternehmen hängen mittelbar oder unmittelbar mit der Braunkohleindustrie zusammen.

Und da blicken Sie positiv nach vorn?

Ja, die Lage ist nicht einfach, aber die Unternehmen bei uns im Rhein-Erft-Kreis sind innovativ und nehmen die Herausforderung mutig an.

Wie werden die Unternehmen im Strukturwandel gefördert?

Die Unternehmen müssen schneller in den Genuss der von Bund und Land zugesagten Fördermittel kommen, damit arbeitsplatzschaffende Projekte schnell realisiert werden können. Ein größerer Förderaufruf, um Projektideen für den Strukturwandel einreichen zu können, fehlt jedoch momentan. Vermutlich wird das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie Anfang 2024 wieder neue Förderanträge für Strukturwandelprojekte annehmen.

Und was ist aktuell möglich?

Momentan können Unternehmen immerhin das neue Beratungsprogramm „Zukunftsgutscheine“ in Anspruch nehmen. Wir als Wirtschaftsförderung beraten über viele Fördermittel zur Innovation auch außerhalb des Strukturwandels.

Das bedeutet mehr als ein Jahr Pause. Wie kann der Zeitverlust eingeholt werden? 2030 ist ja Schluss mit der Kohle.

Wir sind zwischenzeitlich nicht untätig. Für Bildung, Digitalisierung sowie unternehmerisches Know-how stehen kleinen und mittleren Unternehmen sowie Gründungswilligen eine Vielzahl von Förderprogrammen zur Verfügung. Wir unterstützen Unternehmen und Kommunen bei der Erstellung von Projektskizzen oder bei Förderanträgen. Auch bei Wissenstransfer, Digitalisierung, Fachkräftebedarf und Innovationen ist die Wirtschaftsförderung Ansprechpartner.

Wie wird ihr Angebot „verkauft“?

Erst Mitte August haben wir in Kooperation mit Partnern in der Kolpingstadt Kerpen eine Fördermittelmesse durchgeführt und im September folgt die Digitale Woche Rhein-Erft mit über 50 teils ganztägigen Kongressen und Veranstaltungen.

Wo steht der Rhein-Erft-Kreis aktuell bei der Digitalisierung?

Immer mehr Ortschaften und Gewerbegebiete sind mit Glasfaser erschlossen. Der neue schnelle Mobilfunkstandard 5G verbreitet sich im Kreis. Dennoch bleibt viel zu tun.

An was denken Sie konkret?

Unsere Wirtschaft braucht leistungsfähige und kompetente Unternehmen der Digitalwirtschaft, deren Spezialisten für Projekte und im täglichen Betrieb verfügbar sind. Deshalb wollen wir unsere IT-Dienstleister vor Ort noch mehr unterstützen, die durch kurze Wege schnelle und kostenoptimierte Unterstützung im Servicefall gewährleisten. Laut der Studie „Die Internetwirtschaft in Deutschland“ von Arthur D. Little und eco Verband steigt der Anteil der Internetwirtschaft am deutschen Bruttoinlandsprodukt von 4,1 Prozent (2019) auf 7 Prozent (2025). Nicht zuletzt deshalb gilt es, möglichst viel der durch Digitalisierung entstehenden Wertschöpfung in der Region zu realisieren.

Womit wollen Sie große Digitalunternehmen überzeugen, sich hier im Rhein-Erft-Kreis anzusiedeln?

Erforderlich dazu sind große Rechenzentren, sogenannte „Data Center“. Diese schaffen zukunftsfähige Arbeitsplätze und ziehen weitere Unternehmen an, die für Programmierung und Produktentwicklung die Nähe der Data-Center suchen. Dies stellt eine Chance für den Rhein-Erft-Kreis im Strukturwandel dar. Und nicht zuletzt ermöglichen mit grünem Strom betriebene Data-Center neue umweltfreundliche Abwärme-Nutzung für die Landwirtschaft oder die Wärmenetze der Stadtwerke. So werden die Weichen unserer Wirtschaft auf Zukunft gestellt.

Wo können sich diese Digitalfabriken ansiedeln?

Der Strukturwandel wird nur erfolgreich sein, wenn wir Gewerbeflächen haben, auf denen er stattfinden kann. Dazu hat die Wirtschaftsförderung Rhein-Erft in Abstimmung mit den hiesigen Kommunen ein Industrie- und Gewerbeflächenkonzept entwickelt und der Bezirksregierung Köln vorgelegt.

War nicht gerade die Bezirksregierung der Hemmschuh?

Ganz aktuell sieht es so aus, als wenn sich diese Arbeit gelohnt hat und wir im neuen Regionalplan zusätzliche Flächen erhalten werden. Das ist ein positives Signal sowohl für alt eingesessene Betriebe, die sich vergrößern wollen, als auch für Unternehmen, die sich neu im Rhein-Erft-Kreis ansiedeln, sowie Gründer und Start-ups. Ob die dann tatsächlich ausgewiesenen Flächen den Bedarf tatsächlich abbilden, bleibt abzuwarten.

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