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Bürokratische Hürden20-Jährige aus Ruppichteroth braucht Assistenzhund – Prüfung nicht möglich

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Lea Praus mit ihrem einjährigen Hund James.

Lea Praus mit ihrem einjährigen Hund James, der sie im Alltag unterstützt.

Die 20-Jährige will James als Assistenzhund prüfen lassen. Das dürfen nur zertifizierte Hundetrainer – doch Zertifizierungen lassen auf sich warten.

Es können Berührungen von fremden Menschen sein, Interaktionen oder plötzliche Stimmungsschwankungen bei Mitmenschen. Wenn viele dieser Auslöser zusammenkommen, entlädt sich das bei Lea Praus in einer Panikattacke. Die 20-Jährige aus Ruppichteroth lebt mit einer psychosozialen Angststörung und ist bei einem Anfall wie betäubt. „Die Beine sacken weg, ich kann nicht mehr richtig laufen“, beschreibt Praus die Situation.

Ihre Ohren seien wie gedämpft, sie nehme nichts mehr wahr, auch die Sicht verschwinde. Da die Attacken sich gehäuft hätten, habe sie im Jahr 2024 gemerkt, dass sie nicht mehr allein im Alltag zurechtkomme, berichtet Praus. Vor dem Abitur hat sie die Schule abgebrochen, die Fachhochschulreife besitzt sie allerdings. Es folgte ein halbes Jahr, das von Isolation geprägt war – heute hilft ihr ein Hund im Alltag.

Langhaarcollie James bringt Struktur und Hilfe in das Leben der Ruppichterotherin

„Ich hatte keinen Rhythmus, habe mich kaum mit Freunden getroffen“, beschreibt Praus die damalige Zeit. Schon zu Schulzeiten wurde sie gelegentlich vom Familienhund begleitet, was für mehr Sicherheit sorgte; die Entscheidung, die Zukunft mit einem Assistenzhund zu bestreiten, war also gefallen.

Seit elf Monaten begleitet der Langhaarcollie James Lea Praus in ihrem Alltag, wöchentliches Training und regelmäßiges Ausgehen haben wieder Struktur in ihr Leben gebracht. „Ich fühle mich nicht mehr arbeitsunfähig wie vorher“, schildert die 20-Jährige. Seit diesem Sommer macht sie ein Freiwilliges Soziales Jahr im Hospiz. Ihr Hund darf mitkommen, eine Kulanz des Arbeitgebers. Um James aber komplett in Leben und Job zu integrieren, muss er als Assistenzhund anerkannt werden. Allerdings muss in Deutschland diese Art von Hunden am Arbeitsplatz zugelassen werden.

Lea Praus trainiert jede Woche mit James und einer spezialisierten Hundetrainerin

Dafür trainiert Praus wöchentlich mit Yasmin Eller. Die Hundetrainerin ist darauf spezialisiert, Assistenzhunde auszubilden, die den Alltag eingeschränkter Menschen erleichtern. Doch seit eineinhalb Jahren hat sie keinen Hund mehr durch die Prüfung bringen können.

Lea Praus (r.) im Gespräch mit Hundetrainerin Yasmin Eller.

Lea Praus (r.) im Gespräch mit Hundetrainerin Yasmin Eller.

Grund ist eine neue Assistenzhunde-Verordnung, die es nur noch zertifizierten Hundetrainern erlaubt, eine Prüfung durchzuführen. Von diesen Zertifikaten sei bis heute kein einziges ausgestellt worden. Denn die Akkreditierungsstellen dafür ließen auf sich warten. „Wir haben eine Regierung, die sich kaum für Menschen mit Behinderungen interessiert“, klagt Yasmin Eller.

Diese Rechtslage bestätigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf Anfrage der Redaktion. Die Problematik bei der Zulassung von Ausbildungsstätten und die damit verbundene Durchführung von Prüfungen und Zertifizierungen sei dem BMAS bekannt. Voraussetzung für die Prüfung und Zertifizierung von Assistenzhunden sei eine absolvierte Ausbildung in einer dafür zugelassenen Stelle. Die fachliche Stelle, die für die Zulassung von solchen Ausbildungsstätten zuständig gewesen sei, habe aber im April 2024 ihre Akkreditierung zurückgegeben. „Seitdem wurden keine neuen Ausbildungsstätten mehr zugelassen“, teilt das BMAS mit.

Ministerium plant Übergangslösung, damit Assistenzhunde zertifiziert werden können

Das Ministerium plant allerdings eine Übergangslösung für Betroffene, mithilfe einer Rechtsänderung im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG): „Diese wird es vorübergehend ermöglichen, Assistenzhunde zu prüfen, wenn deren Ausbildung in nicht zugelassenen Ausbildungsstätten abgeschlossen wurde, sofern diese die Qualitätsanforderungen der Assistenzhundeverordnung erfüllen“, erläutert ein Sprecher. Der Entwurf zur Änderung befinde sich derzeit in der Ressortabstimmung. Sobald die Regelungen verabschiedet seien, seien dann auch Prüfungen wieder möglich. 

„Bis zu diesem Zeitpunkt können Personen mit einem ausgebildeten Assistenzhund diesen im Alltag zwar nutzen, haben allerdings leider nicht die in §12e BGG beschriebenen Zutrittsrechte“, erläutert der Sprecher des Ministeriums.

Hund James lernt, Anzeichen von Nervosität bei seiner Besitzerin zu erkennen

Stillstand bedeutet das für Hundetrainerin Yasmin Eller allerdings nicht. Jede Woche geht sie mit Lea Praus in die Öffentlichkeit und übt in realistischen Umgebungen, jüngst waren sie etwa im Baumarkt. Neben den klassischen Kommandos „Sitz“, „Platz“ und „Bleib“ soll James lernen, Anzeichen von Nervosität bei Lea Praus frühzeitig zu erkennen. Dafür simuliert die 20-Jährige typische Körperreaktionen bei Panikattacken, etwa wackelnde Beine.

Auch ein allgemeines Sicherheitsgefühl soll der Hund geben und bei Panikattacken Druck auf den Körper ausüben, um zu beruhigen. „Sie lernen, sich gegenseitig zu lesen“, sagt Hundetrainerin Eller über Praus und ihren Hund James. Besserungen seien schon zu erkennen. Zum Beispiel könne Praus seit kurzem wieder Aufzug fahren.


Die 20-Jährige muss den Hund und die Ausbildung selbst finanzieren, ein Auto hat sie nicht, und sie wohnt noch bei ihren Eltern. Die Anschaffung des Hundes hat 2500 Euro gekostet, die Ausbildung beläuft sich insgesamt auf etwa 10.000 Euro. Lea Praus sammelt deshalb für die Ausbildung ihres Hundes Spenden auf dem Portal gofundme. Dort ist sie unter dem Suchbegriff „Assistenzhund für Lea“ zu finden.