Synagoge RuppichterothJüdisches Gotteshaus überstand Nazizeit als einziges im Kreis

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Zum 100. Jahrestag der Einweihung der Synagoge legte Bürgermeister Mario Loskill (l.) einen Blumenkranz nieder.

Ruppichteroth – Drei Tage lang wurde im Sommer 1921 gefeiert: Häuser und Straßen waren festlich geschmückt, der Synagogenchor Siegburg sang, und es gab einen Ball. Am 1. Juli 1921 wurde die neue Synagoge in Ruppichteroth eingeweiht, unter „inniger Anteilnahme aller Bürger“, wie es in einem Zeitungsbericht heißt.

Dieses Datum hatte Heimatforscher Wolfgang Eilmes vor kurzem herausgefunden. Zum 100. Jahrestag zitierte der Autor, der seine Recherchen auch online in sein „Bilderbuch Ruppichteroth“ gestellt hat, aus zeitgenössischen Quellen. Damals habe ein Vertreter der Gemeinde die Hoffnung geäußert, „dass die schmutzige Welle des Antisemitismus“ nicht die „Eintracht unseres Ortes stören möge“. Eine vergebliche Hoffnung: In der NS-Zeit wurde das jüdische Leben in Ruppichteroth ausgelöscht.

2019 kaufte die Gemeinde das Gebäude

Heute ist das Bauwerk die einzige erhaltene Synagoge im Rhein-Sieg-Kreis. Die Zerstörung in der Pogromnacht 1938 überstand sie nur, weil sie aus nicht brennbarer Grauwacke gebaut war. Darauf wies der Bürgermeister hin, der zu einer Gedenkfeier geladen hatte.

An der Synagoge legte Mario Loskill am Donnerstag ein Blumengesteck nieder. „Gegen das Vergessen“, wie es auf der Schleife heißt. Zu den Gästen gehörten Vertreter aus der Politik sowie Peter Tillmann, zweiter Vorsitzender der Oberbergischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, und Miriam Reinecke, ebenfalls im Vorstand dieses Vereins, die auch Vorsitzende des Freundeskreises Mateh Yehuda Nümbrecht ist.

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Die Synagoge Ruppichteroth im Jahr 1921. Damals wurde das jüdische Gebetshaus eingeweiht.

In der oberbergischen Stadt nämlich wurde schon 1828 auf dem Marktplatz eine Synagoge errichtet, wie Eilmes berichtete. „Eine beeindruckende Stele erinnert noch heute daran.“ Auch die Juden aus Ruppichteroth versammelten sich dort. Jede Woche machten sie sich auf die zehn Kilometer lange Strecke nach Nümbrecht, „zu Fuß oder seltener per Kutsche“.

Der Weg wurde den Gläubigen bald zu beschwerlich, zum Gebet traf man sich nun immer öfter im Haus der Familie Marx in der Wilhelmstraße. Die Gemeinde wuchs; so entschloss sie sich um die Jahrhundertwende, ein Bethaus zu errichten, und gründete dafür den Verein „Chewre Kedische“.

Rund 40 Juden lebten 1920 im historischen Ortskern von Ruppichteroth, so Wolfgang Eilmes. Die einstige Synagoge wird inzwischen als Wohnhaus genutzt. 2019 aber kaufte die Gemeinde nach einem einstimmigen Ratsbeschluss das Gebäude. Eine Kommission unter Leitung des Bürgermeisters beschäftigt sich damit, wie das Haus künftig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann: etwa als Museum oder Begegnungsstätte; dafür stellt das Land Zuschüsse seiner Struktur-Fördermaßnahme „Regionale“ in Aussicht.

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Dass vor allem Kinder und Jugendliche jüdische Geschichte und Kultur kennenlernen und so selbst zu Multiplikatoren gegen Antisemitismus werden, liegt nicht nur dem Bürgermeister und Wolfgang Eilmes am Herzen. Einen vorurteilslosen, lebendigen Austausch mit in der Region wohnenden Juden wünscht sich auch Miriam Reinecke.

Sie berichtete am Rande der Veranstaltung davon, dass wieder einige jüdische Familien in die oberbergische Region gezogen seien, sie ihre Religionszugehörigkeit aus Angst vor Antisemitismus aber verbergen. Wie Reinecke erzählte, wurde ihre eigene Familie bereits mehrfach Ziel von Attacken: Ihr Sohn wurde körperlich angegriffen, Autoreifen wurden mehrmals zerstochen.

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