Verspätetes Weihnachtsgeschenk: Ruppichteroth verschickt an die Anlieger der Winterscheider Hauptstraße 0-Euro-Bescheide. Wiehert da der Amtsschimmel?
Wiehert da der Amtsschimmel?Ruppichteroth verschickt 0-Euro-Bescheide

Lange Schlaglochpiste, nun saniert: die Hauptstraße in Winterscheid.
Copyright: Quentin Bröhl
Die Gemeinde Ruppichteroth macht etlichen Bürgern ein verspätetes Weihnachtsgeschenk. Wert: knapp 500.000 Euro. Wie kann das sein? Wo die Kommune doch finanzschwach ist. Zudem profitieren nur die Anlieger der Hauptstraße in Winterscheid. Es ist, vereinfacht gesagt, eine indirekte Zuwendung. Und gezahlt hat das Land Nordrhein-Westfalen.
Die Kommune muss nur die Portokosten tragen - für die 0-Euro-Bescheide, die sie im Januar mit der Post verschicken wird. So ist es Vorschrift, darum komme man nicht herum, teilte Bürgermeister Matthias Jedich mit, der die frohe Botschaft verkündete. Manche hören schon den Amtsschimmel wiehern. Doch den Betroffenen dürfte dieses Geräusch Musik in den Ohren sein.
Jeder Anlieger der Winterscheider Hauptstraße sollte 2000 bis 9000 Euro zahlen
Hintergrund: Eigentlich hätte jeder Anlieger zwischen 2000 und 9000 Euro berappen müssen für die Sanierung der früheren Schlaglochpiste, die mitten durch den Ort führt. Anfangs, vor mehr als zehn Jahren, belief sich die Kostenschätzung für das 1,6 Kilometer lange Teilstück auf 2,1 Millionen Euro: 777.000 Euro sollten die Bürger bezahlen, 647.000 Euro Ruppichteroth, das Land 669.000 Euro. Später, kurz vor Baubeginn, war allerdings von 2,7 Millionen die Rede. Verbunden mit einer entsprechend höheren Belastung für die Nachbarn.
Die Wiederherstellung der rund 50 Jahre alten Verbindung, auf der sich nach jedem Winter neue Risse und Löcher auftaten, hielt auch ein Teil der Bürger für notwendig, das wurde bei einer Testabstimmung auf einem Informationsabend und beim Workshop deutlich. Keine Flickschusterei mehr!, hieß es. Doch dafür so viel bezahlen?
Als 2020 der Gemeinderat den endgültigen Beschluss fasste, galt noch das alte Recht. Das Kommunalabgabengesetz legte fest, dass die Anlieger für einen Teil der Kosten zur Kasse gebeten werden mussten. Ab dem 1. Januar erst griff die Änderung, galt das, Achtung Amtsdeutsch, „Beitragserhebungsverbot für Straßenausbaubeiträge“ in ganz Nordrhein-Westfalen, so auch im kleinen Winterscheid.
Allerdings nur für aktuelle Projekte. Die Bürger protestierten. Der Steuerzahlerbund startete eine Kampagne. Das Land lenkte ein. NRW „gewährte eine Zuwendung, mit der die vollständige Entlastung der beitragspflichtigen Anliegerinnen und Anlieger sichergestellt wird“, teilte nun die Verwaltung mit.
Der Bewilligungsbescheid über rund 1,6 Millionen Euro ist Anfang Dezember ins Rathaus geflattert, die Auszahlung an die Gemeinde erfolgt etwa Mitte Januar 2026. In den Fördermitteln stecken die Bürgerbeiträge und ein Zuschuss zu den Sanierungskosten.
So wird, was lange währte, doch noch gut. Anfang 2019 sollte die Hauptstraße eigentlich schon fertig sein. Doch zunächst musste die Gemeinde auf den Förderbescheid des Landes warten, dann wurde wegen der Kostensteigerung nachverhandelt: Die Bürger, die eine Interessengemeinschaft gebildet hatten, schlugen vor, nicht den ganzen Unterbau bis 65 Zentimeter Tiefe zu erneuern, sondern nur eine neue Decke aufzutragen. Das lehnte das Land ab, Vorschrift ist Vorschrift.
Das Warten hat sich für die Bürger in Winterscheid ausgezahlt
Der Baubeginn verzögerte sich. Die Anlieger hofften auf eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes, laut der 2020 erlassenen Förderrichtlinie hätten sich ihre Kosten danach zumindest halbiert, auf besagte 2000 bis 9000 Euro, je nach Grundstücksgröße. Nun greift also die größtmögliche Minimierung. Das Warten hat sich ausgezahlt.
„Die Bauarbeiten zur grundhaften Erneuerung und einer verbesserten Ausstattung sind abgeschlossen“, schreibt der neu gewählte Bürgermeister, der selbst in Winterscheid wohnt, wenn auch nicht an der Hauptstraße. Der Ort hat an Attraktivität gewonnen, nicht nur durch eine gut befahrbare Straße, auch die Gehwege wurden verbreitert, der Bordstein einheitlich auf fünf Zentimeter abgesenkt, es gibt neue Busbuchten und privat gepflegte Beete.
Jetzt dürfen sich die Bürger, Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer sowie gleichgestellte Erbbauberechtigte, auf die Post aus dem Rathaus freuen. Vielleicht erlangen die Schriebe einmal Sammlerwert: Ein 0-Euro-Bescheid wird wohl nicht allzu oft verschickt.

