Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Einfach kann jeder“Wie geht es nach dem Sieg von Guido Déus bei der OB-Wahl in Bonn weiter?

5 min
Ein Mann und eine Frau geben sich die Hand. Ein Mann mit Kamera filmt die Szene.

Faire Geste: Oberbürgermeisterin Katja Dörner gratuliert ihrem Nachfolger Guido Déus. 

Nach fünf Jahren muss Katja Dörner von den Grünen den Sessel der Chefin im Stadthaus wieder räumen. Ihr Nachfolger muss nach Mehrheiten suchen.

„Danke!“ hatte jemand mit bunten Buchstaben noch in der Nacht zum Montag an die Glastür des CDU-Innenstadtbüros in der Sternstraße geklebt; ein paar Meter weiter lehnte ein Plakat der Grünen mit der Aufschrift „Jetzt Katja Döner wählen“, zerknautscht wie eine Ziehharmonika, an einem Laternenpfahl – es wird nicht mehr benötigt. Bonn hat entschieden, und Katja Dörner, die amtierende Oberbürgermeisterin, hat verloren. Ihr Herausforderer, der CDU-Landtagsabgeordnete Guido Déus, wird ab dem 1. November neuer OB der Bundesstadt.

Die Niederlage der Grünen kann als krachend bezeichnet werden: Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis entfielen auf Guido Déus 54,0 Prozent der Stimmen (insgesamt 74.321), auf Katja Dörner 46,0 Prozent (63.324 Stimmen). Von den 246.965 Bonnerinnen und Bonnern ab 16 Jahren, die zur Wahl aufgerufen waren, haben 138.285 von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht. Dies entspricht einer Wahlbeteiligung von 56,0 Prozent. Bei der OB-Wahl im Jahr 2020 hatte die Wahlbeteiligung bei 48,7 Prozent gelegen.

Scheidende Bonner OB Dörner sieht „sehr respektables Ergebnis“

Déus hat drei Stadtbezirke gewonnen, nämlich Bad Godesberg, Beuel und Hardtberg; Dörner schnitt nur im einwohnerstärksten Bezirk Bonn mit 52,68 Prozent besser ab. Dort haben die Grünen ihre Hochburgen. In 21 von 33 Kommunalwahlbezirken setzte sich der CDU-Mann durch, darunter auch in solchen, in denen bei der Wahl 2020 noch die Farbe Grün dominiert hatte, etwa im Villenviertel/Rüngsdorf oder in Küdinghoven/Ramersdorf/Oberkassel.

Dörner gestand ihre Niederlage ein, sagte am Sonntag aber auch, ihre Partei habe in Bonn mit 46 Prozent ein „sehr respektables Ergebnis“ erzielt. „Wir werden als Grüne heute Abend eine Träne im Knopfloch haben, aber morgen das Krönchen richten und für unsere wichtigen Themen auch weiterarbeiten“.

Ich wünsche Dir wirklich alles Gute!
Katja Dörner an ihren Nachfolger Guido Déus

Als Sieger und Verliererin im Stadthaus-Foyer vor dem Ratssaal aufeinandertrafen, gratulierte Dörner dem nächsten OB, mit dem sie sich seit langem duzt, und  - „Komm mal her“ - umarmte ihn dann spontan: „Ich wünsche Dir wirklich alles Gute!“ Déus, überrascht von der Geste, dankte ihr „für den fairen Umgang, den werden wir fortsetzen“.

Wie geht es jetzt weiter? Das künftige Stadtoberhaupt hat im Wahlkampf ein 12-Punkte-Programm vorgelegt, das er in 100 Tagen angehen wolle, „und das ist mehr als Verkehrspolitik“. Es war gerade die Verkehrspolitik der OB, die zu einer Spaltung in der Stadtgesellschaft und wohl auch zum Sieg der CDU geführt hat. Wirtschaftsverbände liefen Sturm gegen die Radspuren auf der Adenauerallee, Anwohner protestierten gegen die Verknappung von Parkplätzen.

OB Déus will Anwohnerparken in Bonn wieder billiger machen

Déus will nun die Anwohnerparkgebühren von 360 auf 120 Euro reduzieren sowie den Verkehrsversuch auf der Adenauerallee beenden und die Straße wieder vierspurig für Kraftfahrzeuge ausbauen. Die Universität soll zusammen mit der Hochschule Bonn Rhein-Sieg ein Verkehrskonzept für ganz Bonn entwickeln.

Auf seiner Agenda stehen auch, 50 Millionen Euro im Haushalt einzusparen, ein „Kita-Gipfel“ und eine Diskussionsrunde mit wichtigen Personen der Stadtgesellschaft („Stakeholder-Treffen“) über die Zukunft Bonns. Zudem plant der Christdemokrat, die bisher zum OB-Dezernat gehörenden Programmbüros für „Mobilitätswende“, „Klimaneutrales Bonn“ und „Soziale Gerechtigkeit“ abzuschaffen, so dass „die entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Dienst an den Bürgerinnen und Bürgern bereitstehen“.

Diese Formulierung dürfte zu Unfrieden in der Verwaltung führen, weil den Leuten aus den Programmbüros unterstellt wird, nicht für die Bürger zu arbeiten. Auch eine weitere Personalie könnte brisant werden: Déus will Stadtbaurat Helmut Wiesner entmachten, ihm die Fachbereiche Planung, Bauen und Verkehr entziehen und zur Chefsache machen, bis ein neuer Beigeordneter dann diese Bereiche plus Wirtschaft übernimmt und bündelt. Wiesner aber ist Wahlbeamter und vom Stadtrat für acht Jahre bestellt worden, er kann also ohne Zustimmung des Rates nicht abberufen werden.

Auch bei der Dezernatsaufteilung redet das Kommunalparlament mit, es legt  „die Geschäftskreise der Beigeordneten im Einvernehmen mit dem Bürgermeister fest“, heißt es in der NRW-Gemeindeordnung. Kommt ein Einvernehmen nicht zu Stande, entscheidet der Rat. Da hat der künftige OB also ein Problem, denn ihm fehlt im Stadtrat die Mehrheit.

Wir begrüßen den Politikwechsel in unserer Stadt
Werner Hümmrich, FDP-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat

Die bisherige Koalition aus Grünen, SPD, Linken und Volt vereinigt 33 von 66 Sitzen auf sich. CDU, Bürgerbund und FDP bringen es – inklusive OB-Stimme - auf 27 Sitze. Mit der AfD (3 Sitze) will niemand was zu tun haben, BSI, BSW und Die Partei haben je ein Mandat geholt; auch zusammen können sie nicht als Mehrheitsbeschaffer dienen. Die FDP ist dazu bereit: „Wir begrüßen den Politikwechsel in unserer Stadt“, sagte gestern auf Anfrage FDP-Fraktionsvorsitzender Werner Hümmrich. Seine Partei verfügt nur noch über zwei Sitze.

Déus, der mit den Grünen nicht zusammengehen will, braucht also die SPD für sein „bürgerliches Bündnis“. Der Vorstand der Sozialdemokraten, die am 14. September nur knapp 12 Prozent (8 Sitze) geholt haben, ist zu Gesprächen mit dem Gewinner bereit, dürfte es allerdings schwer haben, das der Basis zu verdeutlichen, nachdem sich beide Seiten fünf Jahre lang beharkt haben. Zudem schließt die SPD  eine Zusammenarbeit mit dem Bürgerbund aus. Der stand bisher in Radikalopposition zu Dörner und ihrer Koalition, will nun jedoch mit CDU, FDP und SPD kooperieren.

Guido Déus hat also einige Hürden zu überwinden. Es scheint ihm nichts auszumachen: „Einfach kann jeder“, sagte er am Wahlabend. Die Amtsinhaberin gab ihm schon mal diesen Ratschlag mit auf den Weg: „Gute Nerven behalten“.