Schüsse auf StiefsohnLandgericht Bonn verurteilt Königswinterer zu vier Jahren Haft

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Der Angeklagte Mitte Februar im Saal des Bonner Landgerichts 

Bonn/Königswinter – Für das Jugendschwurgericht des Bonner Landgerichts gab es keinen Zweifel: Es war der Stiefvater, der am 8. April vergangenen Jahres in Bockeroth dreimal mit einem Luftgewehr auf seinen damals elf Jahre alten Stiefsohn geschossen und ihn schwer verletzt hat. Der Hausmeister (33) wurde deshalb am Freitag wegen Misshandlung eines Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren Haft verurteilt.

Angeklagter beharrt auf Unschuld

Vom dritten Anklagevorwurf, eines Mordversuchs durch Unterlassen einer Hilfeleistung, wurde er freigesprochen, weil er einen Rettungswagen gerufen und den Jungen in die Kinderklinik Sankt Augustin hatte bringen lassen. „Ich war es nicht. Ich habe auf meinen Sohn nicht geschossen“, hatte der Angeklagte in seinem letzten Wort beteuert.

Doch die Kammer glaubte ihm nicht am Ende eines viermonatigen Indizienprozesses, in dem versucht worden sei, durch zahlreiche von Beteiligten und Nichtbeteiligten des Verfahrens an die Kammer geschickte E-Mails Einfluss auf das Gericht auszuüben. „Das war schon sehr besonders“, sagte Vorsitzender Richter Volker Kunkel, der auch betonte: „Wir lassen uns nicht beeinflussen, wir haben uns auf die Sache konzentriert.“

Und die sah so aus: Am Mittag des 8. April 2021 fuhr die Mutter des Elfjährigen mit ihrem Vater zu einem Impftermin nach Bonn, ihr Mann kümmerte sich um die insgesamt vier Kinder der Familie. Der später verletzte Älteste bedarf der besonderen Fürsorge, er ist schwerhörig, in der Entwicklung stark zurückgeblieben und auf dem Stand eines Dreijährigen; er kann sich nur durch Gesten verständlich machen.

Gericht ist von gezielten Schüssen überzeugt

Der Angeklagte versorgte zunächst den Jüngsten, ein Jahr alt, schickte dann zwei Geschwister nach draußen, während der behinderte Sohn in seinem Zimmer mit Autos spielte. Zwischen etwa 14 und 16.30 Uhr, so die Überzeugung der Richter, schoss der Angeklagte dreimal mit einem Luftgewehr, das er im September 2020 gekauft hatte, gezielt und von vorn auf die linke Brustkorbseite des Elfjährigen.

Gab er die Schüsse draußen oder im Haus ab? Die Kammer traf dazu keine Feststellung. Staatsanwalt Martin Kriebisch ist sich sicher, dass der 33-Jährige im Haus die Waffe angelegt hatte; hätte er außerhalb geschossen, wäre das in dem Dorf bemerkt worden, glaubt der Ankläger, nachdem er sich in Bockeroth umgesehen hatte.

Kriebisch nannte die Tat „widerwärtig und sadistisch“ und forderte, wie auch Nebenklagevertreter Michael W. Staffel, sieben Jahre Haft. Das Opfer hatte schwere innere Verletzungen erlitten und wurde am Abend der Tat in der Uni-Klinik notoperiert; die Ärzte holten dabei zwei Projektile aus dem Körper, im Fachjargon Spitzkopfdiabolos; der dritte war ein Streifschuss.

Gutachten gab den Ausschlag

Da es für den Vorfall keinen Zeugen gab und der Junge nicht sprechen kann, gab das ballistische Gutachten eines Sachverständigen des Landeskriminalamts den Ausschlag für das Urteil. Er hat für das Gericht glaubhaft nachgewiesen, dass aus dem Luftdruckgewehr des Hausmeisters geschossen worden ist.

Verteidiger Uwe Krechel zweifelte die Expertise jedoch an, weil es, anders als etwa bei Untersuchungen von Schüssen aus einer Pistole, keine vergleichenden Gutachten gebe; deswegen fehle diesem „die Signifikanz“. Krechel plädierte auf Freispruch: Der Angeklagte sei ein liebender Vater, warum solle er seinem Sohn so etwas antun?

Der Junge lebt inzwischen in einem Heim. Der Staatsanwalt kündigte Ermittlungen gegen Angehörige der Familie wegen möglicher Falschaussagen an. Sie hätten alles getan, um den Angeklagten zu entlasten, hätten sich aber nicht schützend vor das Kind gestellt.  

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