Vor GerichtMänner entführen Siegburger in Friedwald in Lohmar und fordern 10.000 Euro

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Gerichtsfoto dpa Polizist mit Aufschrift Justiz

Ein Gerichtsprozess (Symbolbild)

Lohmar/Bonn – Rechtsanwalt Uwe Krechel ahnte Böses, als er vor Monaten einige ihm vom Gericht her bekannte „düstere Gestalten, echte Spitzbuben“ mit einem jungen Mann als Adlatus herumlaufen sah: „Wenn das nur gut geht“, habe er beim Beobachten der Szene gedacht.

Es ging nicht gut. Der junge Mann aus Sieglar, inzwischen 25 Jahre alt, ist jetzt Mandant des Bonner Strafverteidigers und muss sich vor der 10. Großen Strafkammer des Landgerichts wegen räuberischer Erpressung verantworten.

Mitangeklagt ist ein 26-Jähriger aus Troisdorf. Beide klingelten laut Anklage am Abend des 11. Januar 2021 bei einem 24-Jährigen aus Siegburg, man müsse reden. Dann zwangen sie ihn auf den Rücksitz eines hellblauen Kleinwagens.

Täter schlagen Opfer mit Faust und Glasaschenbecher

Der Sieglarer saß neben ihm und schlug ihn unterwegs wiederholt, der Troisdorfer lenkte das Auto, obwohl er keinen Führerschein hat. Das Ziel war der Friedwald in Lohmar. Dort wurde der Siegburger mit der Faust und einem Glasaschenbecher geschlagen, den der 25-Jährige aus der Kneipe, in der er kellnerte, mitgenommen hatte.

„Hast du Ott Zuhause?“, fragte ihn der Schläger, und meinte Marihuana. Als der 24-Jährige verneinte, soll die Antwort des Sieglarers gewesen sein: „Zahl bis nächste Woche 10.000 Euro, sonst werden du und deine Familie umgebracht“, während sein Komplize zuschaute.

Das Opfer musste sein Handy abgeben, Schuhe, Pullover und T-Shirt ausziehen. Schuhe und Telefon schleuderten die Entführer ins Gebüsch, bevor sie mit den Kleidungsstücken samt Auto verschwanden.

Der Mann blieb in der Kälte im Wald zurück, fand aber das Handy und rief Hilfe herbei. Er erlitt Prellungen und Hautabschürfungen. Die Räuber wurden wenig später gefasst und kamen für einige Wochen in Untersuchungshaft.

Der Tathergang ist unstrittig, die Angeklagten haben vor der Polizei ein volles Geständnis abgelegt, das der Angeklagte vor Gericht bestätigte. Sie sind bereit, dem Opfer eine Entschädigung zu zahlen; der 25-Jährige hat 5000 Euro in bar angeboten, das Erbe seiner Großmutter.

Sein Komplize, vorbestraft wegen einiger Drogendelikte, bat um Ratenzahlung für einen noch nicht bezifferten Betrag.

In der Berufsschule gescheitert

Interessant ist der Hintergrund des Überfalls. Verteidiger Krechel schilderte seinen Mandanten als einfachen Sohn einer rechtschaffenen, konservativen muslimischen Familie, der gerade noch die Förderschule geschafft habe, in der Berufsschule gescheitert sei und dann von Gelegenheitsjobs gelebt habe.

Irgendwann kellnerte er in einer Kneipe in Siegburg und kam dort in Kontakt mit den von Krechel so bezeichneten „düsteren Gestalten“: Männern mit dicken Autos und schönen Frauen. Die hätten den schlichten Jungen aus Sieglar überredet, zu Hause auszuziehen und sein Leben zu ändern.

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Krechel: „Er machte auf coolen Voll-Checker“, der sich Respekt habe verschaffen wollen. Offenbar auch bei dem Siegburger, einer Kneipenbekanntschaft. „Der hat falsch über mich geredet“, sagte der Angeklagte vor Gericht, deshalb habe er ihn zur Rede stellen wollen. Ergebnis war die Fahrt zum Friedwald.

„Dort hat er den Vito Corleone gespielt“, berichtete Krechel. Es sei ihm gar nicht um die 10.000 Euro gegangen, sondern er habe das Opfer „in Panik“ versetzen wollen. Dieses „Mafia-Getue“ kann ihm mindestens fünf Jahre Haft einbringen, falls sich das Gericht nicht, wie von Krechel angestrebt, mit der Verteidigung verständigt.

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