„Ein einzigartiges Glaubenserlebnis“350 Jahre Sankt Matthias-Bruderschaft Waldorf

Wallfahrer aus Leidenschaft: (v.l.) Präses Werner Kauth, Rita Schaum, Günter Knapstein und Brudermeister Michael Braun.
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Bornheim-Waldorf – Die Vorbereitungen zum Jubiläum der Sankt Matthias-Bruderschaft in Waldorf, die seit 350 Jahren besteht, laufen auf Hochtouren. Nach einer Festmesse in der Kirche St. Michael am Samstag, 27. August, um 16 Uhr zieht die Festtagsgesellschaft in einer Prozession hinauf zum Schützenplatz wo das Jubiläum mit einem Festakt im Beisein aller Ortsbewohner und Wallfahrtsfans gefeiert werden soll.
Pünktlich zum Festakt soll sogar ein Buch über die lange und lebendige Waldorfer Fußwallfahrt zum Grab des Heiligen Matthias veröffentlicht werden. Zeitgleich wird eine Ausstellung die Höhepunkte und Eindrücke der langen Wallfahrtgeschichte der Waldorfer Matthias-Bruderschaft aufzeigen. Für den „Tag des offenen Denkmals“ am 11. September ist geplant, die Ausstellung von der Pfarrkirche in die Bürgerhalle ins Bornheimer Rathaus zu verlegen.
Geschichte der Bruderschaft beginnt 1672
Die Geschichte der St. Matthias-Bruderschaft begann 1672. Auslöser für die erste Fußwallfahrt zum Grab des Heiligen Apostel Matthias waren den Überlieferungen zufolge die Pest oder Tierseuchen. Die St. Matthias-Bruderschaft wurde erst am Gedenktag des Heiligen Matthias am 24. Februar 1807 gegründet.
„Ihre Aufgabe war und ist es, die jährliche Wallfahrt zum Grab des Apostels in Trier sicherzustellen“, betont Brudermeister Michael Braun. An dieser Zielsetzung habe sich auch nichts geändert. „Uns ist es bis heute ein besonderes Anliegen, die Wallfahrt zu erhalten und in die nächste Generation zu führen“, erklärt Braun. Schon 2013 wurde er in den Vorstand der Bruderschaft gewählt, 2016 trat er dann die Nachfolge vom inzwischen zum Ehrenbrudermeister ernannten Gerhard-Josef Brühl an.
„Wir sind eine sehr lebendige Gemeinschaft in der sich junge aber auch ältere Menschen zu Hause fühlen“, sagt er. Deutlich sei das zuletzt auch noch bei der Jubiläumswallfahrt an Christi Himmelfahrt 2022 geworden. Der älteste Teilnehmer war 83 Jahre alt, der jüngste zählte gerade zwölf Lenze.
„Der Kopf wird frei“
Fußwallfahren beschreibt Braun als ein „einzigartiges lebendiges Glaubenserlebnis, dass sich nur in der Gemeinschaft empfinden lässt. Und es kann süchtig machen“, weiß der stellvertretende Brudermeister Günter Knapstein. „Hochemotional“ empfand Vorstandsmitglied Rita Schaum die vier Wallfahrtstage: „Der Kopf wird frei und es entsteht Platz für Neues“, so Schaum. „Uns eint ja nicht nur die gemeinsame Fußwallfahrt nach Trier“, erklärt Braun.
Pilger gäben sich gegenseitig unterwegs auch Mut und Hoffnung. „Die Wallfahrt ist aber auch eine besondere Form des Glaubensbekenntnisses“, ergänzt der Präses der Bruderschaft, Werner Kauth. Auch ihm ist es ein Anliegen, die Wallfahrt weiterhin lebendig zu halten und mit Leben zu erfüllen.

Zum Andenken an 300 Jahre Waldorfer Prozession nach Trier wurde 1972 ein Herz in der Basilika in Trier aufgehängt.
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Blasen, Schweiß auf der Stirn und kalte Hände und Füße – das alles gehört für die St. Matthias-Pilger auf ihrer Wallfahrt einfach dazu. Knapsteins Mutter hat ihrem Sohn sogar schon von Schneefall unterwegs berichtet. „In der Gemeinschaft ist das aber alles zu viel leichter zu bewältigen, da ist einer für den anderen da“, betont Braun. Ein Konditionstraining hält er zwar für empfehlenswert. „Aber die meisten Pilger gehen unvorbereitet mit und schaffen es trotzdem“, sagt er.
Die Motivation in der Gruppe sei einfach eine andere. Alle Strapazen seien vergessen, wenn die Gruppe nach rund 120 Kilometern am vierten Tag gegen Mittag zusammen mit den Buspilgern in die Basilika St. Matthias in Trier einziehe und der Applaus der anderen Gläubigen aufbrause. „Da kriegt man auch bei 30 Grad im Schatten eine Gänsehaut“, sagt Braun.
Bis vor 50 Jahren ging nie ein Pfarrer mit
„Dabei hat Kirche mit der Wallfahrt eigentlich gar nichts zu tun“, merkt Pfarrer Kauth an. Der Geistliche beschreibt die Wallfahrt sogar als eine reine Laien-Veranstaltung. Bis 1972 sei auch nie ein Pfarrer bei der Fußwallfahrt nach Trier mitgegangen. „Pfarrer Erwin Dederichs war dann der erste Geistliche, der sich mit auf den Weg gemacht hat“, berichtet Kauth. Seit etwa 20 Jahren sei er selber nun Präses der Bruderschaft. Und er blieb es auch, als er als Pfarrer von Waldorf nach Bonn versetzt wurde.
Ganz wichtig ist der Bruderschaft auch die Nachwuchsförderung. Lange schon werden deswegen unter anderem die teils über 100 Jahre alten Texte, die früher unterwegs gebetet wurden, nicht mehr ausgepackt. „Heute sind die Gebete und Texte zeitgemäß, immer aktuell mit vielen neuen Impulsen“, erklärt Pfarrer Kauth. Das unterscheide die St. Matthias-Bruderschaft Waldorf vielleicht auch von anderen Fußwallfahrern.
Dass sich das Engagement lohnt stehe außer Frage: Die St. Matthiasbruderschaft Waldorf zählt aktuell über 200 Mitglieder. Die Pilger kommen aber längst nicht nur aus Waldorf und dem Vorgebirge. „Unsere Fußwallfahrt ist inzwischen überregional bekannt“, sagt Braun. So kämen auch Pilger aus Hannover und sogar aus der Schweiz.
2020 ist Wallfahrt ausgefallen
Dabei seien die Gruppen bis 1968 mit 20 bis 30 Pilger noch verhältnismäßig klein gewesen. Nachdem der Vorstand 1969 die Wallfahrt dann jedoch auf das Christi Himmelfahrt-Wochenende verlegt hat, stiegen die Anmeldungen kontinuierlich an. „2007 sind wir mit 174 Pilgern nach Trier gegangen“, sagt Knapstein. 2019 seien es um die 150 Pilger gewesen. Vor zwei Jahren hatten sich 143 Pilger, darunter 17 Erstpilger zur Wallfahrt angemeldet. Doch wegen Corona fiel die Wallfahrt 2020 aus.
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In der Regel übernachten die Pilger unterwegs in Gasthöfen oder kommen privat unter. Für die Rückfahrt werden Busse organisiert. Übrigens: „Auch Bike-Sharing haben wir Wallfahrer erfunden – ein Fahrrad für mehr als 100 Personen“, scherzt Pfarrer Kauth und erklärt, warum: Der letzte Mann in der Prozession schiebe stets ein Fahrrad neben sich her, das mit einer Papierrolle an der Lenkstange und einer Holzkiste auf dem Gepäckträger ausgestattet ist.
Das Bike komme aber nur dann zum Einsatz, wenn sich ein Pilger unterwegs mal in die Büsche schlagen müsse. „Mit dem Fahrrad ist es anschließend kein Problem, den Anschluss an die Gruppe wiederzubekommen“, schmunzelt Knapstein.