Seit Jahren schon baut Joachim-Ulrich Bielke eine elektrisch betriebene Bahn in seinen Weihnachtsbaum, der voller, oft selbst bemalter bunter Kugeln hängt.
Ponyhof MendenBei Bielkes in Sankt Augustin fährt die Eisenbahn im Weihnachtsbaum

Ulli Bielke hat seit Jahren schon eine Eisenbahn in seinen Weihnachtsbaum eingebaut, neben vielen selbst bemalten Kugeln und anderem herrlichen Weihnachtskitsch.
Copyright: Ralf Rohrmoser-von Glasow
Das weiße Einhorn ist neu, gekauft zwar, passt aber zu den bunten, vielfach selbst bemalten Weihnachtskugeln. Es glitzert und strahlt, nostalgisch wirkt die Karussell-Spieluhr inmitten der Kerzen, Federn und Nadeln. Der Weihnachtsbaum im Wintergarten des Ponyhofs Menden an der Siegstraße in Sankt Augustin ist ein Gesamtkunstwerk, geschmackvoller, jahreszeitlicher Kitsch vom Feinsten.
Doch der Höhepunkt dieser Installation ist die elektrische Eisenbahn, die in drei Kreisen um den Stamm des grünen Nadelholzes tuckert. Natürlich sitzt der Weihnachtsmann vorn in der Lok. An der Station Engelskirchen wartet ein Kollege auf ihn. Schneereste liegen auf dem Bahnsteig, der Nussknacker schaut auf die Gleise und die vorbeiziehenden Wagen.

Mitten im Baum dreht sich ein Spieluhr-Karussell.
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Der Zug kommt gerade aus dem kleinen Tunnel, der unter den Häusern einer Märchenstadt herführt. „Vor sechs Jahren habe ich das zum ersten Mal ausprobiert“, erzählt Ulli Bielke. Der 82-Jährige wohnt mit seiner Tochter in dem Haus, das sein Vater an der Siegstraße gebaut hat. Langsam reduziert er die Reiterangebote, noch sind acht Ponys auf dem Hof. Täglich kommen Kinder, die die Tiere bewegen, striegeln, pflegen und natürlich reiten.
Vor 50 Jahren habe ich damit angefangen und sie stückweise weiter aufgebaut.
Zunächst hatte er zwei Kreise miteinander verbunden, über die der Zug Runde und Runde drehte. Das war ihm aber nicht genug, „außerdem sieht es mit drei Runden besser aus“. Bielke ist ein echter Modelleisenbahner. Unten im Keller, vorbei an Gerten, Pferdegeschirr und -leckerlis, hat er einen Raum zu einer Fantasielandschaft gestaltet, durch die zahlreiche Bahnen fahren, im kleinen Format N. „Vor 50 Jahren habe ich damit angefangen und sie stückweise weiter aufgebaut.“

In seiner Modelleisenbahn mit der Spur N gibt es ein Schloss, daneben klettern Alpinisten im Fels.
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Kein Wunder also, dass da irgendwann auch der Weihnachtsbaum dran war. Dabei geht es im Keller nicht so festlich zu. Der Bonner Hauptbahnhof ist ebenso realistisch nachgebildet wie der Bahnhof von Baden-Baden. Hinten an der Abschlusswand ragt eine Light-Version von Schloss Neuschwanstein auf, daneben hangeln Kletterer am Seil im Fels.
Weihnachten ist für den 82-Jährigen aus Sankt Augustin ein wichtiges Datum
Tunnel, Fachwerkdörfer, eine Longierrunde für Ponys, Renaissance-Rathäuser und barocke Kirchen, die Londoner Tower Bridge und eine Schienenbahn finden sich in diesem Wimmelfeld von Modelleisenbahn. Sogar ein Hubschrauber mit Doppelrotor fliegt über die Landschaft. Unfassbar viel Liebe zum Detail steckt in diesem Schienenfeld.

Auf drei Kreisen rattert die Eisenbahn mit Weihnachtsmann als Lokführer durch die Nadeln.
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Eigentlich ist das kein Wunder, die ganze Familie ist künstlerisch veranlagt. Überall im Haus hängen Kunstwerke von Brüdern und der Schwester, vom Vater und einem Onkel. Ulli Bielke hat sich vor allem aufs Schnitzen verlegt, großformatige Arbeiten sind seine Spezialität. Selbst die Glastür zum Flur hat er mit floralen Motiven verschönert, allerdings aus einem profanen Grund: Die beiden Hunde der Bielkes rennen sonst dagegen.
Weihnachten ist für den 82-Jährigen auch noch aus anderen Gründen ein wichtiges Datum: An eben diesem Fest ist sein Vater 1952 aus der damaligen DDR geflüchtet. Er war Landwirt mit großen Flächen, schon 1938 hatte er sich einen Mähdrescher angeschafft. Der Hof war in Querfeld, nahe Bitterfeld. Große Schafherden weideten auf den Flächen. Vater Bielke weigerte sich, seinen Betrieb in eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) umwandeln zu lassen.
Ein Bekannter warnte ihn vor den Behörden, die ihm auf die Pelle rücken wollten. Also machte er sich auf den Weg nach Ost-Berlin, um zur Verwandtschaft in den Westteil zu gelangen. Am 6. Januar 1953, dem Dreikönigstag, fuhr der Rest der Familie nach Ost-Berlin. Dort stieg sie in die U-Bahn. Den Kindern sei eingebläut worden, an einer Station aus dem U-Bahntunnel die Treppe hochzurennen, daran erinnert sich Bielke noch genau. „So kamen wir nach West-Berlin.“

Viele Weihnachtskugeln hat Ulli Bielke höchstselbst zu Kunstwerken veredelt.
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Die Reise ging weiter nach Hamburg und Sylt. Von dort aus kamen sie nach Siegburg und schließlich über Meindorf nach Menden, wo der Vater das große Grundstück kaufen konnte. Er baute das Haus 30 Meter weg von der Siegstraße, viele wunderten sich. Doch sein Weitblick hat sich bezahlt gemacht. Denn die Straße wurde 15 Meter weiter in Richtung des Gebäudes verlegt, heute existiert deshalb immer noch ein manierlicher Vorgarten.
Der Wintergarten der Bielkes ist ein Weihnachtsparadies für die Reitkinder
Ulli Bielke erbte das Haus. Aus dem Nachlass wurden auch die anderen Kinder entgolten, die Schwester etwa mit Land des früheren Hofes, das an die Familie zurückgefallen war. Sein Wintergarten ist heute ein Weihnachtsparadies. Die Reitkinder erfreuen sich an den winterlichen Motiven, an der Eisenbahn, die durch die Nadeln rattert, und natürlich an dem fantasievollen Einhorn.

