Ein Kampf um eine HausnummerIn Hennef gibt es die Gartenstraße 1 zweimal

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Der Hauseingang zum Beethovenquartier in Hennef: Der Neubau hat die Adresse Gartenstraße 1 bekommen – die gibt es aber schon. 

Hennef – Wer ist die „1“ in der Gartenstraße? Und wo bleibt Ungers? Mit diesen Fragen muss sich erneut die Stadt Hennef befassen. Es geht um Hausnummern und um ein Andenken an den Kölner Architekten Oswald Mathias Ungers.

Mit dem Bau des Beethovenquartiers auf dem Grundstück der abgebrochenen Ungers-Villa im Hennefer Zentralort hatte sich die Notwendigkeit ergeben, neue Hausnummern zu vergeben. Das Problem: Es gibt jetzt zweimal die Adresse Gartenstraße 1 – nämlich einmal im Neubau und nach wie vor das ursprüngliche, fast 100 Jahre alte Haus mit der 1.

Die bestehende Gartenstraße 1 sollte zu Hausnummer 1b werden

Die Situation ist verzwickt. Zwei von drei Hauseingängen des Beethovenquartiers mit insgesamt 31 Wohnungen befinden sich an der Rückseite des Gebäudes. Der Zugang ist mit der Gartenstraße verbunden, weshalb man diese Eingänge nicht – wie beim dritten Hauseingang – mit einer Beethovenstraßen-Nummer versehen darf. Ansonsten würde dies die Auffindbarkeit für Ortsunkundige und auch Rettungsdienste deutlich erschweren, argumentierte die Stadtverwaltung, als sie Anfang des Jahres dem Ausschuss für Stadtplanung die Sach- und Rechtslage auseinandersetzte. „Es bleibt somit nur die Vergabe der Hausnummern 1 und 1a und eine Umbenennung der bestehenden Hausnummer 1 in 1b“, hieß es in der Vorlage für den Ausschuss.

Mit dem 1b-Plan war die Verwaltung auch schon auf die Eigentümer des alten Hauses Gartenstraße 1 zugegangen. „Das war eine Woche vor Weihnachten“, berichtet Frank Fürst auf Nachfrage. „Wir sollten innerhalb von zwei Wochen zustimmen“, ergänzt Wolfgang Fisahn. In der Gartenstraße 1 sitzt Fürsts und Fisahns Steuerberatungsgesellschaft. Eine Adressänderung sei mit einigem Aufwand und Kosten verbunden, sagen sie. Nicht nur die Mandaten und das Finanzamt seien zu informieren, auch der Eintrag im Handelsregister müsste geändert werden.

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Frank Fürst vor seinem Haus in der Gartenstraße 1.

Fürst und Fisahn schlagen vor, die zwei Hauseingänge im Neubau mit 1a und 1b zu nummerieren und verweisen darauf, dass so entsprechend auf der gegenüberliegenden Seite der Gartenstraße verfahren wurde. Dort folgt die Hausnummer 2 auf die hinzugekommenen Nummern 2a, 2b, 2c und 2d, was streng genommen die verkehrte Reihenfolge ist.

Zwischenzeitlich sah es so aus, als hätte sich das Nummerndilemma erledigt. Statt der von CDU, FDP und Unabhängigen zunächst favorisierten Lösung, die Postadresse Beethovenquartier 1-3 einzuführen, regte die Stadtverwaltung an, dem Zugang zur Neubau-Rückseite einen eigenen Straßennamen zu geben. Der nur 1,45 Meter breite Durchgang zwischen Hauswand und Tiefgaragenzufahrt sollte O.-M.-Ungers-Weg heißen.

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Die Ungers-Villa wurde im Jahr 2017 abgerissen. (Archivbild)

Mithin hätte man auch eine Erinnerung an den berühmten Architekten, der die 1962 erbaute moderne Villa entworfen hatte, im Straßenplan verewigt. Ungers Tochter stimmte dem zu, ebenso der Verkehrs- und Verschönerungsverein Hennef und im Juni mit einstimmigem Beschluss der Planungsausschuss. Ein sogenanntes Indexschild mit kurzer Erklärung zum Namensgeber sollte aufgestellt werden.

Ungers-Villa

Im März 2017 wurde die 1962 von Oswald Mathias Ungers im Auftrag gebaute Villa niedergerissen. Das in den 60er Jahren futuristisch anmutete Haus war nach einem Brand nicht mehr bewohnbar, stand jedoch vor der Eintragung in die Denkmalliste. Der Streit zwischen Stadt und Eigentümern endete mit der Zurückziehung einer Klage gegen die Unterschutzstellung und einer nachträglich erteilten Abbruchgenehmigung, so dass der Weg die Neubebauung frei war. Unter Schutz gestellt wurde die Umfriedung des Grundstücks. Der Zaun und das Mäuerchen wurden von den Investoren in Abstimmung mit der Denkmalbehörde restauriert.

Offen ist nun, ob und wie man das verlorene bauhistorische Gut in Hennef würdigt. „Ich verstehe nicht, dass man keine Tafel aufstellt“, sagt der ehemalige Stadtverordnete Bodo Lehmann, der in der 80er Jahren Mitarbeiter von Ungers war. (kh)

Aber der Kummer mit der Nummer ging weiter. Jetzt protestierten die Investoren des Beethovensquartiers. Das von der Projektgesellschaft AS von Christoph Schlechtriem und Jürgen Adolphs errichtete Gebäude war mittlerweile von Wohnungskäufern und Mietern bezogen worden. Nun hatten die das Problem der Adressänderung von Gartenstraße zu O.-M.-Ungers-Weg. „Wir haben einen Rechtsanwalt genommen und sind auf die Stadt zugegangen“, sagt Schlechtriem auf Anfrage. Zu einer Klage sei es aber nicht gekommen. „Das Verfahren steht vor dem außergerichtlichen Abschluss“, bestätigt Stadtsprecher Dominique Müller-Grote. Es sei in Aussicht gestellt worden, den Umbenennungsbeschluss wieder zurückzunehmen, so Schlechtriem.

Voraussichtlich stehe das Thema am 23. November auf die Tagesordnung des Ausschusses, kündigt Müller-Grote an.

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Derweil leben die Beteiligten mit der doppelten Hausnummer Gartenstraße 1. Schlechtriem verweist darauf, dass dies in Hennef nicht einzigartig sei: „Es gibt auch zweimal die Abtsgartenstraße 1.“

Von Missverständnissen als Folge der Doppelvergabe können Fürst und Fisahn ein Lied singen. Anfangs bekamen die Steuerberater häufig die Post der neuen Nachbarn. Paketlieferanten stellen bisweilen heute noch Pakete vor der falschen Haustür ab. Als das Beethovenquartier bezogen wurde, hielten außerdem immer wieder Möbelwagen vor der angestammten Nummer 1. „So viel Platz haben wir hier nicht“, rief Fisahn dann den Fahrern zu, ehe die mit dem Abladen beginnen konnten. Oft müsse man auch den Irrenden erklären, wo sich der 50 Meter entfernte, schlecht zu erkennende Zugang zum Neubau befinde.

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