Immer dem Rasseln nachIm Feriencamp in Hennef wird Blindenfußball gespielt

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Große schwarze Brillen simulieren für die Dauer des Kurses den Verlust der Sehkraft. 

Hennef – „Alle werden blind“, lautet das Kommando von Trainer Konrad Schmitz. Flugs ziehen die jungen Nachwuchskicker ihre Brillen herunter. Mit dem großen schwarzen Sichtschutz und dem ungewöhnlichen Kopfschutz gegen Verletzungen sehen die Jungen schon etwas skurril aus.

Schmitz rollt einen Ball auf das Spielfeld. Dank des Geräuschs wie aus einer Kinderrassel wissen die Zwölf- bis 16-Jährigen, wo der Ball ist. In der Fußballhalle der Hennefer Sportschule wird Blindenfußball gespielt.

Nur der Torwart kann sehen

Zu den Paralympics in Athen 2004 wurde Blindenfußball in den Kanon der olympischen Disziplinen aufgenommen. In der 50-minütigen Spielzeit auf dem 20 mal 40 Meter großen Platz stehen vier sehbehinderte Spieler und ein sehender Torwart, der den Torwartraum nicht verlassen und nicht ins Spiel eingreifen darf.

Der rasselnde Ball ist eine akustische Hilfe. Zudem gibt es einen Tor-Guide oder „Caller“, der hinter dem gegnerischen Tor steht und von dort aus seinen Mitspielern akustische Orientierung gibt. Die Spieler der gegnerischen Mannschaft müssen sich dem Ballführenden mit dem spanischen Ruf „Voy, voy, voy“ (auf deutsch: „ich komme“) bemerkbar machen. (que)

„Die Jungs haben sich richtig auf diese Trainingseinheit gefreut“, berichtet Martin Nowak, Leiter der sechstägigen Fußballfreizeit der DFB-Egidius-Braun-Stiftung in der Sportschule Hennef. Auch er ist gespannt, weil er die neue Sporterfahrung noch nicht erlebt hat: „Immerhin ist ja ein Sinn komplett weg.“

Blindenfußballer Daniel Hoß leitet die von der Telekom gesponserte Trainingseinheit mit Konrad Schmitz und erklärt den Kickern spielerisch, worum es im Blindenfußball geht. „Das Sehen macht immerhin 95 Prozent der Sinne aus“, sagt der Spieler des PSV Köln, der von Geburt an blind ist.

Tricks laufen ins Leere

Ein- bis zweimal in der Woche leitet Hoß solche Trainingseinheiten. Einer der Jungen soll auf einem kurzen Stück seine Tricks zeigen. „Ihr könnt das beim Blindenfußball alles vergessen, weil man ohne zu sehen auf Finten nicht reinfallen kann“, sagt Hoß und erntet staunende Gesichter. Der Ball ist deutlich schwerer und wird immer nah an den Füßen geführt.

Jetzt sind die Jugendlichen selbst an der Reihe. Nach der kurzen Einführung geht es zum Kopfschutz und den Brillen. Jeweils in Partnerübung gibt der Sehende dem Dribbelnden, der nichts sieht, die Richtung an. Danach versuchen die Spieler sich im Torschuss, wobei doch recht viele Versuche daneben gehen – sehr häufig wird der Ball einfach nicht getroffen.

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Daniel Hoß, von Geburt an blind, leitete den Kurs in der Hennefer Sportschule.

Immer wieder macht Hoß vor, wie es geht, und die Jungen sind beeindruckt, wie er als Blinder sich so gut auf dem kleinen Platz orientieren kann.

Am Ende wird dann sogar noch ein richtiges Spiel mit vier gegen vier absolviert, wobei Trainer Konrad Schmitz häufig helfen muss, indem er den Ball anstößt, der somit wieder Geräusche macht und für die Spieler wieder zu orten ist. Die Trainingseinheit im Blindenfußball ist für die fünf Vereine, die an der sechstägigen Fußballfreizeit teilnehmen, nur einer von vielen Aspekten.

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Das Tor zu treffen ist gar nicht so leicht, wenn man erst einmal den Ball treffen muss.

„Wir machen hier viele Teambuilding-Maßnahmen, spielen Fußballgolf oder gehen in den Klettergarten“, schildert Freizeitleiter Martin Nowak. Außerdem gab es einen Stadionbesuch und einen Promitag, bei dem man den Profi-Schiedsrichtern Sascha Stegemann und Christian Gittelmann Fragen stellen konnte. „Hier entstehen Freundschaften, die sehr lange halten“, stellt Nowak fest, der mit drei Nachwuchsbetreuern die Freizeit leitet.

Zwölf Spieler und zwei Betreuer pro Verein

In Hennef sind je zwölf Spieler plus zwei Betreuer der Vereine FVR Frankenthal, JSG Braunsfeld, TSG Irlich, Talentsportverein Mainz und dem ASV Eschbach dabei. Es ist eine von 19 Fußball-Freizeiten, die in den Ferien in den DFB-Sportschulen bundesweit stattfinden, drei davon in Hennef.

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Am Ende der Trainingseinheiten dürfen die Jungen Daniel Hoß noch alles fragen, was sie möchten. Ob er denn davon leben könne, fragt einer der Kicker. „Das kann man höchstens in Brasilien. Hier geht das nicht. Ich habe einen ganz normalen Beruf und lebe in Wuppertal“, antwortet er.

Fußball habe er schon immer gern spielen wollen und sei froh gewesen, als die Sportart durch die WM 2006 in Deutschland bekannt wurde. „Da bin ich damals nach Berlin gefahren, hab da erstmals gespielt und es bis heute nicht sein gelassen.“

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