KinderbücherHennefer Illustratorin arbeitet an Büchern zu schwierigen Themen

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Der kleine Timmy steht im Blickpunkt des Bilderbuchs zum Thema Depression, das Anna Karina Birkenstock illustriert.

Der kleine Timmy steht im Blickpunkt des Bilderbuchs zum Thema Depression, das Anna Karina Birkenstock illustriert.

Hennef – Wütend trampelt Timmy im Kinderzimmer herum, wirft sein Spielzeug-Auto hin und schreit „Dumme Mama! Blöde Mama!“ Für Anna Karina Birkenstock die Schlüsselstelle im Buch „Mama und der verhexte Spiegel“, das sie für die Autorin Brigitte Endres illustriert hat. Es behandelt kindgerecht das Thema Depression. Unter der leidet Timmys Mutter.

„Ich wollte zeigen, welche Gefühlsachterbahn der Junge durchlebt, was völlig normal ist“, sagt die Henneferin. Bücher über die Krankheit gebe es schon, doch es fehle der Blick auf das Empfinden der minderjährigen Angehörigen. Diese Lücke will nun das im Schweizer Aracari-Verlag erschienene Buch schließen.

Für Birkenstock, die bereits rund 100 Kinderbücher veröffentlicht hat, ist es die zweite Zusammenarbeit mit Brigitte Endres. „Was ist los, Joschi Bär?“ erschien im vergangenen Jahr – ein Buch zum Thema sexueller Missbrauch. „Leicht, liebevoll und niederschwellig“ sollte das Sujet umgesetzt werden, so wünschte es sich die Autorin. Diese Bedingungen erfüllte die Illustratorin.

Andeuten, was nicht stimmt

Flauschig und füllig tappen ihre Protagonisten durch ihre gemütlichen Bären-Höhlen. „Die Haptik ist mir sehr wichtig“, betont die 45-Jährige. Sie wolle Kindern keine Angst, sondern Mut machen. „Deshalb habe ich auch genau überlegt, wie lang die Krallen von Herrn Bruse sein sollen.“ Damit bedrängt der Nachbar den kleinen Joschi, der anschließend die Farbe wechselt, grau und still wird. Sein Bettzeug nimmt in der Nacht die Textur von Bruses struppigem Fell an.

So schafft Birkenstock Stimmung, deutet an, was nicht stimmt. Für die Erwachsenen hat sie Zeichen eingebaut wie den phallischen Kaktus auf dem Bord des Täters. Auch im Buch über Depression finden sich solche Details, etwa über dem Bett der Mutter ein Bild von Georgia O’Keefe: „Eine meiner Lieblingsmalerinnen, die auch an Depression litt.“ Diese Krankheit sei im Gegensatz zum sexuellen Missbrauch ein Thema, das öffentlich noch verdrängt werde, findet Birkenstock.

Erste Skizzen der Figuren stehen am Beginn jeder Illustration.

Erste Skizzen der Figuren stehen am Beginn jeder Illustration.

Damit die Auseinandersetzung leichter fällt, hat der Verlag – wie auch zu „Joschi“ – dem Buch eine Handreichung beigefügt. Wichtig findet es Anna Karina Birkenstock, dass beide Bücher genügend Spielraum lassen, eigene Geschichten weiterzuerzählen. Dazu muss Platz für den Text und die Bildsprache prägnant sein. In ihrem Atelier tüftelt die Illustratorin an dieser Balance, nicht nur mit Zeichenstift und Acrylfarbe, sondern auch am Computer.

Birkenstock hat eine Ausbildung zur Mediengestalterin absolviert und in Karlsruhe Medienkunst studiert. Damals drehte sie auch selbst Filme. „Das ist immer ein aufwendiger Prozess, mit viel Personal.“ Als Illustratorin hat sie alles selbst in der Hand und knüpft an die kreative Autonomie ihrer Kindheit an. „Damals habe ich alles bemalt, was ich finden konnte, zum Beispiel das weiße Kunstledersofa meiner Eltern mit Permanentmarker.

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In jüngster Zeit hat Birkenstock noch eine Ausbildung zur Literaturpädagogin absolviert, denn sie will zeigen: „Wir sind umgeben von Geschichten. Die finden sich aber nicht nur in Büchern, sondern auch auf digitalen Plattformen.“ Darin kennt sie sich gut aus; und so hat sie mit ihrem Mann Caspar Armster den Tilda Marleen Verlag für E-Books und vor kurzem auch den Verein „Das Digi Dings“ gegründet. In dem können Menschen jeden Alters technisches Wissen und Ideen teilen. Etwa eine Erfindung, die die Summ-Frequenz der Bienen misst und zeigt, ob sie gesund ist.

„Ich habe nie über Inspiration nachgedacht. Was mir aber in der Pandemie fehlt: Cafés, Fachmessen, Treffen, Lesungen. Gelegenheiten also, bei denen ich Menschen beobachten und mit ihnen reden kann“, sagt die Mutter zweier Töchter (elf und 13 Jahre alt), die in der Szene gut vernetzt und auch als Mentorin für junge Illustratoren aktiv ist. Verbindungen zwischen analoger und digitaler Welt spinnt sie dienstags und donnerstags ab 20 Uhr im Atelier per Livestream. Dann lässt sich die Künstlerin am Zeichenbrett über die Schulter schauen und chattet mit Interessierten.

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