„Du fehlst uns“Hennef ist im Kita-Notstand – Werbekampagne soll Abhilfe schaffen

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Bürgermeister Mario Dahm, Jugendamtsleiterin Miriam Overath und Erzieher Tom Ullrich (v.l.) mit einem Plakat.

Kita-Personal dringend gesucht: Bürgermeister Mario Dahm, Jugendamtsleiterin Miriam Overath und Erzieher Tom Ullrich (v.l.) berichteten über den Notstand in den Hennefer Kindergärten.

Eine Kita in Hennef hat die Betreuungszeit reduziert. Jedes Kind kann nur noch an drei statt an fünf Tagen in die Einrichtung kommen.

Rote Banner am Rathaus und über der Frankfurter Straße verraten, was viele Eltern längst leidvoll erfahren haben: Hennef befindet sich im Kita-Notstand, es werden händeringend Erzieherinnen und Erzieher gesucht. „Du fehlst uns“, steht auf den Bannern. Die Stadt versucht, mit einer Werbekampagne die „extrem angespannte Personallage“, so Bürgermeister Mario Dahm, zu lindern. Denn was die Ausnahme sein sollte, der Kita-Notbetrieb, hat sich in Hennef zur Regel entwickelt.

Schon vor der Pandemie habe die Stadt Fachkräfte für die Kinderbetreuung gesucht, sagt Jugendamtsleiterin Miriam Overath in einer Pressekonferenz. „Eine Dauerausschreibung läuft im dritten Jahr.“ Corona habe das Problem verschärft, „es ist so gravierend wie noch nie zuvor“.

Debatte um Beitragsnachlass

In der Kita Gartenstraße spitzte sich die Lage 2022 zu. Dort sind zurzeit 6,7 von 19 Stellen nicht besetzt. Konsequenz ist die Teilschließung: Seit Montag kann jedes Kind nur noch an drei statt an fünf Tagen in der Woche kommen. So reduziert sich die Zahl der zu betreuenden Kinder von normal 88 auf 55 täglich. Zwei Monate soll diese Regelung greifen; am Montag befasst sich der Hauptausschuss mit der Frage, ob ein Nachlass bei den Elternbeiträgen gewährt wird.

„Das Problem gibt es landauf, landab, in fast allen Kommunen und bei fast allen Trägern“, sagt Dahm. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung beziffere den Mangel landesweit mit 24.000 Fachkräften. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, appelliert Dahm an das Land, „wir brauchen Sofortmaßnahmen für mehr Quereinsteigerinnen, eine einfache Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, eine Neugestaltung der Ausbildung, eine angemessene Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern, mehr Geld für das System Kita und die Entlastung von Fachkräften durch Verwaltungsassistenten.“

Springersystem „klappt gar nicht mehr“

In den 13 städtischen Kitas sind aktuell nur 78 Prozent der Stellen besetzt. 30 der 135 Stellen für Fachkräfte und fünf der 25 Stellen für Ergänzungskräfte sind vakant. Früher gab es ein Springersystem, wenn jemand fehlte. „Das klappt gar nicht mehr“, berichtet Dahm. „Die Frustration nimmt immer weiter zu“, berichtet Tom Ullrich, Erzieher in der Kita Gartenstraße. Auch bei den Eltern, die für ihre Kinder Ersatzlösungen suchen müssen, staut sich der Ärger über die eingeschränkte Betreuung.

Klagen gegen die Stadt sind noch nicht anhängig, wurden aber schon angedroht. „Es gibt auch Eltern, die viel Verständnis haben“, berichtet Ullrich. Manche bieten sich als sogenannte Alltagshelfer an, die etwa die Tische nach dem Mittagessen abräumen. „Aber das ersetzt uns nicht die Fachkräfte“, betont Overath.

Um für angehende Erzieherinnen und Erzieher attraktiv zu sein, hat die Stadt die „Praxisintegrierte Ausbildung“ ausgebaut. Im Unterschied zur rein schulischen Ausbildung erhalten die Auszubildenden von Beginn an eine Vergütung. Im ersten Jahr sind es 1140 Euro im Monat, im zweiten Jahr 1202 Euro, im dritten 1303 Euro. Doch auch hier stieß man an Grenzen. 18 Praxisintegrierte Ausbildungsplätze standen zur Verfügung, sechs konnten nicht besetzt werden, weil die Fachschule ausgebucht war.

Einsatz aus dem Ruhestand

Bei den freien Trägern sehe die Situation nicht anders aus, berichtet Jugendamtschefin Overath. So sehe sich auch die Regenbogen-Kita der Evangelischen Kirchengemeinde zur Teilschließung gezwungen. Andere böten den Eltern reduzierte Betreuungszeiten an, 40 statt der gebuchten 45 Stunden, 30 statt 35 und 20 statt 25.

Den Verantwortlichen im Rathaus ist bewusst, dass sie in Konkurrenz mit anderen Trägern und Nachbarkommunen um die raren Fachkräfte buhlen. Dabei nimmt der Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern noch zu. Für die Offenen Ganztagsschulen benötigt die Stadt weitere Betreuungskräfte und in naher Zukunft für die neue Kita, die in der Warth gebaut werden soll.

Um die Lücken zu stopfen, wurden zwei Rentnerinnen für zehn Stunden pro Woche reaktiviert. Eine weitere Erzieherin im Ruhestand hilft ehrenamtlich aus. Im Rathaus kümmert eine Kraft um die Rekrutierung von Erzieherinnen und Erziehern, ein Imagefilm soll dabei helfen. Außerdem dreht jedes der 13 städtischen Kita-Teams für die sozialen Medien ein Video, um neue Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen. Für Erzieher Tom Ullrich (25) steht fest: „Das ist der tollste Beruf der Welt!“

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