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„Steiniger Weg“Das Siebengebirge steht seit 100 Jahren unter Naturschutz

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Das Bild zeigt eine kleine Hügelkette im Sommer mit grünen Bäumen und auf den Bergkuppen die Gebäude Petersberg-Hotel und Schloss Drachenburg sowie die Ruine des Drachenfels.

Schützenswert: Ansicht des Siebengebirges mit (v.l.) Petersberg, Schloss Drachenburg und Drachenfels.

Mit der Veröffentlichung im „Amtsblatt der Regierung zu Köln“ am 20. Januar 1923 wurde das Siebengebirge offiziell unter Naturschutz gestellt. 

Vor genau 100 Jahren wurde das Siebengebirge sozusagen juristisch-offiziell unter Naturschutz gestellt. Denn die erste Naturschutzgebietsverordnung wurde am 20. Januar 1923 im „Amtsblatt der Regierung zu Köln“ veröffentlicht und trat damit in Kraft.

„Die Unterschutzstellung vor 100 Jahren war rechtlich gesehen ein absolutes Novum“, heißt es in einer Mitteilung der Bezirksregierung Köln, „denn erst kurze Zeit zuvor war der Naturschutz erstmals als staatliche Aufgabe begriffen und in den Gesetzen verankert worden.“

Private Vereine initiierten Schutz durch den Kauf von Flächen

Mit „Ein langer und steiniger Weg“ hat die Kölner Behörde sowohl ihre Mitteilung als auch einen Empfang des Regierungspräsidenten Dr. Thomas Wilk am Jubiläumstag (Freitag) für geladene Gäste auf Schloss Drachenburg überschrieben.

Im 19. Jahrhundert habe der preußische Staat mangels gesetzlicher Grundlage kaum Möglichkeiten gehabt, das Siebengebirge flächendeckend zu schützen. Das sei nur indirekt über Polizeiverordnungen gegangen. „Schutzbemühungen wurden meist durch private Vereine initiiert und mittels Flächenkauf vollzogen“, so die Bezirksregierung.

Damit kommt der Verschönerungsverein für das Siebengebirge (VVS) ins Spiel, der 1870 gegründet wurde. Dessen Ziel war im Zuge der aufkommenden Rheinromantik der Erhalt des besonderen Fleckens Natur, der viele Menschen begeisterte. Denn: „Dieser Faszination der Landschaft für Hunderttausende jedes Jahr stand ihr drohender Garaus durch rund 35 Steinbrüche auf nahezu allen Bergen bevor (...)“, heißt in einem Heft zum 150-jährigen Bestehen des Vereins.

Er betrieb über Jahrzehnte Naturschutz durch Kauf, auch um nach und nach Steinbrüche stilllegen zu lassen. Bis heute gehören dem Verein 850 Hektar Wald im Siebengebirge und unter anderem das Restaurant auf dem Oelberg.

Der VVS habe mit seiner Arbeit, so der heutige Vorsitzende Hans Peter Lindlar gegenüber der Rundschau, „die Grundlage geschaffen für das wertvolle Naturschutzgebiet Siebengebirge“. Und er sei nach wie vor in dessen Entwicklung eingebunden, weil der VVS das Europa-Diplom verwalte, mit dem der Europarat das Naturschutzgebiet 1971 erstmals ausgezeichnet hat und das regelmäßig verlängert werden muss.

Von 1986 bis 2018 hatte der VVS zudem die Trägerschaft des Naturparks Siebengebirge übernommen, der mit 11.200 Hektar weit größer ist als das Naturschutzgebiet (heute 4800 Hektar).

Staatlicherseits gab es unterdessen laut Bezirksregierung eine erste kleinräumige Polizeiverordnung schon 1828, die aber nur dem Drachenfels galt. Eine flächendeckende Verordnung von 1899 habe vor Gericht keinen Bestand gehabt, eine Polizeiverordnung von 1902 hatte vor allem den Verkehr im Blick. Sie habe dem indirekten Schutz des Siebengebirges gedient „und war letztlich die Rechtsgrundlage zur Einstellung des Steinbruchs Wolkenburg“.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde die Verordnung mehrfach überarbeitet

Die Schutzkategorie „Naturschutz“ sei dann erstmals 1920 im Preußischen Feld- und Forstpolizeigesetz verankert worden. Daraufhin seien drei Naturschutzverordnungen (NSG-VO) erlassen worden: Für das Neandertal in Düsseldorf, für die Lüneburger Heide sowie für das Siebengebirge. Letztere ist auf den 7. Juni 1922 datiert und am 20. Januar 1923 – also diesen Freitag vor 100 Jahren – in Kraft getreten.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde die NSG-VO mehrfach überarbeitet und erweitert, aber schon in der Ursprungsversion wurden 53 Pflanzen- und 31 Tierarten geschützt, darunter Orchideen oder Mauereidechsen. 1944 wurde laut Bezirksregierung erstmals zusätzlich verboten, die Wege zu verlassen.

„Im Spannungsfeld zwischen Nutzung und Naturschutz“

Und die derzeit geltende Naturschutzgebietsverordnung, die gerade wieder aktualisiert wird, weil sie 2025 ausläuft, enthalte als Novum den FFH-Schutz (Fauna-Flora-Habitat), ein Kletterverbot am Stenzelberg und einen Wegeplan, um ungestörte Räume für Tiere und Pflanzen zu erhalten. Das sei nötig, weil durch Freizeitnutzungen – Wanderer, Läufer, Radfahrer – der Druck auf Natur und Landschaft wachse. Das Siebengebirge bleibe „im dicht besiedelten Rheinland weiterhin in einem Spannungsfeld zwischen Nutzung und Naturschutz“, so die Behörde.

Gerade während der Corona-Lockdowns erlebte das Siebengebirge einen wahren Boom – auch mit Schattenseiten. Der Rhein-Sieg-Kreis lässt seinen Ordnungsaußendienst jedenfalls inzwischen regelmäßig die Einhaltung der „Spielregeln“ kontrollieren.

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