„Mein Leben lang belastet“Mann wurde als Kind von Troisdorfer Kaplan missbraucht

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Der Schatten eines Priesters: 69-jähriger aus Königswinter leidet bis heute unter Missbrauch.

Königswinter – „Mein Leben“, sagt der 69-Jährige, der zusammengesunken auf dem Sofa in seiner Wohnung in Königswinter sitzt, „ist im Grunde genommen kaputt. Von Anfang bis Ende.“ Dieter K., der eigentlich anders heißt, der aber anonym bleiben möchte, ist nicht nur körperlich gesundheitlich schwer angeschlagen und auf einen Rollator angewiesen, an dem er nur mühsam gehen kann.

Man spürt im Gespräch das seelische Leid, das er als Opfer sexuellen Missbrauchs durch einen Geistlichen auch noch Jahrzehnte nach den Taten mit sich herumtragen muss. K. ist unter anderem an Depressionen erkrankt.

„Aussagen sehr glaubwürdig“

Sie halte, schrieb die damalige Beauftragte für die Opfer sexuellen Missbrauchs beim Kölner Erzbistum, Christa Pesch, 2015 in einem Gesprächsprotokoll, Dieter K.s Aussagen „für sehr glaubwürdig“. Als kürzlich das Münchener Missbrauchsgutachten publik wurde – und der emeritierte Papst Benedikt erst mit großer Verspätung Worte der Entschuldigung für die Opfer fand –, da war das der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

K. rief in der Redaktion dieser Zeitung an. „Einer muss mal was sagen“, sonst würden die Taten weiter unter den Teppich gekehrt.

Der Rentner ist nach seiner Erinnerung etwa ab einem Alter von acht Jahren von Kaplan A. (Name geändert) zunächst in Troisdorf-Spich sexuell missbraucht worden. In dessen Haus, in das er auf Drängen des Kaplans habe kommen müssen, sei er als Messdiener immer wieder gestreichelt und auf den Mund geküsst worden.

Besuche des Geistlichen in Düsseldorf

„Er wollte immer mit mir zusammen sein zum Knutschen und Streicheln“, berichtete K. schon 2015. Zuhause in der Familie seien Priester hoch angesehen gewesen; niemals hätte er dort etwas gegen den Kaplan sagen dürfen, betont er gegenüber dieser Zeitung.

Als der Mann als Pfarrer nach Düsseldorf wechselte, habe dieser K.s Eltern gebeten, ihr Sohn möge ihn dort besuchen. Das habe er – auch auf Druck des autoritären Vaters – alle vier bis sechs Wochen von Samstag auf Sonntag tun müssen. Man habe nackt in der Badewanne oder auf dem Sofa gesessen. Zwar sei es nie zum Geschlechtsverkehr gekommen, aber alle möglichen sexuellen Handlungen hätten zu den regelmäßigen Wochenenden gehört.

„Bis heute hat sich niemand bei mir entschuldigt“

Erst mit 18 Jahren, kurz bevor er zur Bundeswehr ging, habe er sich der Autorität des Vaters und der des Geistlichen entziehen können. Mit 21 Jahren heiratete er seine erste Frau, habe aber anfangs Schwierigkeiten mit der Sexualität gehabt, weil die Bilder des Missbrauchs immer wieder präsent waren.

Und auch mit seiner zweiten Frau, die er 1988 geheiratet hat, sei es zu Schwierigkeiten gekommen, weil die Erinnerung an die Taten – auch durch Veröffentlichungen über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in den Medien – immer wieder aufflammte.

„Ums Geld geht es mir nicht“, sagte der heute 69-jährige K., der nach eigenen Angaben vor einigen Jahren 7000 Euro Entschädigung erhalten und inzwischen einen weiteren Betrag beantragt hat. Viel wichtiger: „Bis heute hat sich niemand bei mir entschuldigt“, sagt der kranke Rentner, den das Geschehen „mein ganzes Leben lang belastet“ habe.

Erzbistum macht nur allgemeine Angaben

K. erhielt nach eigenen Angaben dieser Tage einen Anruf von einem Vertreter des Kölner Erzbistums, nachdem diese Zeitung dort wegen seines Falles angefragt hatte. Laut Bistum ist der Geistliche 2015 verstorben. Weitere Angaben könne man „im Hinblick auf das postmortale Persönlichkeitsrecht“ und wegen des Datenschutzes nicht machen.

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Ist der Mann mit den Vorwürfen konfrontiert worden? „Gemäß Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfsbedürftiger Erwachsener durch Kleriker (...) erfolgt stets (...) eine Anhörung der Beschuldigten“, heißt es in der Antwort. Über das Ergebnis sagt das Bistum nichts. Ebenso wie es sich zum 69-jährigen K. nicht konkret äußert, weil alle Fälle von Missbrauchsopfern „absolut vertraulich behandelt werden“.

Der Königswinterer ist übrigens trotz seiner Erlebnisse weiter Mitglied der katholischen Kirche. Ein Austritt sei für ihn kein Thema, sagt er. „Da würde etwas fehlen.“

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