Verbrecherjagd 19621000 Polizisten suchten einen Raubmörder im Siebengebirge

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In diesem Stollen der Ofenkaulen wurde am 1. März 1962 zufällig Dieter Freese entdeckt.

Königswinter/Bad Honnef – Am Vormittag des 1. März 1962 muss im Siebengebirge die Hölle los gewesen sein. „Fast tausend Polizeibeamte, Kriminalisten, Bereitschaftspolizisten und Angehörige des Bundesgrenzschutzes sind zusammengezogen. Sie schließen das riesige Waldgebiet zwischen Petersberg und Schmelztal bei Bad Honnef hermetisch ab“, berichtete am nächsten Tag die Rundschau. „Jeder Meter des Waldgeländes wurde durchkämmt, Spürhunde sind eingesetzt. Dicht über den Bäumen kreisen Hubschrauber.“

Der Grund für das Großaufgebot an Sicherheitskräften: Am 1. März 1962 war der gesuchte „Sparkassenräuber und Raubmörder“ Dieter Freese, nach dem bundesweit gefahndet wurde, in einem der Stollen der Ofenkaulen entdeckt worden. Ein Polizeibeamter war bei einer Routinekontrolle der Stollen zufällig auf den Gesuchten gestoßen. Freese gelang es jedoch, den Beamten zu entwaffnen und zu flüchten – zuvor erschoss er allerdings noch dessen Polizeihund „Arko“.

„Über Tage – unter Tage“ ist der Titel der Sonderausstellung im Siebengebirgsmuseum (Kellerstraße), die noch bis zum Januar nächsten Jahres zu sehen ist. Sie beleuchtet die Arbeit der Steinbrecher und der Backofenbauer, einstmals ein florierendes Handwerk in Königswinter, beschäftigt sich mit der Zeit Ende des 2. Weltkriegs, als Zwangsarbeiter in den Stollen für die Flugzeugmotorenfirma Aero-Stahl schuften mussten, als aber auch Königswinterer Bürger dort Schutz vor den Bomben suchten. In der Nachkriegszeit zogen die eigentlich gesperrten Ofenkaulen, die ein wichtiger Rückzugsraum für Fledermäuse sind, immer wieder Abenteurer und Neugierige an. (csc)

„Es war ein gewaltiger Großeinsatz“, sagte der langjährige Leiter des Siebengebirgsmuseums, Elmar Scheuren, als er jetzt in der Reihe „Kostprobe“ zurückblickte auf die „Jagd auf Raubmörder“, so damals die Schlagzeile der Honnefer Volkszeitung (HVZ). Die Veranstaltung mit Scheuren fand im Rahmen der Sonderausstellung „Über Tage – unter Tage“ statt, die zurzeit im Siebengebirgsmuseum zu sehen ist (siehe Kasten).

Dieter Freese, dem man nach Scheurens Recherchen 1960 insgesamt 250 schwere Straftaten vorwarf und der 1961 fünf Banküberfälle begangen haben soll, hatte zusammen mit vier Komplizen am 14. Februar 1962 eine Sparkasse in Winningen an der Mosel überfallen und einen Angestellten erschossen. Während die Komplizen schnell geschnappt wurden, führte Freeses Flucht laut einem Bericht der Rhein-Zeitung vom 12. März, nach der Festnahme des Gesuchten an der tschechischen Grenze, „von Boppard aus wahrscheinlich über Königswinter, Beuel, Bonn, Köln mit einem Abstecher ins Ruhrgebiet und zurück in eine Waldhöhle bei Königswinter“.

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Dort hatte sich Freese, der am Ende im Oktober 1963 zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt wurde, dem allerdings 1989 und 1992 zweimal die Flucht gelang, bevor er 1993 regulär entlassen wurde und laut Scheuren spurlos verschwand, ein Stück weit häuslich eingerichtet, wie die Rundschau damals berichtete: „Bei der Durchsuchung der Höhle wurden, wie die Polizei bekanntgab, zwei fast neue silbergraue Schlaraffia-Matratzen gefunden, zwei silbergraue Schonerdecken, eine braunkarierte Reisedecke mit Ledereinfassung, eine graue Einkaufstasche mit Lebensmitteln und eine fast neue Herrenaktentasche.“ An mehreren Toilettengegenständen wiesen Etiketten darauf hin, dass sie in einer Drogerie in der Meckenheimer Straße in Bonn gekauft worden waren.

Fall Freese wurde Vorlage für Krimireihe "Stahlnetz"

„Am nächsten dran“ an der Fahndung nach dem Schwerverbrecher war nach Scheurens Einschätzung damals die Rhein-Zeitung, deren Chefreporter nach dem Überfall in Winningen im Polizeihubschrauber mitflog („Tollkühn sind die Landemanöver unseres Piloten“). Später war er nach eigenen Angaben sogar „bei der Einlieferung des Räubers in der Haftanstalt Koblenz-Karthause dabei“. Die Schlagzeile: „Auge in Auge mit Dieter Freese.“

Der Polizist, den der bewaffnete Räuber zwang, seine Koppel mit Dienstwaffe abzulegen und dessen Hund „Arko“ er erschoss, gab dem WDR seinerzeit vor dem Eingang zum Stollen der Ofenkaulen ein ausführlichers Interview, in dem er den Ablauf genau schilderte. Und der Fall machte derartige Schlagzeilen, dass die Krimireihe „Stahlnetz“ 1966 ihre 23. Episode mit dem Titel „Der fünfte Mann“ dem Verbrecher „Dieter Hesse“, wie Freese im Film hieß, widmete. Beide Zeitdokumente führte Elmar Scheuren (den Film auszugsweise) bei seiner Kostprobe vor.

Flucht in gestohlenem Wagen

So „hermetisch“, wie sowohl die Bonner Rundschau als auch die HVZ berichteten, war das Siebengebirge indes nicht abgeriegelt. Denn Freese gelang zunächst noch einmal die Flucht in einem in Aegidienberg gestohlenen Wagen. Die Rundschau vom 3. März 1962: „Mörder Freese entkam im Siebengebirge – Mit gestohlenem ,Caravan’ in Aegidienberg aus der Polizeisperre ausgebrochen – Großfahndung im Siebengebirge eingestellt.“ Gut eine Woche später wurde Dieter Freese in Bayern gestellt und festgenommen.

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