MikroplastikWas ein Granulat-Verbot für Rhein-Sieg-Vereine bedeuten würde

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Zur Dämpfung der Kunstrasenplätze wird Gummigranulat benutzt. Auf jedem Quadratmeter liegen im Schnitt fünf Kilo des Materials.

Zur Dämpfung der Kunstrasenplätze wird Gummigranulat benutzt. Auf jedem Quadratmeter liegen im Schnitt fünf Kilo des Materials.

  • Die Europäische Union denkt über ein Verbot von Gummigranulat bei Kunstrasenplätzen nach.
  • In dem Granulat soll umweltschädliches Mikroplastik enthalten sein und es gerät so einfach in die Umwelt.
  • Doch was würde ein EU-Verbot für Vereine aus dem Rhein-Sieg-Kreis bedeuten? Ein Überblick.

Rhein-Sieg-Kreis – Das dürfte so manchen Sportverein und die meisten Städte und Gemeinden aufhorchen lassen: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) beschäftigen sich aktuell intensiv mit der Thematik möglicher Auswirkungen von Kunststoff-Rasenplätzen auf die Umwelt.

Der Hintergrund ist, dass diese Anlagen eine der größten Quellen von Mikroplastik sind, das auf diesem Weg in die Umwelt gelangt. Die EU denkt daher über ein Verbot nach. Vereine und Kommunen würde dies hart treffen, denn sie haben zahlreiche Ascheplätze in den vergangenen Jahren umgewandelt, weil Kunstrasenplätze pflegeleicht sind, geringere Kosten in der Unterhaltung verursachen und intensiver genutzt werden können.

Füllung der Plätze ist das Problem

Guido Fuchs, der Vorsitzende des Fußball-Kreises Sieg, versucht, den Ball zunächst einmal flach zu halten: „In einem ersten Schritt muss jetzt entschieden werden, ob alle Kunstrasengranulate betroffen sind. Falls dies der Fall ist, dürften bei uns im Fußball-Kreis Sieg auch fast alle Plätze betroffen sein.“

Das sei dann eine Riesenaufgabe für den gesamten Sport und fast alle Kommunen. Fuchs: „Wir warten auf weitere Informationen durch den Fußball-Verband Mittelrhein und den DFB.“ Das Problem ist die sogenannte Füllung der Plätze, die wie Erde bei Naturrasen dämpft und die Spieler vor Verletzungen schützt. Auf jedem Quadratmeter landen im Schnitt fünf Kilo Gummigranulat, auf einem ganzen Fußballplatz liegen etwa 35 Tonnen und mehr.

Bei Stürzen, wie hier von Jason Knaus (12) von den Sportfreunden Troisdorf, schützt das Granulat den Spieler vor Schürfwunden.

Bei Stürzen, wie hier von Jason Knaus (12) von den Sportfreunden Troisdorf, schützt das Granulat den Spieler vor Schürfwunden.

Das Granulat muss immer wieder nachgefüllt werden, um Löcher zu stopfen, weil Wind, Regen und Reinigungsmaschinen die Substanz zwischen den Halmen herauslösen. Auch über die Schuhe der Spieler und ihre Kleidung werden die kleinen Körner vom Platz getragen. Fuchs: „Wir beobachten die Diskussion mit Sorge und hoffen, dass schnellstens Klarheit geschaffen wird. Eines ist jedenfalls klar: Die Vereine dürfen hier nicht allein gelassen werden.“

Kunstrasen ist eine der größten Quellen für Mikroplastik

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik haben in einer Studie festgestellt: Sportplätze mit Kunstrasen sind eine der größten Quellen von Mikroplastik. In Deutschland seien sie pro Jahr „für geschätzt bis zu 3000 bis 4000 Tonnen Mikroplastik in der Umwelt verantwortlich, die vom Platz getragen werden“, berichtet Projektleiter Jürgen Bertling. Grund genug, dass die EU-Kommission die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) beauftragt hat, Maßnahmen zu entwickeln, um den Einsatz von Mikroplastik zu verhindern.

Die ECHA empfiehlt ein Verbot der winzigen Plastikpartikel ab 2022. Das Verbot beträfe auch das Kunstrasen-Granulat. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat das Thema deshalb Anfang Mai mit Vertretern von Sportämtern diskutiert. Rainer Land, Leiter des Kultur- und Sportamtes beim Rhein-Sieg-Kreis, bestätigt dies: „Wir verfolgen das Thema ebenfalls aufmerksam und haben auch Informationen über die bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Sportämter erhalten.

Am Ende erwarten wir allgemeingültige Regeln und Empfehlungen der Fachleute, welche kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen sinnvoll sind.“ Wie beim Bau und dem Unterhalt der Sportplätze falle dies klar in den Verantwortungsbereich der Kommunen und – je nachdem, wie das vor Ort geregelt ist – auch der Vereine. „Vermutlich kommt jetzt erneut eine besondere Belastung auf diese Ebene zu.“

Kork als Alternative angedacht

Die Sportplatzbetreiber könnten statt des Gummis auch Quarzsand oder Kork verwenden, auf einem Teil der Plätze kommen diese Materialien schon jetzt zum Einsatz. Die Kosten für eine solche Sanierung schwanken zwischen 100 000 und 500 000 Euro. Das ist viel Geld für die Kommunen und erst recht für Vereine, die nicht selten auch Betreiber der Plätze sind. Um zu vermeiden, dass diese Kosten auf einmal anfallen, hat sich neben dem DOSB der Deutsche Fußballbund (DFB) eingeschaltet. Er fordert für die Umrüstungen eine Übergangsfrist von mindestens sechs Jahren. Die ECHA selbst wartet noch ab.

Bis September können sich die Betroffenen mit Anmerkungen an die Institution wenden, dann sollen ECHA und EU-Kommission innerhalb eines Jahres die endgültigen Details klären. Auch wenn diese bis jetzt noch nicht feststehen: Plätze mit Kunststoffgranulat sollten wohlweislich nicht mehr gebaut werden. Guido Fuchs sagt aber auch: „Quarzsand alleine ist keine Lösung. Und Kork muss die gleichen Eigenschaften besitzen wie Granulat hinsichtlich der Gleitfähigkeit und der unterschiedlichsten Witterungseinflüsse. Die langen Fasern beim Kunstrasen müssen aufrecht stehen bleiben. Sonst kommt es zu Brandverletzungen und Schürfwunden.“

Fraunhofer-Experte Bertling stellt fest: „Es gibt in der ganzen Thematik momentan noch mehr Fragen als Antworten. Ob Kork oder Sand die Lösung sind, wissen wir auch nicht.“ Schließlich liege der Bedarf an Gummigranulat in ganz Europa jährlich bei 250 000 Tonnen. „Ich weiß nicht, was die Korkeichen in Portugal dazu sagen, wenn sie jetzt als Ersatz herhalten sollen“, mutmaßt Bertling. „Vielleicht ist die Rückkehr zum Naturrasen auch eine sinnvolle Idee. Oder es werden andere Werkstoffe gefunden, die aber noch hergestellt werden müssen.“

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