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25 Jahre „Esperanza“Schwangere und junge Eltern in Rhein-Sieg sind immer häufiger in Notlagen

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Schwangerschaftsberatung Esperanza des SkF Rhein-Sieg und Bonn: Manuela Wittkowski, Ingrid Löhr und Ines Mildner-Rest

Manuela Wittkowski, Ingrid Löhr und Ines Mildner-Rest (v.l.n.r.) feiern das 25-jährige Bestehen der Schwangerschaftsberatung Esperanza.

Das Projekt des SkF unterstützt Eltern unter anderem bei finanzieller- und Wohnungsnot, dem Finden einer Hebamme oder einem Kita-Platz.

Eine junge Auszubildende, die bis kurz vor der Geburt nicht wusste, dass sie schwanger ist. Eine Geflüchtete, die in einer städtischen Unterkunft lebte, an einer Psychose litt und schwanger wurde. Oder eine Frau, die während ihrer Schwangerschaft mit Brustkrebs diagnostiziert wurde. Diese und viele weitere Frauen hat die Schwangerschaftsberatung „Esperanza“, ein Projekt des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis, in den 25 Jahren ihrer Existenz unterstützt.

„Im Grunde beraten wir zu allen Themen rund um Schwangerschaft und Geburt und schauen im Gespräch, was genau eine Frau braucht“, sagt Ingrid Löhr, die seit mehr als 20 Jahren bei Esperanza in Siegburg arbeitet. Generell berate man Ratssuchende vor, während und nach einer Schwangerschaft und bis zu drei Jahre nach der Geburt.

Gründung 2000: Bistum Köln verbot kirchlichen Trägern das Ausstellen von Beratungsnachweisen

Ein ähnliches Angebot, das auch Schwangerschaftskonfliktberatungen einschloss, gab es beim SkF schon vor der Gründung von Esperanza. Das Erzbistum Köln verbot katholischen Beratungsstellen jedoch im Jahr 2000, die für einen Schwangerschaftsabbruch notwendigen Beratungsnachweise auszustellen. Es folgte die Gründung von Esperanza, um dennoch weiter Hilfe für Schwangere anbieten zu können.

„Wir bieten auch heute Konfliktberatungen an, aber die Frauen kommen nicht mehr zu uns, da sie natürlich unter Zeitdruck stehen und einen Beratungsnachweis benötigen“, erklärt Ingrid Löhr. Die Frauen müssten danach also noch zu einer anderen Beratungsstelle gehen und zweimal ihre Geschichte erzählen, um einen Abbruch durchführen zu können. Dass der SkF diese Form der Hilfe nicht mehr leisten könne, sei sehr schade; das Beratungsteam verweise jedoch auf andere Anlaufstellen. 

Der Wohnungsmarkt grenzt ja viele Menschen aus, gerade wenn eine Person schwanger ist und bereits Kinder hat.
Manuela Wittkowski, Schwangerschaftsberatung Esperanza

Durch diese Entwicklung liege der Fokus von Esperanza heute auf frühen Hilfen. Vor allem hinsichtlich existenzieller Unterstützung junger oder werdender Eltern wachse der Bedarf - „wenn es um die Beantragung von Sozialleistungen geht, aber auch um das Thema Wohnungsnot“, sagt die Esperanza-Mitarbeiterin Manuela Wittkowski. „Der Wohnungsmarkt grenzt ja viele Menschen aus, gerade wenn eine Person schwanger ist und bereits Kinder hat. Dann ist die Wohnung zu klein oder es passt kein Kinderwagen rein – das ist oft ein großes Problem.“

Immer mehr junge Eltern in Rhein-Sieg sind von existenziellen Sorgen betroffen

Zunehmend treffen diese Probleme auch werdende Eltern in der Mittelschicht, da die Einkommen nicht so schnell ansteigen wie die Lebenshaltungskosten, so Wittkowski. Im Großteil der Beratungen spreche man daher über Möglichkeiten, neben dem Elterngeld finanzielle Unterstützung zu erhalten.

Vor allem Alleinerziehende seien nach wie vor stark von existenziellen Sorgen betroffen. „Die Frauen haben dann echt Angst: Ich habe jetzt schon zu wenig, wie soll das gehen, wenn ich dann im Elterngeld bin?“, beschreibt Ingrid Löhr. Hier spiele auch die Sorge um die berufliche Zukunft eine große Rolle.

Die Frauen haben dann echt Angst: Ich habe jetzt schon zu wenig, wie soll das gehen, wenn ich dann im Elterngeld bin?
Ingrid Löhr, Schwangerschaftsberatung Esperanza

Auch im Fall von Fehl- oder Totgeburten berät Esperanza. Oft gehe es außerdem um die zunehmend herausfordernde Suche nach einer Hebamme oder einem Kita-Platz. „Die Frauen, die gut informiert sind, rufen eine Hebamme an, sobald sie wissen, dass sie schwanger sind“, sagt Ingrid Löhr. Beispielsweise migrantische oder sozial benachteiligte Frauen wissen jedoch oft nicht von dieser Dringlichkeit, so Löhr.

Da Hebammen sehr hohe Versicherungsprämien haben, können weniger von ihnen freiberuflich arbeiten, viele müssen sich beruflich umorientieren, sagt Ingrid Löhr. Dazu komme, dass vermehrt kleinere Geburtskliniken schließen, was für Schwangere im ländlichen Raum teilweise enorme Anfahrtswege bedeute. „Ich finde diese Entwicklung gesundheitsgefährdend“, so Löhr.

Auch werdende Väter aus dem Rhein-Sieg-Kreis finden Rat bei Esperanza

Ein enges Netzwerk mit Hebammen, Kitas und Schwangerschaftsberatungen sei entscheidend für die Arbeit von Esperanza. Um die Beratungen niedrigschwellig zu halten und für Frauen im ganzen Rhein-Sieg-Kreis erreichbar zu sein, biete man diese von mehreren Standorten aus an. Zudem gibt es die Möglichkeit einer telefonischen oder Online-Beratung.

Sexualpädagogische Präventionsarbeit gegenüber Jugendlichen gehört ebenfalls zum Programm von Esperanza. Ein Tandem aus einer Beraterin und einem Berater besucht Schulen im Kreisgebiet und spricht über Verhütung, Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft. „Hier thematisieren wir auch Gewalt, wie man Grenzen setzt und nein sagt, mein Körper gehört mir“, erklärt Manuela Wittkowski.

Seit 2006 gehört auch eine Väterberatung zum Angebot von Esperanza, hierzu gibt es einen männlichen Ansprechpartner im Team. „Die Männer kommen mit ganz eigenen Themen“, berichtet Ingrid Löhr, „zum Beispiel: Die Schwangerschaft kam total überraschend – wie soll das werden?“ Auch in Trennungssituationen während der Schwangerschaft berate man Eltern gemeinsam, beispielsweise zu Unterhaltszahlungen.


Persönliche Beratungen der Schwangerschaftsberatung Esperanza sind in Troisdorf, Eitorf, Much, Neunkirchen-Seelscheid, Ruppichteroth, Königswinter, Bad Honnef, Bornheim und Meckenheim möglich. Beratungstermine können auch telefonisch oder online stattfinden. Weitere Informationen sind auf der Webseite des SkF Bonn und Rhein-Sieg zu finden.

Schwangerschaftsberatung Esperanza | Adresse: Hopfengartenstraße 16, 53721 Siegburg | Telefon: 02241 1466077 | E-Mail: esperanza@skf-bonn-rhein-sieg.de