EröffnungsspielWM-Start lässt Fußballfans in Rhein-Sieg kalt

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Im Sion im S-Carré in Siegburg blieb am Sonntag, 20. November, die Leinwand an der Decke. Marco Jacobs hatte die Gäste gefragt, und sie entschieden sich gegen die das Eröffnungsspiel der WM in Katar.

Im Sion im S-Carré in Siegburg blieb am Sonntag die Leinwand an der Decke. Marco Jacobs hatte die Gäste gefragt, und sie entschieden sich gegen die WM.

Die WM in Katar sorgt weltweit für scharfe Kritik. Viele Menschen fragen sich, ob sie das Turnier boykottieren sollten. Wir haben Fußballfans im Rhein-Sieg-Kreis gefragt, ob sie sich die Spiele anschauen.

Kann ich die Weltmeisterschaft gucken oder nicht? Voller Begeisterung und guten Gewissens die Fußballspiele verfolgen – oder gilt es, das umstrittene Turnier in Katar zu boykottieren? Es ist ein Dilemma, vor dem Millionen Fußballfans in Deutschland und natürlich auch in der Region stehen.

Die Berichte über Tausende verstorbene Arbeitsmigranten sowie Menschenrechtsverletzungen, gerade gegenüber Frauen und Menschen aus der queeren Community im Emirat, überschatteten seit langer Zeit die Vorfreude auf die WM. Zudem die Ansetzung im Winter, die neben Glühwein und Lebkuchen bei vielen Menschen nicht für sonderlich viel WM-Stimmung sorgt. Wir haben zum Start des Turniers ein Stimmungsbild im Rhein-Sieg-Kreis eingefangen.

Siegburger Kneipengäste winken ab

„Stell dir vor, es ist Fußball-Weltmeisterschaft, und niemand schaut hin“ – so lässt sich die Stimmung im Siegburger Sion im S-Carré beschreiben. „Wir lassen vielleicht die Leinwand runter“, hatte Mitarbeiter Marco Jacobs am frühen Nachmittag angekündigt. Von großem Andrang könne aber nicht die Rede sein. Kurz vor dem Anpfiff befragte er dann die Gäste – und die wollten sich beim Essen lieber nicht ablenken lassen.

Urlaub statt WM für Trainer des 1. FC Spich aus Troisdorf

Sauna statt Eröffnungsspiel hieß es am Sonntag für Stefan Bung, Trainer des Fußball-Landesligisten 1. FC Spich. Der 35-Jährige hat einen einwöchigen Urlaub in Südtirol der Fußball-Weltmeisterschaft vorgezogen. „Früher hätte man mich um vier Uhr nachts wecken können, und ich hätte alle Spiele des nächsten Tages auflisten können“, sagt Bung. Er wisse nur, dass in dieser Woche Deutschland spielen werde.

„Ich werde dann eher eine schöne Wanderung machen, denn mit 15 Grad ist es in den südlichen Alpen noch sehr mild. “ Er will sich das Spiel am Mittwoch um 14 Uhr nicht anschauen. Als Fußballfan hätte ihn bei früheren Weltmeisterschaften das Fieber längst gepackt, und die Nationalflagge und die Devotionalien hätte er aus dem Schrank geholt. „Das ist diesmal alles in der Schublade geblieben.“

Trainer aus Neunkirchen-Seelscheid ist zu sehr Fan für Boykott

Der Tag der WM-Vergabe an Katar sei kein schöner Tag für den Fußball gewesen, sagt Michael Theuer, Trainer der FSV Neunkirchen-Seelscheid. „Meine Stimme hätte Katar ganz sicher nicht bekommen.“ Dennoch, so Theuer, sei er zu sehr Fußballfan, um das Turnier komplett zu boykottieren. „In meiner Rolle als Trainer sind solche großen Fußball-Events zusätzlich noch extrem spannend. Da gibt es viel zu lernen.“

Illusionen dürfe sich ohnehin niemand machen. „Weltmeisterschaften werden verkauft, nicht vergeben.“ Schon immer hätten sich einzelne Menschen bereichert. WM-Stimmung sei bei ihm bislang aber noch keine aufkommen. Das, so hofft der 46-Jährige, werde sich aber spätestens am Mittwoch ändern, wenn die deutsche Nationalmannschaft in ihrem ersten Gruppenspiel auf Japan trifft.

WM in Katar: Siegburgs Karnevalsprinz ist zwiegespalten 

„Das ist eine zwiespältige Situation, besonders als Fußball-Fan. Ich werde wahrscheinlich kein Spiel gucken, allerdings habe ich in meinem unmittelbaren Umfeld Menschen, denen Fußball sehr wichtig ist“, sagt Clemens Troatz, seines Zeichens als Prinz Clemens I. im Siegburger Karneval unterwegs.

Natürlich sei es ein Fehler, die WM unter diesen Umständen auszutragen. Als diese Entscheidung getroffen wurde, seien die heutigen Kritiker aber noch nicht in Erscheinung getreten. „Man kann gegen die Zustände in Katar sein, aber ich finde es auch problematisch, wenn man dann ein Fan-Trikot kauft, das irgendwo in Bangladesch hergestellt wurde.“

Fußballfan aus Windeck: Zuschlag für Katar war falsch

Ginge es nach Gerd Hundeborn aus Windeck-Dreisel, dann hätte die Weltmeisterschaft gar nicht nach Katar vergeben werden dürfen. „Jetzt ist es Blödsinn, sich darüber aufzuregen“, meint der 70-Jährige. Geld regiere die Welt, das könne man der Fifa auch zum Vorwurf machen. Dennoch: „Ich schaue mir die Spiele an. Interessant sein wird der Umgang mit den Fans.“

Chef des Reissdorf am Hahnetor: TuS Oberpleis verdient Unterstützung

Der gebürtige Königswinterer Martin Schlüter lehnt die Weltmeisterschaft in Katar ab. „Das Gastgeberland, die Fifa und die Jahreszeit – all das ist eine Katastrophe“, sagte der Geschäftsführer der Gaststätte „Reissdorf am Hahnentor“ in Köln. Auch von seinen Gästen erlebe er meist Ablehnung. „Die Erwartungshaltung bei den Allermeisten ist, den Quatsch gar nicht zu zeigen“, sagt der 49-Jährige.

Auf Anfrage seiner Gäste würde er den Fernseher aber einschalten. Er selbst hat sich bereits ein Alternativprogramm für den kommenden Sonntag ausgeguckt, an dem die deutsche Nationalmannschaft auf Spanien trifft: „Ich werde an diesem Tag lieber nach Wiehl fahren und den TuS Oberpleis beim Auswärtsspiel unterstützen.“

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