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„Man kocht an den Haltestellen“Wetterexperte misst die Hitze in Bus und Bahn in Rhein-Sieg

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Karsten Brandt misst die Temperaturen am Gleisbett.

Karsten Brandt misst die Temperaturen am Gleisbett. Sie liegen oft zwischen 60 und 70 Grad Celsius.

Wie heiß wird es in Bussen und Bahnen im Rhein-Sieg-Kreis während einer Hitzewelle? Wir haben mit Meteorologe Karsten Brandt nachgemessen.

Beim Schritt über die Türschwelle in die Bahnlinie 66 Richtung Siegburg haut es uns sofort um. Die Luft ist stickig und fühlt sich irgendwie dick an. Der Bahninnenraum ist warm, viel zu warm. Das zeigt ein Temperaturmessgerät, das Meteorologe Karsten Brandt dabei hat. Lufttemperatur in der Bahn: knapp 34 Grad Celsius. Er hat auch ein Messgerät für die Luftfeuchtigkeit, eine Infrarot-Kamera und einen Hitze-Stress-Tracker mitgenommen.

Schon einmal ist der Wetterexperte Karsten Brandt, Chef des Wetterdienstes donnerwetter.de, mit unserer Redaktion in der Kreisstadt Siegburg losgezogen, um die heißesten Stellen in der Innenstadt zu finden. Das war in den heißen Juniwochen. Im August hat erneut eine Hitzewelle den Kreis erfasst. Und diesmal messen wir im Öffentlichen Personennahverkehr. Wie heiß wird es in einer Woche wie dieser in Bussen und Bahnen, wenn die Außen-Temperaturen auf bis zu 37 Grad klettern? Sind die Klimaanlagen ausreichend?

Wetterdienst warnt im Rhein-Sieg-Kreis vor extremer Hitze

Die 34 Grad in der Bahn sieht Brandt als zu warm an, aber „das könnte schlimmer sein“, sagt Karsten Brandt mit einem kritischen Blick auf sein Messgerät. Die Temperatur sei ähnlich, wenn man von draußen in die Bahn steige, kein großer Unterschied, das könne man noch aushalten. Warum war unser Schock dann so groß? Luftfeuchtigkeit ist die einfache Antwort. Sie liegt in der Bahn bei 55 Prozent, draußen bei 46 Prozent. „Damit kratzen wir in Kombination mit der Temperatur an einer unangenehmen Schwüle“, erläutert Karsten Brandt.

Für Mittwoch und Donnerstag hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine Warnung vor extremer Hitze in Teilen von Deutschland herausgegeben, so auch im Rhein-Sieg-Kreis. „Hitzebelastung kann für den Körper gefährlich werden und zu gesundheitlichen Problemen führen“, heißt es in der Warnung. Es wird geraten, ausreichend Wasser zu trinken und die Innenräume kühl zu halten.

Kurze Abstände zwischen Haltestellen machen Kühlung durch Klimatisierung schwierig

In Bussen und Bahnen ist das leichter gesagt als getan – und das, obwohl die meisten Fahrzeuge klimatisiert werden. Die Linie 66, zum Beispiel, wird von den Stadtwerken Bonn Bus und Bahn (SWB) betrieben. Sie fährt zwischen Siegburg und Ramersdorf/Königswinter. Diese Bahnen bestünden vor allem aus Fahrzeugen, die „durch das Projekt der Zweiterstellung nachträglich mit einer Klimatisierung ausgestattet“ worden seien, teilt ein Sprecher der SWB auf Anfrage mit.

Viel merken wir davon auf unserer Fahrt durch Sankt Augustin allerdings nicht. Das liegt auch am Haltestellentakt. „Die Anlagen sollen lediglich ein paar Grad Unterschied zur Außentemperatur herstellen“, sagt der Sprecher der SWB. Wenn durch die kurzen Abstände zwischen den Haltestellen aber die Türen in kurzen Abständen häufig geöffnet würden, beeinflusse das auch die Kühlleistung der Klimaanlage. Einen Einfluss habe auch die Sonneneinstrahlung durch große Fensterscheiben, betont Karsten Brandt.

Man kocht schon an den Haltestellen vor.
Meteorologe und Unwetterberater Karsten Brandt

Damit sei die Temperatur in der Bahn noch aushaltbar, findet Karsten Brandt. „Es geht schon irgendwie, aber gut ist es nicht.“ Alles über 30 Grad sei problematisch. Was helfe, sei ein Luftzug in der Bahn durch die gekippten Fenster. „Weil wir uns bewegen und den Wind spüren, empfinden wir die Hitze als weniger schlimm“, erklärt der Meteorologe.

Anders ist es außerhalb der Bahn. „Man kocht schon an den Haltestellen vor“, sagt Karsten Brandt. Denn oft gebe es an Bus- oder Bahnhaltestellen nur wenig Schatten. Steht man in der prallen Sonne, wird das schnell unangenehm.

Wenig Schatten findet sich an der Haltestelle der 66 in Hangelar West. Eine Pendlerin schützt sich mit einem Tuch auf dem Kopf vor der knalligen Sonne.

Wenig Schatten an der Haltestelle der 66 in Hangelar West. Eine Pendlerin schützt sich mit einem Tuch auf dem Kopf vor der knalligen Sonne.

Er misst an den Gleisen und Bushaltestellen in Sankt Augustin-Zentrum die Temperatur am Boden und an den Gleisen. Die Gleise könnten schon mal bis zu 80 Grad heiß werden, stellt Brandt fest. „Damit fährt die Bahn schon in einem überaus aufgeheizten Bereich.“

35 Grad zeigt die Anzeige für die Umgebung der Wartenden an der Bushaltestelle an. Auch hier: kein Schatten, das Wartehäuschen hat zwar ein Dach, aber es ist aus Milchglas. „Das bringt nichts“, konstatiert Brandt.

Mit der Infrarot-Kamera werden die Temperaturen sichtbar. Dunkle Stellen sind kühler, rote und helle Stellen heiß.

Mit der Infrarot-Kamera werden die Temperaturen sichtbar. Dunkle Stellen sind kühler, rote und helle Stellen heiß.

Die Erleichterung kommt im Bus. Die Klimaanlage läuft, es ist nicht allzu voll. Knapp 26 Grad misst Karsten Brandt im Innenraum. „Das ist richtig gut“, lobt er. Hier lasse es sich angenehm mitfahren. Und die Temperatur sei auch für das Fahrpersonal besser. „Man kann sich konzentrieren und ist nicht so fehleranfällig wie bei großer Hitze“, betont Brandt. Hier ist auch die Luftfeuchtigkeit niedriger. 42 Prozent misst das Gerät, zehn Prozent weniger als in der Bahn. „So ist das alles aushaltbar.“

Im klimatisierten Bus landen wir bei einer Temperatur von rund 26 Grad.

Im klimatisierten Bus landen wir bei einer Temperatur von rund 26 Grad.

Wir steigen um. An der nächsten Haltestelle in Sankt Augustin gibt es immerhin Schatten. Ein Baum steht direkt an der Haltestelle. Doch auch im Schatten bleibt es jetzt bei rund 35 Grad. Das ist wohl auch der heißesten Zeit des Tages am Nachmittag geschuldet. Eine Frau an der Bushaltestelle holt ihren Fächer heraus, fächelt sich Luft zu.

35 Grad im Schatten misst Karsten Brandt an einer Bushaltestelle.

35 Grad im Schatten misst Karsten Brandt an einer Bushaltestelle.

Als eine Frau neben ihr atemlos zum Stehen kommt, reicht sie ihr den Fächer vorübergehend. Sie nimmt ihn dankend an. „Tja, durch die Hitze muss man durch, nicht wahr“, sagt die Frau, der der Fächer gehört. Sie möchte nicht mit Namen genannt werden. Ihrer Meinung nach seien Busse und Bahnen oft nicht genug klimatisiert.

Laut Aussage der Rhein-Sieg Verkehrsgesellschaft (RSVG) sind derzeit 80 Prozent der 202 Busse klimatisiert. Im Jahr 2025 sollen 100 Prozent Klimatisierung erreicht werden. Dafür erhält die RSVG von Dezember bis Mai 45 neue Busse.

„Es werden auf jeden Fall auf lange Sicht noch mehr heiße Tage kommen“, prognostiziert Karsten Brandt. Es müsse daher noch nachgebessert werden im ÖPNV, allein um der Gesundheit willen. Das macht auch der nächste Bus deutlich, der uns nach Siegburg bringt. Hier gibt es zwar eine Klimaanlage, wie der Busfahrer versichert, aber davon ist nichts zu spüren. Im Innenraum misst Brandt 38 Grad Celsius und 52 Prozent Luftfeuchtigkeit. „Eine fahrende Sauna“, bemerkt er trocken.

Im Bus ohne merkliche Klimaanlage sind es 38 Grad Luft-Temperatur. Am Fenster mit Sonneneinstrahlung steigt die fühlbare Temperatur aber sogar auf rund 50 Grad.

Im Bus ohne merkliche Klimaanlage sind es 38 Grad Luft-Temperatur. Am Fenster mit Sonneneinstrahlung steigt die fühlbare Temperatur aber sogar auf rund 52 Grad.

Misst er an einem Fensterplatz mit Sonneneinstrahlung, wird es sogar noch schlimmer: 52 Grad beträgt hier die fühlbare Temperatur. In Siegburg steigen wir etwas gerädert aus. Jetzt erstmal ein Eis.