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Kommunikation bei KatastrophenNotfunkidee aus Sankt Augustin kann Menschenleben retten

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Notfunkgruppe Rhein-Sieg-Kreis; Volker Nelles, stellvertretender Vorsitzender des DARC (links), und Gerald Schuler an der Notfunkstation.

Volker Nelles, stellvertretender Vorsitzender des DARC (links), und Gerald Schuler an der Notfunkstation.

In Sankt Augustin wurde ein Weg entwickelt, Funkverbindungen für den Fall herzustellen, dass Netze zusammenbrechen.

Volker Nelles und Gerald Schuler aus Sankt Augustin haben eine Lösung gefunden, wie bereits kurz nach Eintritt von Katastrophen die Kommunikation abseits der üblichen Wege wiederhergestellt werden kann. Beide sind Mitglieder im Deutschen Amateur-Radio-Club (DARC) und in der Notfunkgruppe Rhein-Sieg aktiv. „Beim schweren Hochwasser-Unglück an der Ahr hätten wir mit einem Not-Richtfunk-Netzwerk zügig Verwaltungen und Hilfsorganisationen unterstützen können“, sagt Schuler.

Bei der Flutkatastrophe am 14. und 15. Juli 2021, die das Ahrtal heimsuchte, waren ganze Ortschaften über einen längeren Zeitraum von der Außenwelt abgeschnitten. „Die Fernmelde- und die Stromversorgungsnetze waren zusammengebrochen. Stellenweise waren der Mobilfunk und das Telefonnetz ausgefallen. Auch der Behördenfunk, Tetra, war davon betroffen, dies erschwerte die Arbeit der organisierten Rettungsgruppen erheblich. Leider waren wir damals noch nicht so weit, ein solches Netz bereitzustellen“, berichtet Nelles.

Alternative Datenleitungen über Richtfunkverbindungen sind die Lösung bei Katastrophen

„Diese Situation haben wir am Computer und vor Ort analysiert und eine netzstromunabhängige, mobile und preiswerte Notfunkmöglichkeit geschaffen“, erklärt Nelles. Alternative Datenleitungen über eine Richtfunkverbindung seien die passende Lösung. Diese Verbindung sei sicher und verschlüsselt. Damit stünden Behörden und Hilfsorganisationen im Notfall wieder Datendienste zur Verfügung, um Laptops, Tablets oder andere Datengeräte wie gewohnt zu nutzen.

Auch Autos wurden in der Unglücknacht von den Fluten der Ahr weggespült.

Auch Autos wurden in der Unglücknacht von den Fluten der Ahr weggespült.

„Per WLAN-Call, eine Funktion, die in jedem neueren Handy verfügbar ist, ist man in der Nähe der Endstelle unter seiner normalen Rufnummer im Katastrophengebiet erreichbar“, erklärt Schuler. Rund 500 Euro kostet eine mobile Richtfunkeinheit inklusive notwendiges Zubehör wie Mast und aufladbare Batterie. Allerdings braucht es dazu immer eine Sichtverbindung. Wenn also eine Ortschaft im Tal liegt, kann auf dem üblichen Weg über Richtfunk kein Kontakt aufgenommen werden, wenn ein Berg den Weg versperrt.

„Hier kommt nun die Relaisstelle ins Spiel“, erklärt Schuler. „Sie kann zum Beispiel auf einer Bergspitze positioniert werden und so beide Täler miteinander verbinden, die Signale werden von der einen Seite aufgenommen und zum anderen Tal weitergeleitet.“

Die Batterien für die Notfunkstationen wurden in alte Munitionskisten der  Bundeswehr untergebracht.

Die Batterien für die Notfunkstationen wurden in alte Munitionskisten der  Bundeswehr untergebracht.

Die Notfunkgruppe hatte im Herbst 2024 mit einigen ihrer 16 Mitglieder die Strecke Linz-Landskrone-Bad Neuenahr computersimuliert und anschließend ihr System in der Praxis getestet. „Es funktionierte einwandfrei“, sagt Nelles. Als Standorte für die Relaisstellen böten sich außer Bergen auch Dächer von hohen Bürokomplexen an.

Eine Sichtverbindung in weit entfernte Orte ist für die bis zu zwölf Kilometer lange Funkstrecke wichtig

Von ihnen aus gebe es meist eine Sichtverbindung in weit entfernte Orte. Mit den verwendeten einfachen Geräten könne gut zwölf Kilometer Funkstrecke überbrückt werden. Damit könnten mittels Richtfunkstrecke im Katastrophengebiet Menschen wieder per Handy erreichbar sein und problemlos nach außen kommunizieren sowie Laptops und Internetverbindungen verschlüsselt nutzen.

Kurz nach der Flutkatastrophe in Altenahr: Die Polizei hat Teile der Stadt abgesperrt.

Kurz nach der Flutkatastrophe in Altenahr im Juli 2021: Die Polizei hat Teile der Stadt abgesperrt.

Versorgt werden die kleinen und mit zehn Kilogramm leicht transportablen Relaisstellen mit Akkus, die bis zu vier Tage Energie liefern können. Sie können nach dieser Zeit problemlos ausgetauscht werden. „Damit die Akkus wassergeschützt verpackt sind, werden sie in robuste Munitionskisten der Bundeswehr aus Stahl eingebaut, die preiswert im Internet zu bekommen sind“, sagt Nelles.

„Unser System hat zudem den Vorteil, dass es unabhängig vom Starlink-Angebot eines ausländischen Satellitenbetreibers ist“, betont Schuler. Es wäre somit eine Möglichkeit, unabhängig von Launen der Politiker und Industriellen auf der anderen Seite des Atlantiks zu sein. Die Notfunkgruppe ist bereit, das System Behörden vorzustellen und zu testen.


In der Notfunkgruppe Rhein-Sieg-Kreis werden noch Helfer gesucht. Wer Interesse an einer solchen Tätigkeit oder am Amateurfunk hat, wird gebeten, sich bei Gerald Schuler per E-Mail zu melden. Die Notfunkgruppe hat keine Absicht Gewinn zu erzielen und wird nicht von Herstellern oder Lieferanten solcher Systeme unterstützt, sondern finanziert sich gänzlich aus privaten Mitteln und ist auf Spenden angewiesen.