Galerie RadickeKunst von Weltrang im Sankt Augustiner Reihenhaus

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Die Kunst schaut den Betrachter an: Die Arbeiten von Katharina Gerold in der aktuellen Ausstellung überraschen, die ausgetüftelte Hängung schafft Blickachsen.

Die Kunst schaut den Betrachter an: Die Arbeiten von Katharina Gerold in der aktuellen Ausstellung überraschen, die ausgetüftelte Hängung schafft Blickachsen.

Sankt Augustin – Ein fensterloses Gebäude als Galerie, durch einen Plexiglas-Tunnel mit dem benachbarten Wohnhaus verbunden – so hatte Jutta Radickes Vision eines Miteinanders von Kunst und Alltag ausgesehen. Ein Plan, der im Bauamt der Stadt Sankt Augustin allerdings nur für Stirnrunzeln sorgte. Auch deshalb war die Galerie, die Radicke schließlich im Oktober 1975 im Souterrain ihres Reihenhaus-Bungalows in Hangelar eröffnete, nur als Übergangslösung gedacht.

Aus dem Provisorium ist längst eine Institution geworden. „Schon mit der dritten Ausstellung waren wir im überregionalen Feuilleton“, erinnert sich Radicke heute. Dabei hatte der erste ausgestellte Künstler, der „Action Painter“ Shmuel Shapiro, der jungen Galeristin vor allem horrende Telefonrechnungen beschert, ihr allerdings auch einen Heiratsantrag gemacht.

Who is Who der Kunstszene

Für gut 500 Ausstellungen hat die gebürtige Norddeutsche seitdem das „Who is Who“ der deutschen zeitgenössischen Kunst nach Sankt Augustin geholt. Hochkaräter wie Markus Lüpertz, Jörg Immendorff, A.R. Penck, oder Georg Baselitz stellten hier ebenso aus wie Talente, die Radicke auf Kunstmessen entdeckt oder empfohlen bekommt: „Galeristen zeigen ja gerne das, von dem sie glauben, dass es sich gut verkauft. Ich entscheide aber, welche Kunst ich für zwei Monate unter meinem Dach haben will.“

Mit Mundpropaganda, ihrem Renommee und einer guten Portion Selbstbewusstsein gewann sie auch Künstler, deren Werke für Millionenbeträge gehandelt werden: „Ich habe eigentlich jeden bekommen, den ich ausstellen wollte“, sagt die Gastgeberin, die zeitweise parallel eine Galerie in Washington geführt und mit einer weiteren in Paris geliebäugelt hatte.

Ergänzt werden die Ausstellung durch Konzerte, Lesungen und Kleinkunstabende, an denen Größen wie Hanns Dieter Hüsch, Robert Kreis oder Dieter Nuhr auftraten. Sie stehen für das Konzept des Kultur-Salons, für das sich Radicke schon als 13-Jährige begeistern konnte – und für das sie aus dem Internat ausgebüxt ist.

Neue Blickwinkel

Im Mittelpunkt stehen aber die Ausstellungen im Untergeschoss des Wohnhauses: „Ich bin die einzige, die »Keller« dazu sagen darf“, stellte Radicke klar. Auf gut 110 Quadratmetern bieten die verwinkelten Räume reichlich Fläche, um Bilder zu hängen oder Skulpturen zur positionieren. Die meisten der holzvertäfelten Räume sind schwarz gestrichen: „So kann ich mehr Arbeiten unterbringen. Schwarz trennt die Bilder besser voneinander.“

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Tagelang tüftelt Radicke an dem Arrangement ihrer Ausstellungen, akribisch schafft sie Bezüge und Blickachsen zwischen den Exponaten, eine Arbeit, bei der sie nicht gestört werden will. Ein Konzept, das auch bei der aktuellen Ausstellung mit Arbeiten von Katharina Gerold, Hans-Ruprecht Leiß, Jürgen Marose, Verena Vernunft, Peter Hermann und Tamara Suhr wunderbar aufgeht.

Hier bietet jeder Raum neue Blickwinkel, Ansichten und Überraschungen, wobei die Exponate sich gegenseitig zu befruchten scheinen. Die Vielschichtigkeit zahlt sich aus: Einige Arbeiten haben bereits neue Besitzer gefunden.

Die aktuelle Ausstellung in der Galerie Jutta Radicke, Eisenachstraße 33, läuft noch bis zum 15. Januar. Öffnungszeiten: täglich nach Vereinbarung unter 02241/33 57 73, dienstags „open house“ 16-22 Uhr. www.galerieradicke.de

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