„Wissen nicht, wo sie geblieben sind“Wie Betriebe in Rhein-Sieg Auszubildende suchen

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Unternehmen stellten sich auf der Berufsstarterbörse in Siegburg vor.

Siegburg – Wenn Ralf Bauer einen Ausbildungsplatz fürs Büro ausschreibt, dann hat er dafür schnell 50 Bewerbungen auf dem Tisch liegen. „Ganz anders“ sieht es hingegen aus, wenn er Auszubildende für die Produktion der Firma Liberio Naturstein in Troisdorf-Bergheim sucht. Und damit ist er nicht allein, wie ein Besuch der Berufsstarterbörse „Talente im Dialog“ der Kreiswirtschaftsförderung zeigt.

Es sei schwierig, passende Bewerber zu finden, erklärten unisono Ausbilderin Nadine-Denise Geloso und ihre Kollegin Kerstin Abel, zuständig fürs Ausbildungsmanagement bei der IHK Bonn/Rhein-Sieg. Eltern und Schulen müssten für das Thema Ausbildung mehr Werbung machen, fordern sie. Zudem werde, wer das Gymnasium besuche, gar nicht mehr mit dem Thema konfrontiert.

Einige Unternehmen versuchen, Interessierte mit Dienstwagen zu locken

Dabei sei vielen jungen Leuten gar nicht bewusst, welche Möglichkeiten der weiteren Qualifikation sie hätten und dass auch der Weg zum Studium über eine Ausbildung führen könne. Abgesehen davon, dass man ohne Studium auch durchaus mehr verdienen könne.

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Mit Dienstwagen, Handy oder Laptop versuchten Unternehmen einzelner Branchen, Interessierte zu locken, berichtet Ausbildungsberater Dennis Kotzias. „Sehr oft“ werde ein Jobticket angeboten. Und bei vielen Gesprächen spielt die „Work-Life-Balance“ eine Rolle, wird zum Beispiel nach einer Vier-Tage-Woche gefragt.

Einen schweren Stand hatte an diesem Tag Oliver Sturm, Aus-und Weiterbildungsleiter beim Fleischverarbeiter Rasting. „Das Thema Fleisch schreckt viele ab“, sagte er. Mit übertariflicher Vergütung und Übernahme der Fahrtkosten zwischen Wohnort und Berufsschule möchte das Unternehmen für sich werben, zehn junge Leute haben in diesem Jahr ihre Ausbildung an den Standorten Meckenheim und Essen begonnen.

Dehoga: Personalprobleme haben alle Betriebe in Rhein-Sieg

Mit seinen Erwartungen für die Messe zeigte Sturm sich zurückhaltend. „Wenn wir zwei Bewerber rausziehen, die eine Ausbildung machen, ist es schon ein Erfolg.“ Zur Frage nach Auszubildenden oder Fachkräften sagte Matthias Johnen, stellvertretender Geschäftsführer im Hotel- und Gaststättenverband Dehoga für den Regierungsbezirk Köln: „Wir wissen alle nicht, wo sie geblieben sind.“ Personalprobleme hätten alle: „Man muss was tun.“

Von Verlockungen wie Laptops oder Handys beim Abschluss eines Ausbildungsvertrags halte er aber nichts. „Ich muss mit dem Produkt überzeugen.“

Troisdorfer Jugendbüro: Firmen sind durch Personalnot viel flexibler geworden

Das versucht auch Ursula Suchier, pädagogische Mitarbeiterin der Karl-Borromäus-Schule für Gesundheitsberufe in Bonn, im Werben für die generalisierte Pflegeausbildung. „Es ist ein sehr schöner Beruf mit ganz vielen Aufstiegschancen“ – auch in ein Studium hinein. Interesse zeigten auf der Messe im Rhein-Sieg-Forum durchaus viele junge Menschen. „Die Frage ist, wie viele Bewerbungen eingehen.“ Am 1. September waren 28 von 84 Plätzen in den Schulkursen, unter anderem für Nachwuchs-Pflegekräfte der GFO Kliniken, unbesetzt geblieben.

Viele positive Seiten konnte Annemarie Nagel-Meier vom Troisdorfer Jugendbüro für Ausbildung und Beruf der Situation am Arbeitsmarkt abgewinnen. „Auf einmal sind die Firmen hochflexibel“, hat sie festgestellt: Die Bewerbungsfrist werde verlängert, auch über einen späteren Start ins Ausbildungsjahr lasse sich reden. Und auch junge Leute, die einen eher holprigen Weg in den Beruf hinter sich bringen müssten und dafür vom Jugendbüro gefördert würden, „kriegen leichter einen Fuß in die Tür“.

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