Siegburger StadtentwicklungDie Technische Beigeordnete liebt den Geruch von Beton

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Nach 16 Amtsjahren im Ruhestand: Siegburg erste Dezernentin Barbara Guckelsberger

Siegburg – Rathaus-Sanierung, ECE-Shopping-Mall, Mobilität und Klimaschutz, als Technische Beigeordnete der Kreisstadt Siegburg hat Barbara Guckelsberger hat 16 Jahre lang hautnah miterlebt, wie politisch und spannend Architektur sein kann. 1993 hatte sie ihre ersten Tag im Rathaus, heute tritt sie den Ruhestand an und blickt im Interview mit Andreas Helfer zurück.

Warum haben Sie Architektur studiert?

Das lag nahe, ich bin in einem Architektenhaushalt aufgewachsen. Es wird berichtet, dass ich schon als Kleinkind unter dem Schreibtisch gesessen und gemalt und gezeichnet habe. In der Schule habe mich für vieles interessiert, ich hätte auch Juristin oder Bibliothekarin werden könne. Aber ich liebe den Geruch von Beton und bin schon als Kind mit meinem Vater über die Baustellen gezogen.

Zur Person

Barbara Guckelsberger wurde am 26. August 1962 in Gütersloh geboren, 1969 zog die Familie nach Alfter. Nach dem Abitur am Gymnasium Bonn-Duisdorf studierte sie an der RWTH Aachen Architektur und absolvierte Praktika in mehreren Gewerken. 1989/90 folgte der Abschluss als Diplom-Ingenieurin mit Fachrichtung Architektur.

Nach der Mitarbeit in einem Düsseldorfer Architekturbüro begann sie 1991 bis 1993 ein Referendariat für den höheren bautechnischen Dienst in der Bauverwaltung des Landes NRW, 1993 machte sie den Abschluss als Bauassessorin. Im gleichen Jahr bewarb sie sich erfolgreich in Siegburg und übernahm die Leitung des Bauaufsichtsamts, 2000 auch des Planungsamts in einem Gesamtamt.

Zur Technischen Beigeordneten wurde sie 2005 gewählt, als bislang erste Dezernentin Siegburgs. 2013 erfolgte die Wiederwahl. Sie wohnt mit ihrem Lebensgefährten in der Nordstadt. Ihr Nachfolger ist seit Anfang September der vorherige Leiter des Planungsamts, Stephan Marks. (ah) 

Wenn andere Mädchen in einer Herzchen-Lederhose rumliefen, dann hatte ich eine Lederhose, in der man ein Senkblei und einen Zollstock unterbringen konnte. Ich bin da reingewachsen, fand das immer gut, richtig und schön. Auch, wenn ich im Praktikum mit der Hilti Leitungsschlitze ziehen musste und höllischen Muskelkater bekam.

Was bewegte Sie zu einer Verwaltungslaufbahn?

Es stand durchaus zur Debatte, dass ich das Architekturbüro meiner Eltern weiterführen würde, aber ich fand die Symbiose von Bauen, Recht und Verwaltung hochinteressant, gerade in einer Kommune und nicht etwa in der Staatsbauverwaltung. In einer Stadt gehen die Dinge viel schneller, da läuft es zackig, die Entscheidungen werden vor Ort getroffen. Man sieht die Entwicklung und die Ergebnisse der eigenen Arbeit und begleitet Projekte von der Idee bis zur Fertigstellung.

Wie haben Sie die ersten Tage in der Siegburger Stadtverwaltung in Erinnerung?

Als ich mit 31 Jahren Amtsleiterin für die Bauaufsicht wurde, war Verwaltungshandeln im Umbruch. Routinen brachen auf, es gab erst einen einzigen Computer im Bauaufsichtsamt. Es war üblich, Fragen zu formulieren und in Mappen weiterzureichen, anstatt die Kollegen direkt anzusprechen. Ich kam völlig unbedarft von außen und habe die Kollegen aus den anderen Ämtern direkt angesprochen und um Rat und Einschätzungen gebeten, da waren viele Leute wohl erst einmal verdattert.

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Wie war Ihr Verhältnis zu den Bürgermeistern?

Bürgermeister Rolf Krieger hat mich immer sehr unterstützt, er konnte sich ich sehr gut in Stadtplanung hineindenken und hat ein sehr gutes Vorstellungsvermögen. Er kämpfte für seine Ziele, seine Beharrlichkeit hat sich beispielsweise beim Bau des ICE-Bahnhofs ausgezahlt. Einen Spruch von ihm habe ich mir angeeignet: „Man kann alles ändern, solange der Beton noch nicht hart ist.“ Eingestellt hatte mich der damalige Stadtdirektor Konrad Machens. Er hat seine Verwaltung sehr sachorientiert geführt und uns Amtsleitern viele Freiheit gelassen.

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Krieger war als ehemaliger Teil einer Doppelspitze auch als hauptamtlicher Bürgermeister sehr politikverbunden, Franz Huhn habe ich eher als Chef der Verwaltung erlebt. Vor allem in Bürgerinformationsveranstaltungen waren wir ein gutes Team. Meinem letzten Chef Stefan Rosemann bin ich sehr dankbar: Er hat mich sehr freundlich, fair und kollegial durch mein letztes Dreivierteljahr gelotst.

Eine prägende Persönlichkeit für Siegburg ist der im März verstorbene Architekt Hartmut de Corné gewesen. Wie sehen Sie seine Arbeit?

De Corné habe ich als Planer und Visionär geschätzt, ohne ihn wäre Siegburg städtebaulich ärmer. Seine Arbeit hat gute Ergebnisse für die Stadtgesellschaft gebracht, er hatte ein sehr gutes Gefühl für die Maßstäblichkeit der Stadt. Ich fände es schön, wenn die Marktpassage, die er entworfen hat, restauriert und erhalten würde.

Was hat sich geändert, als Sie Dezernentin wurden?

Ich musste lernen, politisch zu denken, in Strategien und politisch motivierten Argumentationslinien. Das ist mir anfangs nicht leichtgefallen, auch Dinge umzusetzen, die ich anders sah. Aber letztlich gab es in jeder Ratsfraktion Stadtverordnete, mit denen ich gut zurechtgekommen bin. Wichtig ist, offen miteinander zu reden und in der Politik nicht Maßnahmen, sondern Ziele zu formulieren und Konzepte zu entwickeln. Das Dezernat habe ich versucht, nicht autoritär, sondern kooperativ und teamorientiert zu führen. Das wird insbesondere Frauen ja auch schon mal gerne als Schwäche ausgelegt, aber ich hatte ein großartiges Team im gesamten Dezernat, partnerschaftliches Arbeiten hat nach meinem Empfinden gut funktioniert.

Viele Projekte in Siegburg waren hochpolitisch, vor allem der Bau einer großen Shopping-Mall durch den Investor ECE, der 2010 an einem Bürgerentscheid scheiterte. Wie hat sich das auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Die Grundidee fand ich nicht schlecht, aber es war schade, dass wir nicht weiterplanen durften. Das hätte sich gelohnt, aber es kam zu einem sehr frühen Zeitpunkt zum Scheitern im Bürgerentscheid. Es gab keine wirkliche, unbelastete Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen, stattdessen wurde der Bau mit der Fragestellung verknüpft „Wollen Sie, dass das Rathaus bleibt?“ Ich bin kein Schwarz-Weiß-Mensch, die Dinge haben viele Facetten. Ich hätte mir eine offenere städtebauliche Struktur anstatt einer geschlossenen Mall an der Stelle durchaus vorstellen können.

Ihr alter Arbeitsplatz am Nogenter Platz ist schon geräumt, das Rathaus wird saniert. Wie stehen Sie dazu?

Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich die Sanierung gegenüber einem Neubau bevorzuge. Mir ist Respekt vor dem Werk der Vorgegangenen wichtig, sich mit den Dingen, die sind, zu befassen und sie wertzuschätzen. Andere Menschen zu anderen Zeiten haben auch schon gute Dinge entwickelt. Ich sehe es auch nicht als Aufgabe einer Technischen Beigeordneten, Werke zu hinterlassen wie ein Stadtbaurat im 19. Jahrhundert. Ich habe meine Aufgabe darin gesehen, mit meinem Team Entwicklungen anzustoßen, politische Entscheidungen vorzubereiten und umzusetzen und für die Bürger Bauen verständlich und nachvollziehbar zu machen.

Wie fühlt es sich an, in den Ruhestand zu gehen?

Seltsam, als würde ich aus einem fahrenden Zug aussteigen, viele wichtige Aufgaben gehen ja weiter, zum Beispiel die Sanierungen von Rathaus- und Schulzentrum Neuenhof. Ich habe mir immer vorgestellt, am letzten Tag würde ich ein fertiges Paket abgeben und gehen. Aber Überraschung: Das ist ganz anders.    

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