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Immer mehr BetroffeneWohnungslosigkeit in Rhein-Sieg: So helfen der SKM und Wolfgang Overath

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Wolfgang Overath, SKM-Vorsitzender Markus Kühn, Bert Becker (Fachbereichsleitung Wohnungslosenhilfe SKM)

Wolfgang Overath, Markus Kühn (Geschäftsführer SKM Rhein-Sieg) und Bert Becker (Fachbereichsleitung Wohnungslosenhilfe SKM)

Seit mehr als 30 Jahren setzt sich die Fußball-Legende mit dem SKM Rhein-Sieg für Menschen ein, die von Wohnungsnot und Armut betroffen sind.

„Das Allerwichtigste war, ein Dach über dem Kopf zu haben“, sagt Robert Schmitz (Name geändert). Der 42-Jährige kam im September dieses Jahres nach dreieinhalb Jahren aus dem Gefängnis, hatte keine Wohnung und keine Angehörigen, bei denen er hätte unterkommen können. „Ich habe mir also ernsthaft Sorgen gemacht, wo ich schlafen kann.“ 

Noch am Tag seiner Entlassung konnte er sich beim Siegburger Don-Bosco-Haus vorstellen und bekam so erst einmal eine sichere Unterkunft. „Dann war die größte Sorge weg, und ich konnte mich auf andere Dinge konzentrieren.“

Fußball-Legende Overath möchte Menschen dabei unterstützen, ins Leben zurückzufinden

Der Ex-Profikicker Wolfgang Overath unterstützt mit dem SKM im Rein-Sieg-Kreis durch den Wolfgang-Overath-Fonds Menschen wie Robert Schmitz, die von Wohnungslosigkeit oder Armut betroffen sind. Am kommenden Sonntag, 14. Dezember, feiern der SKM und Overath mit Betroffenen zum 29. Mal eine Weihnachtsfeier. „Wir möchten es den Menschen ermöglichen, für ein paar Stunden ihre schwierige Lebenssituation hinter sich zu lassen“, sagt der SKM-Geschäftsführer Markus Kühn.

Ich hab das Glück gehabt, dass der Herrgott mir ein bisschen Gefühl in die Füße mitgegeben hat und in den Kopf. Deswegen lebe ich seither auf der Sonnenseite der Welt.
Wolfgang Overath

Mit Mitteln aus dem Fonds können Betroffene einzelne Hilfen zur Sicherung einer Unterkunft erhalten. Dazu gehört die Unterstützung bei bürokratischen Angelegenheiten, bei der Wohnungs- und Jobsuche, aber auch die Unterstützung in Form von Geld spiele eine wichtige Rolle, sagt Markus Kühn. Beispielsweise stelle man finanzielle Mittel bereit, wenn es um das Beschaffen existenzieller Dinge wie Möbel, einer neuen Brille oder einen Führerschein für den Job gehe: „Mittel, die Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit unterstützen.“

Robert Schmitz (Name geändert) fand nach seiner Haft Unterstützung beim SKM.

Robert Schmitz (Name geändert) fand nach seiner Haft Unterstützung beim SKM.

„Das Ganze ist dadurch entstanden, dass ich selbst aus relativ einfachen Verhältnissen komme“, sagt Wolfgang Overath. „Ich hab das Glück gehabt, dass der Herrgott mir ein bisschen Gefühl in die Füße mitgegeben hat und in den Kopf. Deswegen lebe ich seither auf der Sonnenseite der Welt. Und es ist die Aufgabe von uns, denen es besser geht, den anderen zu helfen.“ 

Wohnungslosigkeit im Rhein-Sieg-Kreis steigt: Auch immer mehr jüngere Menschen betroffen

Die jährliche Weihnachtsfeier sei ihm wichtig, um von Wohnungslosigkeit und Armut Betroffenen Mut zu machen, sich mit ihnen auszutauschen und Perspektiven aufzuzeigen. „Das ist die größte Freude, wenn man sieht, dass diese Menschen wieder zurückgeführt werden in die Gesellschaft und dort auch Anerkennung finden“, schildert Overath. „Das Wichtigste ist, dass die Menschen das Gefühl haben, man hilft ihnen.“

Es freue ihn immer wieder, bei den Weihnachtfeiern zu sehen, wie Menschen Wege aus der vermeintlichen Ausweglosigkeit hätten finden können. Was ihn traurig mache, sei, dass sich die Zusammensetzung Gäste geändert habe: Wo es früher vor allem ältere, alleinstehende Männer gewesen seien, seien es jetzt auch viele jüngere Menschen, auch Familien mit kleinen Kindern. 

Das sind Leute, neben die setzt du dich in der Straßenbahn, und du merkst nicht, dass sie wohnungslos sind.
Bert Becker, Fachbereichsleiter der Wohnungslosenhilfe beim SKM

Insgesamt steige im Rhein-Sieg-Kreis die Anzahl an Wohnungslosen, sagt Markus Kühn. Im gesamten Rheinland sei die Region am stärksten von Wohnungslosigkeit betroffen. „Es fehlt zum einen an bezahlbarem Wohnraum, auch an Wohnmöglichkeiten, die in besonderen Lebenssituation hilfreich sein können und mit einer bestimmten Betreuung verbunden sind.“

Aktuell seien allein im Don-Bosco-Haus rund 330 Personen registriert, die keine eigene postalische Adresse hätten, die Zahl wachse stetig. Nach wie vor passiere zu wenig im öffentlich geförderten Wohnungsbau, sagt Bert Becker, Fachbereichsleiter der Wohnungslosenhilfe beim SKM. Unterstützung in Einzelfällen könne diese sich verschärfende Problematik auf Dauer nicht eindämmen.

Wohnungslosigkeit sieht man den Menschen nicht immer an

„Das sind Leute, neben die setzt du dich in der Straßenbahn, und du merkst nicht, dass sie wohnungslos sind“, sagt Bert Becker. Oft seien auch Menschen betroffen, die eine Arbeitsstelle haben, aber das Geld reiche wegen der überall steigenden Kosten nicht aus. Auch die Anzahl der Menschen, die tatsächlich auf der Straße schlafen müssten, habe sich vergrößert, sagt Markus Kühn. Nicht selten treffe es Menschen mit psychischer Erkrankung, „die oft weder eine medizinische noch existenzielle Versorgung haben“.

Auch Robert Schmitz wird die Weihnachtsfeier am Sonntag besuchen. Was seine eigene Zukunft angeht, zeigt sich der 42-Jährige mittlerweile optimistisch: „Es gibt einen großen Bedarf an Fachkräften, und ich bin eine Fachkraft.“ Während seiner Haft hat er eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik abgeschlossen. „Ich bin ein großer Fan der erneuerbaren Energien und hoffe, mit meinem Job nicht nur mein Gehalt zu sichern, sondern auch etwas bewirken zu können.“ 

Vor seiner Haft hatte Schmitz in der Gastronomie gearbeitet, von einem Wiedereinstieg wurde ihm jedoch wegen seiner früheren Alkohol- und Cannabissucht abgeraten: „Die Rückfallstatistiken für Menschen mit Suchtproblematik sind in der Gastronomie verheerend.“ Noch hadere er damit, wie er mit seiner Haftstrafe in Vorstellungsgesprächen umgehen solle: „Ich möchte offen und ehrlich sein, aber viele Arbeitgeber wird das natürlich erstmal abschrecken.“ Wolfgang Overath ermutigt den 42-Jährigen: „Es gibt viele Arbeitgeber in dem Bereich. Durch deine Art und deinen Willen kannst du zeigen, dass du ein anständiger Kerl bist.“