Schrauben mit der DatenbrilleTroisdorfer Institut entwickelt 5G-Mobilfunkstandard weiter

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Ein Mann steht an einem Arbeitsplatz in einer Fabrikhalle. Er trägt eine Datenbrille.

Kernstück des virtuellen Werkzeugkoffers ist die Mixed-Reality-Brille für Empfang und Wiedergabe von 3D-Inhalten.

3,5 Millionen Euro Förderung des Bundes fließen seit Anfang 2021 in Forschung und Entwicklung im Industrie-Stadtpark.

„Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“, hat Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff einmal einen Lichtausfall im Studio kommentiert. In den Hallen der Firma ZWI Technologies im Industriestadtpark ist es umgekehrt: Außer der Maschine, die vor uns steht, sind durch die Datenbrille – tragbare Computer – auch Anbauteile und Gehäuse zu sehen, die nicht da sind. Willkommen im Industrial Metaverse! Was ein Science-Fiction-Autor vor Jahren als digitale Parallelwelt bezeichnete, wird hier nutzbare Technik.

3,5 Millionen Euro Förderung des Bundes fließen seit Anfang 2021 in Forschung und Entwicklung im Industrie-Stadtpark. Unter Leitung des Fraunhofer-Instituts arbeiten Industrie und Forschung eng zusammen, um Anwendungen des 5G-Mobilfunkstandards zu entwickeln. Außer einem Leitsystem für Gabelstapler ist ein „5G-Werkzeugkoffer“ entstanden, der zwar keinen Schraubenschlüssel ersetzen, aber weite Reisen, Produktionsausfall und hohe Kosten entbehrlich machen kann.

Ohne den digitalen Zwilling geht es nicht
Lukas Odenthal, Konstruktionsingenieur bei ZWI

Auf einem Server sind die Daten abgespeichert, vollständig haben zuvor die Projektmitarbeiter die Konstruktionszeichnungen für den Granulator von Kuraray digitalisiert. Die Maschine schreddert schadhafte Spezialfolien oder Verschnitt aus der Produktion und führt das Granulat wieder der Produktion zu. „Ohne den digitalen Zwilling geht es nicht“, erklärt Lukas Odenthal, Konstruktionsingenieur bei ZWI. Für ihn liegen die Vorteile auf der Hand.

Daten aus der Werkshalle in Echtzeit an die Fachkraft

„Jetzt werden noch Servicetechniker durch die Welt geschickt“, in Zukunft leiteten sie aus der Ferne die Reparatur an. Dazu können dem Mitarbeiter vor Ort die Informationen auf seine Datenbrille gespielt werden; man kann die Maschine von allen Seiten betrachten, sie schweben lassen, Verdecktes sichtbar machen. Welche Schraube muss gelöst, welche Abdeckung abgenommen werden? Die Info kommt ins Blickfeld – und die Richtung, in die das Teil gedreht, gezogen oder gekippt werden muss.

Dank der hohen Leistung des 5G-Netzes gehen die Daten aus der Werkshalle nahezu in Echtzeit zurück an die Servicefachkraft, die stets im Bilde ist über den Fortgang der Arbeiten, zugleich aber auch als „Avatar“, als digitales Abbild, dem Techniker vor Ort die Hand führen kann.

5G wird Grundlage des neuen Mobilfunkstandards

Die Ideen sind nicht neu, wie Projektleiter Dr. Leif Oppermann vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) erklärt: Schon 1980 hatte ein Amerikaner Computer entwickelt, die man wie ein Kleidungsstück oder eine Brille tragen konnte. Mit „Second Life“ tauchten vor 15 oder 20 Jahren die ersten Avatare auf. Jetzt „kommt alles zusammen“, stellt Oppermann fest. „5G wird kommen“; der Mobilfunkstandard werde als unverzichtbare Grundlage nicht mehr nur Marketingargument bleiben.

Und wann wird die neue Technik in Serie gehen? „Wir sind aus Projektsicht sehr optimistisch“, gibt Lukas Odenthal Antwort. „Es bietet immens viele Vorteile.“ Auch die Bedenken der Beschäftigten ließen sich meist schnell zerstreuen. In der Realität brauchten solche Prozesse dann aber doch meistens länger.

„Ziel ist es, einen Prototyp zu entwickeln“, sagt Oppermann. „Wir müssen als Pilotprojekt ein paar Jahre vor der Markteinführung sein.“ Dass der Technik die Zukunft gehört, davon sind Oppermann und Odenthal gleichermaßen überzeugt: „Wenn man nicht mitmacht, ist man irgendwann weg“, sagt Ingenieur Odenthal.

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