Beliebte Reiseziele, BedingungenDie Deutschen sind urlaubsreif

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Urlaub Surfer

Viele Menschen sehnen sich nach Urlaub wie hier am Bodensee.

In Lipsi ist die Welt noch in Ordnung, zumindest aus pandemischer Sicht. Während rund um den Erdball das Coronavirus wütet, ist die kleine griechische Ägäisinsel verschont geblieben. „Bei uns gab es seit Beginn der Pandemie keine einzige Infektion“, berichtet Bürgermeister Fotis stolz. Damit das so bleibt, sind die rund 800 Bewohner im März vollzählig gegen Covid-19 geimpft worden. Nun sollen auch endlich wieder die Touristen kommen.

Lipsi ist eine von 69 griechischen Inseln mit weniger als 5000 Einwohnern, die mit dem Prädikat „covidfrei“ um Urlauber werben können. Marios Themistokleous ist als Generalsekretär im Gesundheitsministerium in Athen zuständig für die Impfkampagne, die unter dem Namen „Operation Freiheit“ läuft. „Wir haben viele kleine Inseln“, sagt der Mediziner. Das mache die Verteilung der sehr temperatursensiblen Impfstoffe zu einer logistischen Herausforderung. „Wir haben uns deshalb entschlossen, auf den kleinen Inseln die gesamte Bevölkerung unabhängig vom Alter gleichzeitig zu impfen.“

Das lässt hoffen. Hoffen auf einen Urlaub ohne Angst. Denn auch wenn noch nicht von einem gänzlich unbeschwerten Reisesommer die Rede sein kann – es geht voran. Das Impftempo steigt, in Deutschland und rund ums Mittelmeer wird die Öffnung des Tourismus geplant. Die Deutschen sind urlaubsreif. Und so erwartet die Reisebranche einen Boom ab Mitte Juli, bereits jetzt gehen die Buchungszahlen der Reiseveranstalter hoch.

Da wollen Bundesbürger hin

Branchenprimus Tui beispielsweise rechnet in den Ferien wieder mit vollen Fliegern in Richtung der Sonnenziele: Neben Spanien, Italien, Portugal und Kroatien wird in diesem Jahr vor allem Griechenland zum Sehnsuchtsort. „Die Inseln sind insbesondere bei Familien sehr beliebt“, sagt Konzernsprecher Aage Dünhaupt. Das beliebteste Reiseziel der Deutschen heißt aber: Deutschland. Das war auch schon vor Corona so, die Pandemie verstärkt den Trend allerdings. So planen 33,9 Prozent der Deutschen in diesem Jahr einen Urlaub im eigenen Land, das ergab die Tourismusanalyse der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen. Wie der Urlaub sicher ablaufen könnte, testen derzeit einige Regionen in Schleswig-Holstein. Im Rahmen von Modellprojekten ist unter anderem auf Sylt, in Sankt Peter Ording, Eckernförde und an der Schlei Urlaub unter strengen Vorschriften möglich.

Reisen, testen, impfen

Sicherheits- und Hygienekonzepte sowie die digitale Kontaktnachverfolgung spielen wie bereits im ersten Pandemiesommer eine große Rolle. Neu hinzu kommen 2021 aber zwei Faktoren: deutlich mehr Schnelltests – und Impfungen. In den Modellregionen muss bereits vor Ankunft ein Corona-Test gemacht werden, vor Ort sind weitere regelmäßige Tests nötig. Der Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes (DTV), Norbert Kunz, rechnet damit, dass diese Maßnahme auch in den großen Ferien ständiger Urlaubsbegleiter sein werden: „Im Sommer werden noch nicht mehr als 50 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sein, daher wird das Testen auch weiterhin sehr, sehr wichtig sein.“

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Freie Fahrt mit „Grünem Pass“?

Auch wer ins Ausland will, wird nachweisen müssen, nicht mit Corona infiziert zu sein. Ein EU-weit gültiger Nachweis soll dies dokumentieren. Im digitalen „Grünen Pass“ für Smartphones sollen Impfungen, PCR- und Schnelltests sowie überstandene Infektionen gespeichert werden. Der Pass soll bis Ende Juni als freiwilliges und ergänzendes Angebot zum weiterhin gültigen gelben Impfheft eingeführt werden. Mit dem Impfpass soll freies Reisen innerhalb der EU möglich werden – so ist bislang die Idee. Aktuell sind die Grenzen zwar offen, bis einschließlich 12. Mai gilt aber eine Testpflicht für Flugrückreisen nach Deutschland – auch für Länder, die nicht Corona-Risikogebiet sind. Zudem machen strenge Auflagen wie Quarantänepflichten einen Urlaub in einigen Ländern eher unattraktiv. Das hat lange dafür gesorgt, dass viele Deutsche mit dem Buchen einer Reise zögern, so Reiseforscher Jürgen Schmude.

Länder sind offen für Reisende

Weil ähnlich wie in Deutschland vielerorts die Impfkampagnen vorangehen und die Inzidenzen sinken, versuchen sich immer mehr europäische Länder an vorsichtigen Öffnungsschritten. Griechenland beispielsweise hat die Quarantänepflicht für deutsche Urlauber bereits aufgehoben, Italien will Mitte Mai wieder Touristen ins Land lassen, wenn sie eine Impfung, eine überstandene Infektion oder einen negativen Test vorweisen können.

Viele werden kurzfristig buchen

Angesichts dieser Entwicklung rechnen auch die Reiseveranstalter zeitnah mit einem Anstieg der Buchungen. Die Last-Minute-Welle werde noch größer sein als in den Vorjahren, prognostiziert Reiseforscher Schmude. Dass viele Reisende in der Pandemie spontaner geworden sind, zeigt auch eine Umfrage der Ferienhaussuchmaschine „Hometogo“. Demnach habe sich der durchschnittliche Zeitraum zwischen Buchung und Check-in um 31,5 Prozent verkürzt – von 108 auf nur noch 74 Tage. Dieser Trend könnte auch Einfluss auf die Reisepreise haben.

Ausgaben für Urlaube steigen

„Die Ausgaben bei Urlaubsreisen im Inland sind 2020 im Vergleich zu den Vorjahren angestiegen“, sagt Ulf Sonntag, Leiter der Marktforschung am Institut für Tourismusforschung in Nordeuropa. Bei den durchschnittlichen Reiseausgaben im Inland habe es von 2019 auf 2020 ein Plus von gut 35 Euro pro Person und Reise sowie ein Plus von vier Euro pro Person und Tag gegeben. Dieser Trend könnte sich 2021 fortsetzen.

Was passieren kann, wenn die aufgestaute Reiselust auf geringere Kapazitäten trifft, hat das Beispiel Mallorca an Ostern gezeigt. Nachdem die Bundesregierung die Reisewarnung aufgehoben hatte, waren die Flugpreise einer Analyse des Preisvergleichsportals „Idealo“ zufolge um 221 Prozent in die Höhe geschnellt. Für die Feiertage mussten Urlauber teils mehr als 450 Euro hinblättern – für ein One-Way-Ticket.

Beliebt sind Ferienhäuser

Das Ferienhäuschen am Strand oder am Alpenrand – davon träumen derzeit viele. In den Hauptreisemonaten Juli und August könnte es für Spätbucher dort schon eng werden. Zu dieser Einschätzung kommt „DS Destination Solutions“, eine auf Ferienunterkünfte spezialisierte Tochtergesellschaft der HRS-Gruppe. An der deutschen Nord- und Ostsee sind demnach im August nur noch 37 Prozent der Unterkünfte verfügbar, im Juli 43 Prozent. Entspannter ist die Situation im Juni und September. In den bayerischen Alpen finden Reisewillige im Juli noch etwa 45 Prozent im Angebot – 42 Prozent sind es im August. In den deutschen Mittelgebirgen gibt es für die Sommermonate bisher noch viel Auswahl.

Im Ausland hingegen könnte Flexibilität nötig sein: „Wenn die Last-Minute-Buchungen dazukommen, werden besonders beliebte Inseln wie Kreta, Rhodos, Korfu und Kos voll sein – zumindest die schönen Hotels an beliebten Strände und Buchten“, prognostiziert Tui-Sprecher Dünhaupt.

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