Apotheken zu Cannabis„Genussmittel mit Suchtpotential – unsere Bedenken sind groß“

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Es gebe "nachvollziehbare Gründe" für den Verkauf von Cannabis in Apotheken, sagt die Apothekerverbände-Präsidentin.

Berlin – Gabriele Regina Overwiening ist seit Ende 2020 Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Sie ist die erste Frau an der Spitze der ABDA, die als Spitzenorganisation die Interessen der rund 53.000 Apothekerinnen und Apotheker vertritt. Overwiening leitet eine Apotheke in Reken im Münsterland und ist Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.

Frau Overwiening, schon jetzt ist klar, was im Ampel-Koalitionsvertrag stehen wird: Die Legalisierung von Cannabis. Und die früher als Apothekerpartei kritisierte FDP will ihrer Branche dabei das Verkaufsmonopol geben. Wollen Sie es überhaupt haben?

Zunächst einmal: Ob Cannabis als Genussmittel zugelassen wird, ist eine politische Entscheidung. Hier mischen wir uns nicht ein, zumal unsere Mitgliedschaft in dieser Frage keine einheitliche Meinung hat. Nach einer Umfrage sind rund zwei Drittel der Apothekerinnen und Apotheker und ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für eine Legalisierung, ein Drittel aber dagegen. Unstrittig ist jedoch, dass wir als Heilberufler in einen Zielkonflikt geraten, wenn wir uns daran beteiligen, dass Cannabis nach einer Legalisierung zu den Konsumenten kommt.

Warum?

In der Bundesapothekerordnung ist festgelegt, dass wir die Bevölkerung mit Arzneimitteln versorgen und - ich zitiere - damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und der des gesamten Volkers dienen. Wie kann ich aber der Gesundheit des Volkes dienen, wenn ich ein Genussmittel abgebe, das Suchtpotential hat, zu Kontrollverlust führen oder Psychosen auslösen kann? Aus gutem Grund gibt es in Apotheken keinen Schnaps oder Zigaretten. Aus rein pharmazeutischer Sicht sollte es dort jenseits medizinischer Indikation auch kein Cannabis geben.

Und wenn wir über die reine Sicht der Pharmazeuten hinausgehen?

Wenn die Politik pro Legalisierung entscheidet und das mit dem Austrocknen des Schwarzmarktes, einer Entlastung von Polizei und Justiz und einem besseren Schutz der Konsumenten durch eine kontrollierte Abgabe begründet, dann sind das sehr nachvollziehbare Argumente. Ihnen können und wollen wir uns nicht entziehen. Ein Blick nach Kanada zeigt allerdings, was bei einer Legalisierung nicht so gut laufen kann.

Inwiefern?

Die Kanadier, die Cannabis 2018 legalisiert haben, haben festgestellt, dass dieser Schritt auch deshalb den Schwarzmarkt bislang nicht trockengelegt hat, weil dort zu Beginn kaum legale Vertriebswege entstanden sind. Wenn die Politik hierzulande zu den Apotheken sagt, bitte übernehmt die Abgabe, denn ihr seid überall vertreten, ihr habt die Labore, ihr habt die Tresore für problematische Substanzen und ihr könnt die Menschen richtig beraten, dann wird es schwer, uns zu verweigern.

Die pharmazeutischen Bedenken stellen Sie dann zurück?

Wenn es zu einer Legalisierung kommt, gibt es zwei Möglichkeiten: Wir können Abseits stehen oder Teil der Lösung sein und die Ausgestaltung der Regeln mitbestimmen. Um es ganz klar zu sagen: Wir reißen uns nicht darum, künftig in unseren Apotheken Cannabis zu verkaufen. Im Fall einer Legalisierung sind wir aber davon überzeugt, dass es nur die Apotheken sein können, die ein Höchstmaß an Sicherheit für die Konsumenten gewährleisten.

Lizensierte Shops, die von staatlichen Stellen beaufsichtigt werden, könnten das sicher auch.

Das bezweifele ich. Zudem zeigt ja gerade das Beispiel Kanada, dass auch im Fall der Legalisierung derartige Shops nicht überall wie Pilze aus dem Boden schießen. Das lohnt sich finanziell möglicherweise nur in Städten. Allerdings ist es politisch bestimmt nicht gewollt, dass nur in großen Städten dem Schwarzmarkt der Boden entzogen wird, auf dem flachen Land aber nicht. Apotheken gibt es dagegen überall.

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Gibt es Bedingungen, damit sie die Cannabis-Abgabe tatsächlich übernehmen?

Die Altersgrenze ist uns extrem wichtig. An Menschen unter 18 Jahre darf kein Cannabis verkauft werden. Gerade bei Heranwachsenden sind die möglichen gesundheitlichen Folgen nicht zu unterschätzen. Außerdem werden Kontrollmechanismen benötigt, die verhindern, dass zu viel und/oder zu oft konsumiert wird. Sinnvoll wäre hier das Schweizer Modell. Dort wird durch ein elektronisches Meldesystem erreicht, dass stets nur eine bestimmte Gesamtmenge Cannabis pro Monat gekauft werden kann. Entscheidend wird außerdem sein, dass wir sauberes Cannabis mit einem definierten Wirkstoffgehalt aus sicheren Quellen beziehen können. Das spricht für einen staatlichen Anbau.

Ihre Forderungen in allen Ehren, aber wird die Apothekerschaft nicht schon deshalb zugreifen, weil Geld lockt?

Wir gehen nicht von hohen Umsätzen oder Gewinnen aus. Die wirtschaftliche Situation der Betriebe ändert sich dadurch nicht. Nein, unsere Bedenken sind groß. Daher erwarten wir von der Politik, dass keine Apotheke zum Verkauf von Cannabis verpflichtet wird.

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