Coronabedingte AbsagenWerden die Musikfestivals und Volksfeste überleben?

Rock am Ring im Jahr 2019
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Oans, zwo, ausg'falla. Das Oktoberfest wird zum zweiten Mal in Folge nicht stattfinden können. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) überbrachten am Montag die ernüchternde Nachricht. Das größte Volksfest der Welt mit sechs Millionen Besuchern und sieben Millionen Maß Bier sprengt jede Vorsichtsmaßnahme. „A bisserl Wiesn geht nicht“, sagte Reiter.
Der Sommerdom auf dem Hamburger Heiligengeistfeld, ein auch nicht ganz klein und nüchternes Halligalli, steht hingegen weiter im Plan für Juli und August. Ein detailliertes Hygienekonzept liegt laut Behörde vor.
Ähnlich ungleich ist der Stand bei den großen Rockfestivals: Rock am Ring und Rock am Park - seit Längerem abgesagt. Hurricane und Southside ebenso. Deutschlands größter Tickethändler Eventim teilt mit: „„In diesem Sommer wird es maximal vereinzelt Open-Air-Konzerte geben.
Veranstaltungen in Hallen sehen wir nicht vor dem vierten Quartal, wobei man sich da nicht auf Anfang Oktober festlegen sollte.“
Im Wacken, dem Mekka des Schlamms und Dosenbiers, ist man hingegen „hoffnungsvoll“ - und für Ende Juli bereits ausverkauft. Ausverkauft ist auch das Fusion Festival in Mecklenburg, obwohl die Ticketpreise von 130 auf 220 Euro angehoben wurde. Statt einem Wochenende sind nun zwei geplant, jeweils mit 35.000 Partyausgehungerten. Die Veranstalter des Elektronik-Festivals planen mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept mit PCR-Tests vor der Anreise, bei der Ankunft und während des Festivals, auch alle Künstlerinnen, Künstler, Helferinnen und Helfer werden getestet.
Das zuständige Gesundheitsamt des Kreises Mecklenburgische Seenplatte hat keine Einwände gegen dieses Massen-Experiment. Doch ob Veranstaltungen dieser Größenordnung vom Land genehmigt werden, weiß keiner, ebenso wenig, ob die Inzidenzzahlen wirklich sinken.Andere Festivals haben ähnlich großen Aufwand getrieben, um zu beweisen, dass Ekstase und Vorsicht zusammenpassen können. Das süddeutsche Metal-Festival Summer Breeze setzt auf Bändchen mit integriertem Chip sowie Antigen-Tests vor, auf und nach dem Festival.
Die Kreativität der Kulturszene im Sommer 2021 zeigt sich mindestens so stark im Entwickeln von Hygienekonzepten und im Jonglieren von Unwägbarkeiten wie auf und hinter der Bühne. Festivalmacher wollen ein Lebenszeichen setzen, und einige wollen mehr als das: „Aus rein wirtschaftlichen Überlegungen würden wir diese hohen Investitionen sicherlich nicht machen“, sagte Fusion-Macher Martin Eulenhaupt im Frühjahr. „Aber wirtschaftliche Interessen sind nicht unser Antrieb. Natürlich wollen wir auch ein politisches Signal senden.“
Und Summer Breeze-Organisator Alex Härtel klagt gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND):„Unser Problem ist, dass es seitens Politik und Behörden keinen klaren Fahrplan gibt. Wir sind Experten in unserem Arbeitsbereich und können auf vieles flexibel und professionell reagieren, jedoch bedarf eine Veranstaltung dieser Größenordnung eine gewisse Vorplanung, bei der verlässliche Aussagen hilfreich wären.“
Der beginnende zweite Corona-Sommer, er erinnert an ein dauerndes déjà-vu. Auch die Polizeiberichte klingen schon wieder gleich. Berlin, vergangenes Wochenende, Treptower Park „Es habe „eine größere Ansammlung“ gegeben. Dabei sei über Lautsprecher Musik abgespielt und auch getanzt worden. Die Beamten waren mit einer Hundertschaft angerückt. Die Musikanlage sei sichergestellt worden.“
„Große Angst vor illegalen Raves“
„Ich habe große Angst davor, dass es wieder reihenweise illegale Raves gibt und dadurch die Zahlen im Sommer erneut ansteigen. Wir brauchen Konzepte für sicheres Feiern“, sagt Markus Ossevorth, Veranstalter des „Pyonen“-Festivals in Grünefeld bei Berlin. Das Festival soll stattfinden, an zwei Wochenenden mit je 5000 Besuchern. Ossevorth will beweisen, dass es geht. Gleichzeitig ist er vorsichtig und kritisch. „Wir sind keine Hedonisten, wir sind Realisten“, sagt er.„Wir sind keine Hedonisten, wir sind Realisten. Wir können das nur machen, wenn eine ausreichende Zahl von Menschen in diesem Land geimpft ist und wenn getestet, getestet und noch mal getestet wird. Das geht nur mit knallharten Konzepten, an die sich auch alle halten müssen.“ Auch bei den „Pyonen“ kommt nur rein, wer einen negativen Test nachweist, bei der Anreise wird nachgetestet. FFP2-Masken müssen vor den Bars getragen werden. Vor der Bühne gelten Abstandsregeln. „Wenn die missachtet werden, geht die Musik aus.“
Das Gesundheitsamt ist beeindruckt vom Konzept, ob er es umsetzen kann, weiß Ossevorth nicht. „Mir fehlt von Seiten der Politik eine konstruktive inhaltliche Auseinandersetzung mit dem, was wir die letzten Monate erarbeitet haben“, kritisiert er.
Vorsichtige Hoffnung
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) ist voller vorsichtiger Hoffnung: „Jetzt bloß nicht den Kopf in den Sand stecken! Ein kulturell praller Sommer ist möglich“, sagt er dem RND. „Die ganze angestaute Kreativität kann sich dann entladen und große Momente ermöglichen.“
Das gelte aber nur, wenn konsequent geimpft und getestet wird. „Wir dürfen jetzt nicht die Zuversicht verlieren, sondern sollten uns darauf vorbereiten, möglichst schnell wieder mit der Kultur starten zu können“. führt er aus. Dabei spielen natürlich Open-Air Formate eine besondere Rolle. Der kulturelle Sommer wird überwiegend draußen stattfinden.“
Und wohin sollte man im Sommer auch sonst wollen?