Trump in Ukraine-AffäreDemokraten sehen „Mafia-Boss” im Weißen Haus

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Donald Trump ap neu

US-Präsident Donald Trump

New York – Der Präsident der Vereinigten Staaten war am Donnerstagmorgen schwer beschäftigt. Um seiner Twitter-Botschaft Nachdruck zu verleihen, aktivierte er die Großschreibfunktion seines Handys: „DER GRÖSSTE BETRUG IN DER GESCHICHTE DER AMERIKANISCHEN POLITIK“, hämmerte Donald Trump in die Tastatur. Anschließend retweetete er mehr als zwei Dutzend unterstützende Kommentare – unter anderem von seiner Tochter Ivanka.

Der Grund für die Aufregung im Penthouse des New Yorker Trump Towers entfaltete sich kurz vor neun Uhr in der 365 Kilometer entfernten Hauptstadt Washington. Dort wurde nach massivem öffentlichen Druck eine teilweise geschwärzte Fassung der Beschwerde eines Geheimdienstmitarbeiters veröffentlicht wurde, die jene Ukraine-Affäre ausgelöst hat, die Trump derzeit in Bedrängnis bringt. Auf neun Seiten meldete der Mitarbeiter des Weißen Hauses seinen Vorgesetzten am 12. August eine Reihe von Beobachtungen, die ihn beunruhigten. Offenbar, so der Whistleblower, missbrauche der Präsident seine Macht, „um die Einmischung eines fremden Landes in die Wahl 2020 zu erbitten“.

Im Kerne der Eingabe steht das Telefongespräch zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vom 25. Juli, das in einer protokollierten Fassung am Vortag veröffentlicht worden war. Aus der Beschwerde geht jedoch viel mehr hervor: So hat das Weiße Haus in den Tagen nach dem Gespräch nach Aussagen des Informanten massiv versucht, den Inhalt des Telefonats zu vertuschen. Zudem versucht Trumps persönlicher Anwalt Rudy Giuliani angeblich im Zusammenspiel mit dem ehemaligen ukrainischen Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko schon seit dem Frühjahr – also vor den Wahlen in der Ukraine – eine Untersuchung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden zu erzwingen.

Mitte Mai soll Trump dann seinen Stellvertreter Mike Pence instruiert haben, nicht zur Inauguration des neuen Präsidenten Selenskyj zu fliegen. Hochrangige Kontakte werde es erst wieder geben, wenn der neue Präsident „sich entschlossen hat zu handeln“, sollen Regierungsmitarbeiter intern gesagt haben.

Demokraten finden Vorwürfe „höchst verstörend“

Erwartungsgemäß spielen die Republikaner die Enthüllung herunter. „Es gibt darin keine Überraschungen“, behauptete der Abgeordnete Chris Stewart schon am Mittwochabend, nachdem er im Lesesaal des Kongresses eine klassifizierte Fassung gelesen hatte. Die Vorwürfe seien „zutiefst verstörend“, erklärte hingegen Adam Schiff, der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses. Und Chuck Schumer, der Fraktionschef der Demokraten im Senat, urteilte: „Ich bin jetzt noch besorgter. Da gibt es eine gewaltige Zahl an Fakten, die nach einer Untersuchung schreien.“

Während sich die Demokraten über neues Material für das angestrengte Amtsenthebungsverfahren gegen Trump freuen, dürften die Republikaner in den nächsten Tagen vor allem die Glaubwürdigkeit des Whistleblowers in Zweifel ziehen. Tatsächlich ist dessen Identität bislang nicht bekannt, und er erklärt gleich zu Beginn, dass er bei den meisten Anlässen nicht persönlich dabei war, sondern sich auf Aussagen von etwa deinem halben Dutzend Kollegen stützt. Allerdings hat er offenbar eine genaue Detailkenntnis zahlreicher interner Vorgänge. Das Telefonat zwischen Trump und Selenskyj beschreibt er exakt so, wie es nach dem erst jetzt veröffentlichten Gesprächsprotokoll abgelaufen ist.

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Bei dem Anruf am 25. Juli hatte der US-Präsident seinen Kollegen unter Hinweis auf amerikanische Vorleistungen ("Die USA haben sehr viel für die Ukraine getan“) ausdrücklich um einen „Gefallen“ gebeten. Mehrfach drängte er, die Ukraine solle seinen möglichen Herausforderer Joe Biden und dessen Sohn Hunter untersuchen, der für einen ukrainischen Gaskonzern arbeitete: „Es wäre gut, wenn Sie das prüfen könnten (…). Es klingt für mich schrecklich.“

Der Whistleblower berichtet, dass Trump persönlich eine Woche zuvor das Einfrieren der zugesagten Finanzhilfen über 400 Millionen Dollar angeordnet habe, worauf sich die Fachabteilung keinen Reim machen konnte. In den Tagen nach dem Telefonat sei im Weißen Haus versucht worden, dessen Inhalt zu vertuschen. So wurde angeblich das Transkript aus dem internen Arbeitsnetz entfernt und in ein Netz mit Geheimdokumenten gestellt, obwohl keinerlei Sicherheitsinteressen der USA berührt waren.

Auch ohne eine „Smoking Gun“ sind die Demokraten überzeugt, dass Trump Selenskyj erpresst hat. „Wie jeder Mafia-Boss muss Trump nicht ausdrücklich sagen: Sie haben ein schönes Land. Es wäre schade, wenn dem was passiert“, sagte Schiff. Seine Partei ist entschlossen, das Impeachment-Verfahren voranzutreiben. „Der Präsident hat versucht, die Gesetzeslosigkeit zu einer amerikanischen Tugend zu machen. Nun will er sie in die ganze Welt exportieren“, sagte Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses. Die erforderlichen 218 Stimmen für die Eröffnung der Impeachment-Anklage hat sie nach amerikanischen Medienberichten inzwischen zusammen. Eine Mehrheit für die endgültige Amtsenthebung im Senat ist aber weiter nicht in Sicht.

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