Letzte Ausfahrt DubaiReiche Russen flüchten vor Sanktionen in den Wüstenstaat

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Yacht Dubai Archiv

Yachten liegen im Hafen von Dubai (Archivbild)

Dubai/Moskau – Die Touristiker in Dubai schwärmen von ihrer Palmeninsel: „Dieses Meisterwerk der Baukunst versinnbildlicht Dubais Faible für das Besondere. Auf der Insel finden Sie Wohngebäude, glamouröse Fünf-Sterne-Resorts, trendige Restaurants und schicke Strandclubs.“ Und wie wunderbar es sich auf dem Wasser chillen lässt: „Chartern Sie eine Luxusjacht oder holen Sie sich beim Schnellbootfahren oder Wakeboarden den ultimativen Adrenalinkick. Zwischen den ‚Palmwedeln‘ und entlang des ‚Stamms‘ der Insel ist das Meer ruhiger und eignet sich zum Kajakfahren oder Stand-up-Paddling.“ Denn das ist der Clou der künstlich erschaffenen Luxusinsel direkt vor der Küste: Aus der Luft sieht Palm Jumeirah aus wie eine stilisierte Palme.

Dubai: Preise für Luxusimmobilien explodieren

Wovon auf den Werbeseiten der glitzernden Metropole in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) nicht die Rede ist: Auch russische Oligarchen fühlen sich auf dem Eiland wohl. Sie reisen in diesen Zeiten sogar besonders gern nach Dubai. Denn dort müssen sie bis jetzt keine Sanktionen fürchten.

Angeblich hält auch Roman Abramowitsch, bis vor Kurzem noch stolzer Besitzer des britischen Fußballclubs FC Chelsea, nach einer standesgemäßen Unterkunft Ausschau. Er muss sich beeilen: Einheimische Makler beklagen schon, dass Villen beinahe ausverkauft seien – und das, obwohl die Preise für Luxusimmobilien nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine in die Höhe geschnellt sind.

Dubai Übersicht Nacht Imago

Wüstenmetropole bei Nacht: Der Blick auf Dubai

Beliebt waren Häuser und Apartments auch schon vor dem Krieg. Zu den Palmeninsulanern soll beispielsweise der Geschäftsmann Ruslan Baisarow gehören, russischer Milliardär und enger Vertrauter des tschetschenischen Präsidenten, der wiederum Putins Invasion in die Ukraine unterstützt. Baisarow nennt demnach eine Strandvilla und fünf Wohnungen auf Palm Jumeirah sein Eigen.

Putin-Jacht an die Kette gelegt

Dubai bietet reichen Russen nicht nur künstliche und echte Palmen sowie weiße Strände, sondern auch Sicherheit. In Europa und den USA werden ihre Jachten an die Kette gelegt, ihre Vermögen und Anwesen beschlagnahmt. Gerade erst hat es in einem toskanischen Hafen die 140 Meter lange Jacht „Scheherazade“ erwischt. Italienische Behörden rechnen das Schiff dem russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich zu.

In den Emiraten dagegen sind gut situierte Ausländer willkommen. Die Scheichs wollen ihre Abhängigkeit vom Öl verkleinern und setzen auf Fremdenverkehr und Finanzwirtschaft. Noch in der Corona-Krise wanderten viele zugezogene Arbeitskräfte aus dem globalen Drehkreuz Dubai ab.

Nun ist Dubai zur Fluchtburg für Reiche aus dem Dunstkreis Putins geworden. Die Emirate beteiligen sich nicht an den Sanktionen gegen Russland. Im UN-Sicherheitsrat enthielten sie sich Ende Februar der Stimme, als die Verurteilung von Putins Angriffskrieg auf der Tagesordnung stand.

Der Himmel über Dubai

Bereits Anfang 2020 sollen rund 5000 Bürger der russischen Föderation mehr als 9700 Immobilien besessen haben. Das hat die „Süddeutsche Zeitung“ zusammen mit einem internationalen Recherchenetzwerk herausgefunden. Geleakte Daten waren zuvor dem Center of Advanced Defense Studies zugespielt worden.

Die gemeinnützige Forschungsorganisation in Washington, die internationale Kriminalität untersucht, hat berechnet, dass sich innerhalb weniger Wochen nach Kriegsbeginn knapp 40 Geschäftsleute in Dubai für mehr als 315 Millionen Dollar Immobilien gekauft haben. Nach Schätzungen leben etwa 40.000 Russen in den Emiraten. Es dürften noch mehr werden.

Übersicht Dubai

In dem Wüstenstaat erstrecken sich gigantische Luxushotels wie das Jumeirah Beach Hotel (vorne)

Der Himmel über Dubai steht offen für russische Reisende, gern auch für diejenigen, die in Privatjets eintreffen. In Dubai können sie in großem Stil shoppen. Woher das Geld kommt, das sie ausgeben? Spielt keine Rolle. Milliarden aus Kryptowährungen sollen in den Emiraten in Dollar umgewandelt werden. So ist der Transfer einfacher, viele Bankkonten sind schließlich eingefroren. Wer eine Immobilie erwirbt, erhält in Dubai ab einer gewissen Summe eine mehrjährige Aufenthaltsgenehmigung.

Dieses großzügige Gebaren hat inzwischen die internationale Geldwäsche-Ermittlungsstelle FATF in Paris auf den Plan gerufen: Sie hat die Emirate auf eine „graue Liste“ gesetzt und damit unter Beobachtung gestellt. Die FATF gilt als wichtigstes internationales Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

Ob es hilft? Die Emirate haben Kooperation mit den Ermittlern zugesagt. Zugleich jedoch ist ihr Misstrauen gegenüber dem Westen gewachsen, seit Amerikaner und Europäer wieder über ein Atomabkommen mit dem Iran verhandeln.

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Gebraucht werden die Emirate dringend, um den Stopp der Erdölausfuhren aus Russland auszugleichen. Besonders in Deutschland: Jüngst machte Wirtschaftsminister Robert Habeck seine Aufwartung in den Emiraten und warb für die Zusammenarbeit bei der Produktion von Wasserstoff. Vage ließ er vor Ort vernehmen, dass er davon gehört habe, dass Vermögen aus Russland in die Emirate abfließe.

Hinweise darauf hätte er schon beim Landeanflug auf Dubai entdecken können: Das „Wall Street Journal“ hat unter Berufung auf Satellitenbilder, Flugdaten und Branchenprofis berichtet, dass inzwischen mehr als 100 russische Jets in der Wüste geparkt sind. Eine Boeing 787-8 des Milliardärs Abramowitsch sei dort auch abgestellt.

Das einzige Problem: Seit ihrer Landung stehen die Maschinen herum. Ersatzteile sind wegen der internationalen Sanktionen schwer zu bekommen – und wohin könnten ihre Eigentümer fliegen?

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