Energiekrise und GesundheitWas bei niedrigeren Temperaturen in Wohnungen wichtig wird

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Tee trinken Kälte Symbolbild dpa

Tee trinken und warme Decken helfen bei niedrigen Temperaturen, aber es gibt noch mehr zu beachten. (Symbolbild)

Die Bundesregierung dreht die Temperatur für den kommenden Winter herunter: Vom 1. September an bis zum 28. Februar gelten in Deutschland zahlreiche Vorschriften zum Energiesparen. Durch sie werden Klauseln in Mietverträgen ausgesetzt, in denen Mieter verpflichtet werden, durch Heizen eine bestimmte Mindesttemperatur in den gemieteten Räumen sicherzustellen. Das bedeutet: Mieter dürfen weniger heizen, wenn sie Energie sparen wollen. In öffentlichen Gebäuden dürfen Arbeitsräume nur noch bis zur einer Raumtemperatur von höchstens 19 Grad geheizt werden. So sehr die Maßnahmen zum Energiesparen politisch Sinn machen mögen, was bedeuten sie für die Gesundheit?

„In Innenräumen sind 20 bis 22 Grad für das Wohlbefinden optimal“

„In Innenräumen sind 20 bis 22 Grad für das Wohlbefinden und letztlich auch das gesundheitliche Befinden optimal“, sagt Heinz-Jörn Moriske. Moriske ist Direktor und Professor im Umweltbundesamt, Innenraumexperte und langjähriger Geschäftsführer der Innenraum-Lufthygiene-Kommission. Nun lasse sich zwar die Raumtemperatur absenken, aber auch nicht beliebig, ohne die Gesundheit zu gefährden.

In Wohnungen könne man auf 19 Grad heruntergehen, besser seien aber 20 Grad, so Moriske. Bei Menschen, die die meiste Zeit auf dem Sofa verbringen, können Temperaturen unter 19 Grad schon zu kalten Händen und zum Auskühlen von Armen und Beinen führen.

Infektanfälligkeit erhöht sich

Überhaupt wird es unterhalb von 19 Grad kritisch, denn die Anfälligkeit für Infekte wie Erkältungen erhöht sich. „Das gilt gerade bei älteren Menschen, bei Menschen mit niedrigem Blutdruck und solchen, die sich wenig bewegen“, erklärt Moriske. Allerdings kann man die verschiedenen Räume durchaus unterschiedlich beheizen. Im Wohnzimmer die erwähnten 20 Grad. Im Schlafzimmer reichen hingegen 18 Grad. In der Küche 17 bis 18 Grad, im Badezimmer 20 Grad.

Wie sieht es nun mit öffentlichen Räumen wie Büros aus, wo die Menschen in erster Linie sitzende Tätigkeiten ausüben? Hier darf es ja ab 1. September nicht wärmer als 19 Grad sein. Auf diesen Wert abzusenken sei machbar, sagt Moriske. „Aber das ist eigentlich auch schon die Grenze, die man nicht unterschreiten sollte.“ Das Umweltbundesamt empfiehlt, in Büros nicht unter 19 Grad zu heizen, sonst drohen auch hier Infekte. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist bei Innenräumen allgemein etwas großzüger. Sie sieht in Ländern mit gemäßigtem oder kälterem Klima in Innenräumen erst 18 Grad als absolutes Minimum an.

Schimmel muss vermieden werden

Nun mag so manch einer denken: Ich heize lieber weniger in meiner Wohnung und ziehe mir dafür einen dicken Pullover an. Tatsächlich verringert das zwar die Gefahr von Auskühlungen. Es wendet jedoch nicht eine andere Gefahr mit gesundheitlichen Folgen ab – das Ausbreiten von Schimmel. Menschen geben in Räumen Feuchtigkeit ab, durch Ausatmen und Schwitzen, aber auch wenn sie kochen, sich waschen oder duschen. Studien zeigen: Über den Tag verteilt ergibt das fast einen Eimer Wasser, der als Dampf in der Wohnung verteilt ist. Wenn man nicht ausreichend lüftet, lagert er sich in der Wohnung ab. Dabei kommt die Temperatur ins Spiel. „Wenn die Luft im Innenraum kalt ist, steigt die relative Luftfeuchtigkeit stärker an als bei warmer Luft“, erläutert Moriske. Die Luftfeuchtigkeit steige auf 50, 60 Prozent an oder – entlang kalter Außenwände – rasch auch auf über 80 Prozent.

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Die Feuchtigkeit in der Luft setzt sich als Wasserdampf an kalten Stellen in der Wohnung ab. Das sind bei Altbauten meist die Außenwände. Es bildet sich ein Wasserfilm. In der Folge breitet sich Schimmel aus, wenn man nicht lüftet und heizt. Allerdings reicht auch Lüften im Winter alleine nicht aus, wenn man nur auf 17 oder 18 Grad heizt. „Denn rein durch kurzzeitiges Lüften werden die hohen Feuchtigkeitsmengen nicht ausreichend abtransportiert“, sagt Moriske. Man müsste dann schon über mehrere Stunden am Tag lüften, was im Winter kaum machbar ist. „Schimmel in der Wohnung wiederum führt zu Allergien und Atemwegserkrankungen und soll daher, wenn immer möglich, vermieden werden.“

Blutdruck steigt bei kalter Umgebung

Überhaupt gehen laut der WHO niedrige Innentemperaturen mit höherer Anfälligkeit für Atemwegserkrankungen wie Asthma einher. Doch nicht nur das. Die Anzahl der Todesfälle durch Schlaganfälle und Herzinfarkte ist im Winter deutlich erhöht, weil Kälte durch die Verengung der Blutgefäße den Blutdruck erhöht. Kalte Wohnungen leisten dazu einen unrühmlichen Beitrag und tragen der WHO zufolge zu erhöhten Erkrankungsraten und Sterberaten im Winter bei. Das bestätigte 2021 eine Übersichtsarbeit von Forschern um Peder Wolkoff vom dänischen National Research Centre for the Working Environment: In dieser Studie erhöhte in Regionen mit gemäßigtem oder kaltem Klima eine niedrigere Raumtemperatur als 18 Grad im Winter das Risiko an Herz-Kreislauf-Krankeiten und Atemwegserkrankungen zu erkranken beziehunsgweise zu sterben.

Dennis Nowak, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der LMU München, relativiert diese Zusammenhänge ein wenig. Aus seiner Sicht werden kalte Innentemperaturen erst dann zum Problem, wenn Erkrankungen nicht richtig behandelt werden. „Es trifft beispielsweise zu, dass bei kalten Umgebungstemperaturen der Blutdruck steigt.“ Aber eine blutdrucksenkende Therapie sollte eigentlich so ausgelegt sein, dass milde Kälte schadlos vertragen wird. Ähnliches gelte für Asthma. „Wenn sich Asthmasymptome bei etwas kälterer Luft im Innenraum verschlechtern, dann sei das Asthma unterbehandelt.“

Trotz dieser Relativierung zeigt sich insgesamt: Energiesparen ist sicherlich mit ein Weg, dem Problem der Gasversorgung im Winter zu begegnen. Mit Blick auf die Gesundheit sind dem Absenken von Temperaturen aber enge Grenzen gesetzt.

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