Unescos „Rote Liste“Great Barrier Reef entgeht wohl erneut Liste der gefährdeten Welterben

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Eine Luftaufnahme des Great Barrier Reefs.

Eine Luftaufnahme des Great Barrier Reefs.

Die Gesundheit des größten Korallenriffs der Erde ist seit Jahren angeschlagen. Trotzdem soll das Great Barrier Reef in Australien auch in diesem Jahr nicht auf die Liste der als „gefährdet“ eingestuften Welterbestätten kommen, finden die UN-Experten.

Über 1150 Stätten sind sogenannte Welterben der Unesco, über 50 davon gelten als gefährdet. Ist ein Welterbe in Gefahr, so landet es auf der Liste des gefährdeten Erbes der Welt – der sogenannten „Roten Liste“. Gründe dafür können Krieg und Zerstörung, Umweltverschmutzung, Verstädterung und Bauvorhaben, ökologische Zerstörung oder Naturkatastrophen sein.

Ob auch das weltgrößte Korallenriff – das Great Barrier Reef in Australien – auf diese verpönte Liste gehört, das wird seit Jahren diskutiert. Das Great Barrier Reef ist seit Langem angeschlagen, rund die Hälfte der Korallen ist in den vergangenen 30 Jahren bereits eingegangen. Schuld daran sind unter anderem Klimawandel, Wasserverschmutzung, Stürme und der gefräßige Dornenkronenseestern.

Great Barrier Reef seit 1981 Weltkulturerbe

Obwohl das Riff, das seit 1981 Weltkulturerbe ist, dramatisch abgebaut hat, ist es bisher jedoch davon verschont geblieben, auf der „Liste der Schmach“ zu landen – nicht zuletzt auch wegen des guten Marketings der jeweiligen australischen Regierung. Diese weiß meist geschickt zu argumentieren, warum das Riff trotz all der Hiobsbotschaften über die Jahre nicht auf der Liste stehen sollte. Auch in diesem Jahr sieht es nun so aus, als ob das Great Barrier Reef unangetastet bleiben würde.

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Denn die wissenschaftlichen Berater und Beraterinnen der UN haben in einem Bericht empfohlen, das Riff auf der nächsten Sitzung des Welterbekomitees in Saudi-Arabien im September nicht auf die Liste der „gefährdeten“ Welterbestätten zu setzen. Zwar gestanden die Experten und Expertinnen ein, dass das größte Korallenriffsystem der Erde weiterhin einer „ernsthaften Bedrohung“ durch globale Erwärmung und Wasserverschmutzung ausgesetzt sei. Doch die Berater und Beraterinnen verwiesen in ihrem Bericht auch auf die positiven Schritte, die die australische Regierung seit dem letzten UN-Besuch in Queensland im März letzten Jahres zum Schutz des Riffs unternommen habe. Außerdem erwähnen sie als „Highlight“ eine Zunahme bei den Hartkorallen im nördlichen und im mittleren Teil des Riffs. Dort sei seit der 36-jährigen Überwachung nicht mehr eine so gute Abdeckung verzeichnet worden.

Sechste Massenbleiche des Riffs seit 1998

Bemerkenswert ist dabei, dass die UN-Fachleute Ende November erst noch empfohlen hatten, das Great Barrier Reef auf die Liste der gefährdeten Welterben zu setzen. Kein Wunder vielleicht, denn bei ihrem Besuch im März 2022 war das Riff gerade von einer sechsten Massenbleiche seit 1998 – einer vierten Bleiche seit 2016 – getroffen worden. Korallen bleichen, wenn das Wasser zu warm ist. Ist der Stress zu groß für die Nesseltiere, können sie durch eine Bleiche sogar sterben. In ihrem damaligen Bericht forderten die UN-Experten und -Expertinnen dann auch „ehrgeizige, schnelle und nachhaltige“ Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel, um das Überleben der Korallen zu sichern.

Vor allem die inzwischen ehrgeizigeren Klimaziele der derzeitigen australischen Regierung unter dem Sozialdemokraten Anthony Albanese, die die Emissionen bis 2030 43 Prozent unter das Niveau von 2005 drücken will, scheinen die Fachleute dann auch überzeugt zu haben. Gleichzeitig hat die Regierung die Ausgaben für das Great Barrier Reef nochmals deutlich erhöht: Bis 2030 hat Canberra insgesamt 1,2 Milliarden Dollar, umgerechnet mehr als 730 Millionen Euro, für den Erhalt des Riffs zugesagt, das die Heimat von 1500 Fischspezies und 400 Korallenarten bildet.

Klimaschutz mit Kohlekraftwerken?

Wie Canberra seine verbesserten Klimaziele jedoch erreichen will, das ist noch nicht völlig klar. Denn auch die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen wenden der allmächtigen Gas- und Kohleindustrie im Land nicht den Rücken zu. Im Juli vor einem Jahr lehnte Albanese beispielsweise einen Stopp von fossilen Brennstoffprojekten ab, weil dies „verheerende Auswirkungen auf die australische Wirtschaft“ hätte, wie er sagte.

Anfang Mai hat die Regierung des australischen Nordterritoriums dann auch die Genehmigung für eine groß angelegte Onshore-Gasförderung im Beetaloo-Becken erteilt. Wenig später gaben die Behörden grünes Licht für drei neue Kohlebergwerke in Australien. Auf letztere verwies dann auch Australiens führender Korallenexperte Terry Hughes in seinem Post auf Twitter. An die UN-Expertinnen und -Experten gewandt schrieb er: „Glauben Sie ernsthaft, dass Australien sein Möglichstes unternimmt, um die Werte des Weltnaturerbes Great Barrier Reef zu schützen?“

Dass auch die UN-Fachleute selbst noch nicht völlig überzeugt sind, das zeigt, dass die australische Regierung im Februar einen Fortschrittsbericht vorlegen soll: 2024 hängt das Damoklesschwert der „Roten Liste“ damit erneut über dem Riff.

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