Impfstoff-Expertin„Ich glaube nicht, dass Weihnachten 2021 alles so ist wie früher“

Lesezeit 3 Minuten
Impfung 191120

Die globale Logistikbranche bereitet sich schon jetzt auf die globale Verteilung von Covid-19-Impfstoffen vor (Symbolbild).

  • Seit dieser Woche wird der Biontech-Impfstoff erstmals an Menschen in Großbritannien verimpft.
  • Der Nachbeobachtungszeitraum der Studien sei aber noch recht kurz, gibt Prof. Eva Hummers im RND-Interview zu bedenken.

Prof. Hummers, würden Sie selbst sich schon jetzt gegen Covid-19 impfen lassen? Eva Hummers: Ja sicher. Es ist ein Abwägen von Risiken. Ich erachte für mich persönlich das Risiko, an Covid-19 zu erkranken und dadurch Folgeschäden zu erleiden, als deutlich höher, als dass bei der Impfung etwas passieren könnte. Und ich arbeite als Hausärztin, habe dabei mit Patienten zu tun, die möglicherweise mit dem Virus infiziert sind. Welche Fragen gibt es bei der Entwicklung einer Impfstrategie?

Am entscheidendsten ist die Frage: Schützt der Impfstoff auch davor, Sars-CoV-2 an andere Menschen weiterzugeben? Oder verhindert er nur, dass die geimpfte Person krank wird? Es muss offen darüber gesprochen werden, dass wir das über die Impfstoffe noch nicht wissen. Wir wissen nur, dass sie vor symptomatischen Erkrankungen schützen.

Covid-19 Geimpfte können infektiös sind?

Ja. Es ist nicht so, dass ein Impfstoff im Menschen einen äußeren Schutz aufbaut. Das Virus kann weiterhin in den Körper hineingelangen. Die schützenden Antikörper werden erst danach aktiv und fangen an, den Erreger abzuwehren. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit: Wie schnell kann sich das Virus im Organismus replizieren? Wie schnell können Antikörper und weitere Immunreaktionen hochgefahren werden, um eine stärkere Erkrankung zu verhindern? Gerade, wenn das etwas länger dauert, können womöglich noch Viren ausgeschieden beziehungsweise ausgehustet werden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bleiben also auch für Geimpfte Abstand und Maske notwendig?

Genau. Wir müssen uns klar machen: Es wird auf recht lange Sicht mehr ungeimpfte als geimpfte Menschen geben. Es wird auch viele geben, die man vorerst nicht impfen kann, zum Beispiel Kinder oder Schwangere. Und nicht alle, die geimpft sind, haben einen vollkommen sicheren Schutz vor Erkrankung. Aus der kurzzeitigen Datenbasis mit rund 20 000 geimpften Studienteilnehmern lässt sich zwar schon ableiten, dass der Biontech-Impfstoff erfreulich gut wirkt – viel besser als etwa Grippeimpfstoffe. Aber auch dieses Vakzin ist nicht zu 100 Prozent effektiv. Niemand kann absolut sicher sein, nach einer Impfung nicht doch zu erkranken oder das Virus weiterzugeben. Das Erlauben bestimmter Aktivitäten nur für Geimpfte ist damit nicht sinnvoll.

Wenn Anfang 2021 das Impfen startet, kann dann bald die „alte Normalität“ hergestellt werden?

Es ist zu hoffen, dass sich die Lage im Sommer wieder etwas entspannt. Aber was im nächsten Winter passiert und wie viele Menschen bis dahin geimpft sind, bleibt abzuwarten. Die Hygiene- und Abstandsregeln beiseite zu schieben halte ich in jedem Fall für riskant. Und zu denken, dass nächstes Jahr Weihnachten alles wieder wie früher ist, halte ich für zu optimistisch.

Das Gespräch führte Saskia Bücker

KStA abonnieren