Kommentar zu Aussagen über GeflüchteteDie verheerende Rhetorik des Friedrich Merz

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Friedrich Merz (Archivbild)

Friedrich Merz (Archivbild)

Unter Verklärung der Fakten drückt der CDU-Vorsitzende gleich eine Reihe von Trigger-Punkten der Gesellschaft: Irreguläre Migration, schlechte Gesundheitsversorgung, ungerechte Verteilung staatlicher Leistungen. Das ist sonst Methode der Rechtspopulisten.

Zwei Punkte sind unstrittig: Erstens, es flüchten aktuell deutlich mehr Menschen nach Deutschland, als Länder und Kommunen dauerhaft aufnehmen können. Und zweitens, Bundesregierung und EU brauchen eine Reihe an Maßnahmen, um die irreguläre Migration zu begrenzen. Für beides hat die Ampel-Regierung nach mal wieder zu langer strittiger Debatte nun den Weg freigemacht: Kontrollen an den EU-Außengrenzen, mehr Einstufungen als sichere Herkunftsländer und bis zur Wirksamkeit der EU-Maßnahmen auch mehr Kontrollen an den deutschen Außengrenzen - um nur einige Punkte aufzulisten.

Mit Blick auf Oppositionsführer Friedrich Merz könnte man drittens hinzufügen, dass es in der Sache kein bisschen zielführend ist, die Krise mit vergifteten Formulierungen noch einmal richtig anzuheizen. Es hilft weder bei der Eindämmung der übermäßigen Migration noch nutzt es der CDU, wenn ihr Vorsitzender auftritt wie ein Rechtspopulist. In der Union muss irgendjemand dringend Friedrich Merz den Zahn ziehen, dass quartalsweise verbale Ausfälle der CDU helfen oder die Zustimmungswerte für die AfD verringern könnten.

Merz‘ Kernbotschaft, wonach Deutschland mit seinem gut ausgestatteten Sozialstaat ein attraktives Ziel für Flüchtlinge ist, kann nicht widersprochen werden. Gleiches gilt für die Forderung, dass Deutschland das Verhältnis von staatlichen Leistungen und Erwartungen an die ankommenden Menschen neu justieren muss. Die Sprache eines Landes kann man auch im Job lernen - beschäftigungslos erst einmal auf einen Sprachkurs zu warten, der wiederum nur von Menschen mit sehr genau definierten Qualifikationen gehalten werden kann, wird der dramatischen Lage nicht gerecht. Bei der Anpassung der Asylpolitik an die Realität hinkt Deutschland in Europa hinterher.

Wenn Merz diese Befunde aber in ein faktisch falsches Beispiel packt, wonach sich die Flüchtlinge die Zähne sanieren lassen, während die Einheimischen keine Termine bekämen, dann ist das verheerend. Unter Verklärung der Fakten drückt der CDU-Vorsitzende gleich eine Reihe von Trigger-Punkten der Gesellschaft: Irreguläre Migration, schlechte Gesundheitsversorgung, ungerechte Verteilung staatlicher Leistungen. Das ist sonst Methode der Rechtspopulisten.

Eva Quadbeck

Eva Quadbeck

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Die Migration ist wahrscheinlich das wichtigste Thema, wenn es um die Frage geht, ob die Gesellschaft in den nächsten Jahren zusammenhält. Da liegt es auch in der Verantwortung eines Parteichefs der demokratischen Opposition, die Missstände im Land und die Fehler der Regierung so zu benennen, dass seine Aussagen den Keil nicht noch tiefer in die Gesellschaft treiben. Merz wird dieser Verantwortung nicht gerecht. Im Gegenteil: Immer wenn die Union inhaltlich eigentlich wichtige Punkte in der öffentlichen Debatte anführen kann, überspitzt er seine Rhetorik so sehr, dass danach nur noch über Merz Formulierungen und nicht mehr über die Sache selbst gesprochen wird. (RND)

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