Militärexperte über Waffenhilfe„Deutschland sollte jetzt mehr Mut zeigen“

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Symbolbild

Berlin – Der Militärexperte Nico Lange, bis Ende 2021 Chef des Planungsstabs im Bundesverteidigungsministerium, verlangt im RND-Interview eine „neue Flexibilität“ bei Waffenhilfe für Kiew.

Herr Lange, wie sieht Ihre Bilanz der deutschen Militärhilfe für Kiew aus?

Nico Lange: Wir waren langsam, aber inzwischen liefern wir einige gute Systeme. Das sehen auch die Ukrainer so. Vor allem die Panzerhaubitze 2000 und die deutschen Artillerieraketen vom Typ Mars 2 mit ihren hohen Reichweiten sind wichtig, ebenso wie die Himars-Systeme aus den USA. Die Russen erleben neuerdings präzise Schläge gegen Kommandozentralen und Waffendepots weit hinter den Frontlinien.

Reicht diese Nachrüstung aus für große ukrainische Gegenangriffe?

Da bin ich skeptisch. Für einen Angriff etwa in Cherson müsste die Ukraine in der dortigen Steppenlandschaft eine große Zahl von Soldaten in Bewegung setzen, das ist riskant. Die zentrale Frage in jedem Gegenangriffsszenario ist: Kann die Ukraine ihren Soldaten genug geschützte Mobilität verschaffen durch gepanzerte Fahrzeuge: Truppentransporter, Schützenpanzer, Kampfpanzer? Ich glaube, dafür reicht es noch nicht.

Müssen also aus Deutschland Marder, Fuchs und Dingo an die Front?

Deutschland hat jedenfalls genug gepanzerte Fahrzeuge, um der Ukraine in diesem historischen Augenblick effektiv unter die Arme greifen zu können. Es gibt deutsche Kommandeure, die sich für diesen Fall Sorgen machen um ihre eigenen Bestände.

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Dafür habe ich auch Verständnis. Hier geht es um schwierige Abwägungen, gar keine Frage. Doch die Lage hat sich geändert. Manche Abwägungen müssen anders ausfallen als vor einem halben Jahr. Wir brauchen eine neue Flexibilität. Deutschland sollte jetzt mehr Mut zeigen, sich nicht immer bitten lassen, sondern orientiert an der Entwicklung der Lage mitdenken und in Nato und EU auch mal vorangehen. Ein gepanzertes Fahrzeug, das jetzt in der Ukraine hilft, die Russen zu bremsen, trägt mehr zur Sicherheit Deutschlands bei als dasselbe gepanzerte Fahrzeug, das hier bei uns steht.

Meinen Sie, dass dieser Kurs mehrheitsfähig ist?

Ich glaube schon. In der Ampelkoalition kursieren bereits ähnliche Überlegungen, etwa bei den Außenpolitikern Kristian Klinck (SPD), Sara Nanni (Grüne) und Alexander Müller (FDP). Auch stellt sich in Umfragen eine solide Mehrheit der Deutschen stets hinter den Gedanken, den Russen Grenzen aufzuzeigen, auch wenn dies aktuell höhere Kosten auslöst. Daraus kann und muss die Bundesregierung mehr machen. Viele haben inzwischen erkannt: Wenn in der Ukraine der Aggressor triumphiert, haben wir alle verloren. Dann leben wir in einer Welt, die noch gefährlicher ist als jetzt.(RND)

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