Umfrage zu Gentechnik92 Prozent der Verbraucher sind für Kennzeichnung bei Lebensmitteln

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Eine Hand hält in einem Versuchsfeld des Landwirtschaftlichem Technologiezentrum Augustenberg bei Forchheim (Baden-Württemberg) einen Maiskolben einer gentechnisch veränderten Maispflanze.(Archivbild)

Eine Hand hält in einem Versuchsfeld des Landwirtschaftlichem Technologiezentrum Augustenberg bei Forchheim (Baden-Württemberg) einen Maiskolben einer gentechnisch veränderten Maispflanze.(Archivbild)

Die EU-Kommission will, dass bestimmte Pflanzenprodukte, die genetisch verändert wurden, nicht mehr gekennzeichnet werden müssen. Eine deutliche Mehrheit der Verbraucher sieht das kritisch. Das geht aus einer neuen Umfrage hervor.

Eine große Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher ist skeptisch gegenüber Lebensmitteln aus Pflanzen, deren Gene mit einem neuen Gentechnik-Verfahren (NGT) verändert werden. Laut einer Forsa-Umfrage sind 92 Prozent der Befragten dafür, dass gentechnisch veränderte Pflanzenprodukte als solche gekennzeichnet werden müssen.

Die Umfrage wurde von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch in Auftrag gegeben, die Ergebnisse liegen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) exklusiv vor. Dafür, dass auch für die neue Gentechnik eine Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen soll, sprachen sich sogar 96 Prozent der Befragten aus.

EU-Kommission will die Regeln nun lockern

Bisher waren die Risikoprüfung und die Kennzeichnung für gentechnisch veränderte Erzeugnisse der Landwirtschaft in der EU verpflichtend. Die EU-Kommission will die Regeln nun lockern. Es geht um Pflanzen, die an maximal 20 Stellen im Erbgut verändert werden. Unterschreiten sie diese Grenze, sollen sie zügiger auf den EU-Markt gelangen dürfen. Außerdem soll der Verbraucher nicht mehr mit einer Kennzeichnung darüber informiert werden, dass das Produkt gentechnisch verändert ist.

Foodwatch sieht die Ergebnisse als deutliches Signal an Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne), sich in Brüssel für eine lückenlose Gentechnik-Kennzeichnung einzusetzen. „Cem Özdemir darf sich nicht den Interessen der Agrarlobby beugen, sondern muss sich in Brüssel für Umwelt- und Verbraucherschutz starkmachen“, sagte Manuel Wiemann von Foodwatch.

Foodwatch-Sprecher Andreas Winkler: „Das Versprechen ist, dass die neuen Gentechnikverfahren den Einsatz von Pestiziden reduzieren.“ Er befürchtet allerdings, dass stattdessen die Agrar-Konzerne Saatgut-Patente auf den Markt bringen und die Landwirte in eine Abhängigkeit zu ihnen geraten. „Die biologische Vielfalt würde dadurch abnehmen“, sagte Winkler. „Die Folge ist, dass noch mehr riesige Monokulturen entstehen. Die Pflanzen werden dadurch anfälliger für Schädlinge und die Landwirte werden dagegen Pestizide einsetzen. Das ist ein Teufelskreislauf.“ Winkler glaubt, dass die Ausweitung von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht zu weniger Einsatz von Pestiziden führt.

Christoph Then, der Geschäftsführer von Test Biotech, einem Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie, sagte dem RND, dass die neuen Gentechnik-Verfahren durch ein Enzym zielgenau Gene ausschalten könne. „Vorher hat man das Saatgut zwar so verändert, dass es gegen Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat resistent war, aber man wusste nicht genau, wo das Erbgut genau verändert wurde. Das weiß man jetzt“, so Then.

Then: „Die neue Gentechnik hat Potenzial, es fehlt aber jeglicher Praxisbeweis“

Das Ziel der neuen Gentechnik-Verfahren sei es, die Pflanzen resistent für Pilzkrankheiten zu machen. Das Problem sei aber, dass die ausgeschalteten Gene auch andere Funktionen hätten und daher Nebenwirkungen auftreten könnten und weniger robust sein könnten. „Die neue Gentechnik hat Potenzial, es fehlt aber jeglicher Praxisbeweis“, sagt er. Auch Then hält den Vorstoß der EU-Kommission für nicht empfehlenswert. „Die Grenze von 20 veränderten Genen ist nicht wissenschaftlich und völlig willkürlich. Nach unserer Schätzung würden 90 Prozent der NGT-Pflanzen keine Risikoüberprüfung mehr durchlaufen.“ Sie würden den konventionellen Pflanzen dadurch gleichgestellt, trügen aber ein anderes Risiko.

Ein Sprecher des Landwirtschafts- und Ernährungsministeriums sagte dem RND, dass sich das Ministerium durch die Umfrage bestätigt sehe. Es brauche „Nachbesserungen im Vorschlag der EU-Kommission“. So dürfe die konventionelle und ökologische Landwirtschaft nicht „in ihrer wirtschaftlichen Substanz gefährdet werden.“ Weiter heißt es: „Wer gentechnikfrei wirtschaften will, muss das weiterhin tun können.“ So dürften Haftungsrisiken nicht den Unternehmen zugemutet werden, die gentechnikfrei wirtschaften wollten.

Bei der Umfrage befragte Forsa telefonisch 1.003 erwachsene Personen, die in Deutschland in einem Privathaushalt leben. (RND)

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