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„Uns läuft die Zeit davon“Wie es nach dem Start der bundesweiten Impfungen weitergeht

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Start der Co­rona-Imp­fun­gen: Vorbereitung der Spritzen in einem Se­nio­ren­zen­trum.

  1. SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach spricht wegen der Mutationen von einem Wettlauf und fordert mehr Produktionskapazitäten und ein schnelleres Vorgehen.
  2. Und es stellt sich die Frage: Darf man Nicht-Geimpfte künftig anders behandeln als Geimpfte?

Mit mobilen Teams in Alten- und Pflegeheimen sind die Impfungen gegen das Coronavirus bundesweit in ganz Deutschland gestartet – wie fast überall in Europa. Nur in Einzelfällen gab es Verzögerungen – etwa im Kreis Augsburg, wo die Kühlkette des Impfstoffs nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnte. In den nächsten Tagen sollen auch die deutschlandweit 400 Impfzentren ihren Betrieb aufnehmen. Bis Jahresende könnten bereits eine Million Impfdosen verbraucht sein.

Die Impfbereitschaft in Deutschland lag zuletzt in Umfragen zwischen 50 und 65 Prozent. Um eine Immunisierung zu erreichen, müssen sich etwa zwei Drittel der Bevölkerung impfen lassen. „Wer mitmacht, rettet Leben“, warb denn auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am zweiten Weihnachtsfeiertag.Das Nadelöhr für die Immunisierung der Bevölkerung ist aktuell allerdings nicht die Impfbereitschaft, sondern die verfügbare Menge des Impfstoffs. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fürchtet, dass das Virus schneller sein könnte und fordert eine Erhöhung der Produktionskapazitäten für den Impfstoff.

„Die Impfung läuft gut an. Das Problem aber ist, dass wir mit dem vorhandenen Impfstoff nur fünf Millionen Menschen bis Ende März impfen können. Das ist bei Weitem nicht so viel, wie wir impfen könnten“, sagte Lauterbach dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Das seien noch nicht einmal alle, die in die Gruppe der ersten Priorität gehörten. Dazu zählen Menschen, die in Pflege- und Altenheimen leben oder arbeiten. „Uns läuft aber die Zeit davon. Das Virus hat bereits Mutationen gebildet“, betonte Lauterbach.Er verwies auf neuere Studien, wonach das Virus diese Mutationen vielleicht in immungeschwächten Patienten bilden könnte, zum Beispiel bei Krebspatienten oder Menschen mit Autoimmunerkrankungen.

Der Gesundheitsexperte betonte: „Durch die Mutationen wird die Impfung zum Wettlauf mit dem Virus. Wir müssen also möglichst schnell impfen, bevor sich die Mutationen auch gegen die Impfung auswirken.“ Er forderte: „Daher sollte die Bundesregierung jetzt unbedingt prüfen, ob die Produktionskapazität für den Impfstoff in Deutschland kurzfristig aufgebaut oder erhöht werden kann.“Gleichzeitig gewinnt die Debatte um einen unterschiedlichen Umgang mit Geimpften und Nicht-Geimpften Momentum. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat davor gewarnt, Nicht-Geimpfte zu diskriminieren. „Eine Unterscheidung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften kommt einer Impfpflicht gleich“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. „Ich bin aber gegen einen Impfzwang.“

Fehlende Rechtssicherheit

Viele Institutionen fordern, dass die Bundesregierung in dieser Frage Rechtssicherheit schafft. So sagte die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Ingrid Hartges dem RND: „Bei der Gästeregistrierung war es unter Juristen schon umstritten, ob der Gastwirt einen Anspruch auf Vorlage des Personalausweises hat. Beim Impfausweis stellt sich die Frage des Datenschutzes einmal mehr.“ Zu diesen Fragen benötigten Gastwirte wie Gäste verbindliche Antworten.Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte die Bundesregierung ebenfalls zum Handeln auf, um Nicht-Geimpfte vor Diskriminierung zu schützen. „Wenn Horst Seehofer das verbieten lassen will, braucht es eine gesetzliche Klarstellung.

Denn schon Pflegeanbietern ist im Rahmen der Vertragsfreiheit freigestellt, den Abschluss von Verträgen oder den Zutritt zu ihren Liegenschaften zu verweigern“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Es sei keineswegs sicher, dass eine versteckte Impfpflicht durch die Anti-Diskriminierungsvorschriften nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verboten sei.