Stacy Krott und Fabian Schwab stehen dem Gremium vor, das im Juni den Wahlvorschlag für das Präsidium vorgestellt hat.
„War ein wilder Ritt“Spitze des Mitgliederrats über Leiden des FC und die Vorstandswahl

Stacy Krott und Fabian Schwab mit Präsidentschaftskandidat Jörn Stobbe (r.)
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Herr Schwab, Frau Krott, der Vorstand scheidet Ende September aus dem Amt. Wie bewerten Sie die Amtszeit des Präsidiums?
Fabian Schwab: Wenn ich die letzten sechs Jahre bewerten soll, muss ich sagen: Es war eine wilde Achterbahnfahrt. Wir haben die Relegation überlebt, eine Transfersperre bekommen und sind dann doch abgestiegen. Wir haben mittlerweile den fünften sportlich Verantwortlichen und den achten Trainer. Daher muss ich sportlich insgesamt ein negatives Fazit ziehen. Nahezu jeder Wechsel auf einer dieser Positionen bringt nun mal auch einen massiven Substanzverlust mit sich. Finanziell sind wir jetzt ein solide aufgestellter Bundesligist, was erfreulich ist. Zwischendurch sah es hingegen, auch bedingt durch Corona, ziemlich düster aus. Man muss aber fairerweise sagen, dass wir in die Saison 19/20 mit einem nicht geringen geplanten operativen Minus gestartet sind, wo die Budgetplanung vor der Amtszeit des amtierenden Vorstands entstand.
Stacy Krott: Ich persönlich wurde vor etwa einem Jahr in den neu zusammengestellten Mitgliederrat gewählt und kann daher nicht für die Entscheidungen der Vergangenheit sprechen. Dennoch waren die letzten Jahre des FC auch aus meiner Sicht ein wilder Ritt.
Welche Weichenstellungen und Entscheidungen waren richtig, welche falsch?
Schwab: Der Weg zu einer soliden wirtschaftlichen Planung war eine entscheidende und richtige Weichenstellung. Das hat aber auch sportliche Substanz gekostet, und man muss diskutieren, ob das Tempo der finanziellen Sanierung zu schnell war. Dennoch gibt uns der Paradigmenwechsel hin zur soliden Planung heute den nötigen finanziellen Spielraum. Wir können jetzt aus dem operativen Geschäft ein Transfervolumen bereitstellen, und alle zusätzlichen Einnahmen sind ein Bonus. Wir müssen nicht mehr zehn Millionen Euro an Transfereinnahmen einplanen, nur um eine schwarze Null zu erreichen. Dieser Ritt auf der Rasierklinge, der auch zu Beginn der Amtszeit des amtierenden Vorstands noch praktiziert wurde, ist vorbei.
Christian Keller sprach bei seinem Amtsantritt davon, der FC sei ein Sanierungsfall. War die Lage wirklich so extrem?
Schwab: In meinen Augen schon. Der Begriff „Sanierungsfall“ ist vielleicht etwas hart, aber der Klub hat jahrelang über seine Verhältnisse gelebt und aus den vorhandenen Mitteln zu wenig gemacht.
Der Vorstand und die Kandidaten-Teams „Stroman“ und „Adenauer“ sprachen sich jüngst erneut für eine hybride Mitgliederversammlung aus. Warum lehnen Sie diese ab?
Schwab: Wir sind vom Format schlichtweg nicht überzeugt und halten die Debatte zum Teil für Populismus im Wahlkampf. Die hybride Mitgliederversammlung 2021 war des höchsten Organs unseres Vereins nicht würdig. Wenn 400 Leute in der Halle sitzen und 1500 digital zugeschaltet sind, verlagert sich die Teilnahmeform auf eine problematische Weise. In unseren Augen ist „hybrid“ nicht das Allheilmittel für Mitgliederpartizipation und Barrierefreiheit. Diese Annahme greift zu kurz. Man hat es in den letzten Jahren versäumt, die Attraktivität der Mitgliederversammlung ganzheitlich zu betrachten. Hinzu kommen die komplexen Fragen des Rede- und Antragsrechts bei einer Online-Teilnahme. Für uns als Mitgliederrat war von Beginn an klar: Wenn es eine hybride Versammlung geben sollte, dann nur mit vollem Rede- und Antragsrecht für alle. Dass sich Mitglieder nur zum Abstimmen zuschalten, ohne aktiv am Vereinsleben teilnehmen zu können, kam für uns nicht infrage.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum Vorstand beschreiben?
Schwab: Ich glaube man kann es als durchaus unterkühlt und wenig konstruktiv bezeichnen. Wenn man inhaltlich derart unterschiedlicher Meinung ist und die Standpunkte verhärtet sind, wird es schwierig. Aber ich möchte klar sagen, dass dies primär die Sachebene betrifft.
Seit der von Ihnen empfohlenen Nicht-Entlastung auf der Mitgliederversammlung scheint das Tischtuch zwischen Mitgliederrat und Vorstand zerschnitten.
Schwab: Ehrlicherweise ist das Verhältnis schon länger angespannt, ich würde sagen, seit der Cas-Thematik.
Krott: Es liegt in der Natur der Sache, dass es zwischen einem Gremium wie dem Vorstand und einem Kontrollorgan wie dem Mitgliederrat zu unterschiedlichen Auffassungen kommt. Ich finde jedoch, dass man auch in dieser Konstellation konstruktiv zusammenarbeiten und alle Beteiligten Selbstreflexion zeigen sollten.
Das Team um Sven-Georg Adenauer warf Ihnen im Vorfeld des Mitgliederratsstammtischs fehlende Neutralität und Einmischung in den Wahlkampf vor.
Schwab: Wenn wir einen so intensiven Prozess führen und satzungsgemäß das Recht haben, ein Vorstandsteam zu nominieren, von dem wir überzeugt sind, dann ist es auch unser Recht, zu diesem Team zu stehen und dessen Qualitäten hervorzuheben. Der Mitgliederrat unterliegt keinem Neutralitätsgebot – das wäre auch paradox. Die neutrale Instanz in dieser Situation und Herr des Verfahrens zur Vorstandswahl ist ganz klar die Wahlkommission, nicht der Mitgliederrat. Der Vorstand in Person von Carsten Wettich führt als Anwärter in einem neuen Vorstandsteam schließlich auch Wahlkampf und unterliegt in dieser Rolle keiner Neutralitätspflicht.
Trifft es zu, dass der ehemalige Interimspräsident und Mitgliederrats-Vorsitzende Stefan Müller-Römer Ihrem Gremium Jörn Stobbe empfohlen hat?
Krott: Ganz klar: Nein.
Müller-Römer und Stobbe sind seit Jahren befreundet. Welche Rolle spielt Müller-Römer aktuell beim 1. FC Köln – und in Zukunft?
Schwab: Die beiden kennen sich, meines Wissens, aus der Zeit im Gemeinsamen Ausschuss, dem auch Jörn Stobbe als Aufsichtsratsvorsitzender von 2019 bis 2021 angehörte. Von einer Freundschaft zu sprechen, wäre glaube ich übertrieben. Seine aktuelle Rolle beim FC? Keine. Und in Zukunft wird es so sein wie bisher: Er ist ein ehemaliger Funktionär, der weiterhin am Verein interessiert ist.
Wiederholt wurde über die angeblich zu große Macht des Mitgliederrats beim FC diskutiert. Was sagen Sie zu dieser Debatte?
Krott: Die Debatte über die angebliche Macht des Mitgliederrats halte ich für ein Wahlkampfthema. Wir haben einen satzungsgemäßen Auftrag und Rechte, die wir wahrnehmen – nicht mehr und nicht weniger. Wer die Satzung genau liest, erkennt, dass wir in unserem Handeln limitiert sind. Von „Macht“ kann man daher nicht sprechen. Wenn man sich die Checks and Balances im Verein ansieht, hat der Mitgliederrat nur sehr wenige Schalthebel. Grundsätzlich halte ich Checks und Balances in jedem Unternehmen – auch bei unserem FC – für wichtig.
Die Teams von Wilke Stroman und Sven-Georg Adenauer haben es geschafft, die Unterschriften für ihre Kandidatur zu sammeln. Halten Sie das dafür nötige Quorum noch für zeitgemäß?
Schwab: Ja. Dass es beide Teams geschafft haben, zeigt, dass die Hürde nicht zu hoch ist. Man müsste anders darüber reden, wenn es niemand geschafft hätte. Ob das Sammeln der Unterschriften in Papierform noch zeitgemäß ist, steht auf einem anderen Blatt. Darüber kann und muss man nachdenken, denn der Prozess bedeutet für alle Beteiligten einen unheimlichen Aufwand.