Vorschläge des Kartellamts könnten den Wettbewerb der Profis in Deutschland tiefgreifend verändern
Kartellamt stärkt 50+1-RegelEine gute Nachricht für die Traditionsvereine


Die Fans des 1. FC Köln setzen sich seit vielen Jahren für die Stärkung der 50+1-Regel im deutschen Profifußball ein.
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Fußball in Deutschland ist Vereinssache: 7,7 Millionen Mitglieder spielen in 24.000 Klubs unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes. An diese Organisationsform sollen auch die 36 Klubs anknüpfen, die in den ersten beiden Profiligen organisiert sind – ob wohl deren Betrieb je nach Standort nur noch wenig mit dem Kulturgut Vereinssport gemein hat. Deshalb gilt die „50+1“-Regel: Am Spielbetrieb teilnehmen darf nur, wer entweder in einem Verein organisiert ist oder wo der Mutterverein die Mehrheit an der ausgegliederten Kapitalgesellschaft hält.
Bereits vor Jahren bat die DFL das Kartellamt, die 50+1-Regel zu prüfen. Denn die Klubs betreiben erheblichen wirtschaftlichen Aufwand. Wer da als Verband Investitionsmöglichkeiten beschränken will, ruft die Behörde auf den Plan. Die Antwort überraschte: Nicht die Regel selbst ist problematisch – sondern ihre Ausnahmen.
Denn im Sport hat gleiches Recht für alle zu gelten. Dass der 1. FC Köln, dessen ausgegliederte Profifußball-Gesellschaft zu 100 Prozent den Mitgliedern gehört und von diesen maßgeblich geprägt wird, mit einer Konzerntochter am selben sportlichen Wettbewerb teilnimmt, wirft Fragen auf. Das wäre, als würde man Motorräder bei der Tour de France tolerieren.
Das Kartellamt hat dieses Missverhältnis nun adressiert. Fußballvereine und das Engagement darin dienen dem Gemeinwohl. Dieses Gut muss nach Ansicht des Kartellamts geschützt werden. Daher sollen künftig auch Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg sicherstellen, dass die Vereinsmitglieder das letzte Wort haben. Ob die Konzernmütter dann noch bereit wären, ihre Fußballtöchter wie bisher zu finanzieren, steht dabei infrage.
In Leipzig hat der Red-Bull-Konzern einen Verein übernommen, in die Bundesliga alimentiert und anschließend die Tür von innen zugesperrt. Zwar hat der Verein die Stimmenmehrheit. Allerdings gibt es nur 23 stimmberechtigte Mitglieder, die vom Verein ernannt werden – eine nachgerade zynische Umgehung dessen, was die DFL-Satzung will. Sollte Red Bull also verpflichtet werden, Bürgern die Möglichkeit zu bieten, sich bei RB zu engagieren, wäre Deutschland für die Ziele des Getränkeriesen kaum mehr interessant.

In der Saison 2022/23 protestierten die Fans unter anderem mit Tennisbällen gegen einen Investoreneinstieg bei der DFL.
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In Hannover ist die Lage noch vertrackter. Zwar hält der Verein die Stimmenmehrheit. Doch als die DFL im Dezember 2023 ihre 36 Klubs dazu aufrief, über die Beteiligung von Investoren abzustimmen, erhielt 96-Geschäftsführer und -Investor Martin Kind zwar die Weisung des Vereins, dagegen zu stimmen. Doch niemand konnte das überprüfen. Die Vereine sollen daher künftig nicht nur in der Lage sein, Weisungen zu erteilen. Auch deren Umsetzung muss überprüfbar sein.
Betroffene Klubs hätten gute Chancen, sich zur Wehr zu setzen
Transparenz, Mitbestimmung und offene Abstimmungen – die Vorschläge des Kartellamts könnten das Selbstverständnis des deutschen Profifußballs tiefgreifend verändern. Allerdings wird gerade im Ausland der Blick auf das Kulturgut Vereinsfußball anders ausfallen als hierzulande. Sollten also betroffene Klubs vor dem Europäischen Gerichtshof klagen – sie hätten gute Aussichten. Wenngleich abzuwarten wäre, wie ihre Fans darauf reagierten.
Grundsätzlich wäre der Vereinsgedanke gestärkt, sollte die DFL die Vorschläge des Kartellamts umsetzen. Die Champions League würden deutsche Klubs in einer zunehmend von Milliarden-Investments geprägten Fußballwelt zwar nicht mehr gewinnen. Doch das hat in Leipzig, Wolfsburg, Leverkusen und Hannover ohnehin noch nie geklappt. Für die Bundesliga bedeuteten die durch das Kartellamt angeregten Schritte eine Stärkung der Traditionsvereine. Für die 24.000 Fußballvereine in Deutschland wäre das eine gute Nachricht.